Der blonde Sympatikus zählt nicht nur zu den begnadetsten Saitendehnern, sondern längst auch zu den verlässlichsten Lieferanten ausgewogener Tonträger. Die Rede ist hier natürlich von Axel Rudi Pell, der mit »Risen Symbol« vor kurzer Zeit das bereits 22. Studioalbum seiner Laufbahn vorlegte und damit einmal unter Beweis stellen konnte, weshalb er vor allem auf dem europäischen Festland mit zu den beliebtesten Künstlern seiner Zunft zählt. Seine Fans wissen das zu schätzen und sind ihm deshalb auch seit langen Jahren treu.
Das weiß natürlich auch der ehemalige Gitarrist von STEELER - einer bis heute respektierten und geschätzten Melodic Metal-Band aus dem Ruhrpott - und liefert wohl auch aus Dankbarkeit immer wieder Live-, Cover- und Compilation-Scheiben ab, die sich ähnlicher Beliebtheit wie sein Studioschaffen erfreuen.
Da der gute Mann aber nicht nur sein Instrument auf höchsten Niveau beherrscht, sondern längst auch als Songschreiber der Champions League angehört, läßt sich auch auf seinem aktuellen Drehers feststellen. Egal, ob man es eher hurtig und mit Wucht mag oder einem die epische Seite seines Schaffens mehr zusagt, auch auf »Risen Symbol« bekommt man von Axel und seiner Mannschaft erneut alles, was das (Fan-)Herz begehrt. Zeit also, sich wieder einmal mit dem bekennenden Blackmore-Anhänger zu unterhalten.
Hast Du eigentlich einen Plan, wenn Du an Songs für ein neues Album arbeitetest?
Klar doch, es muß das Beste werden, das ich jemals gemacht habe. Ist es doch auch, oder? [lacht] Spaß beiseite. Da ich eigentlich nahezu permanent komponiere, habe ich ehrlich gesagt oftmals überhaupt keine Idee, ob denn die Songs nun etwa schneller, härter oder epischer sein werden als auf dem Album zuvor. Natürlich sammelt sich dabei oft auch Material an, das ich in die Tonne kicke. Aber das hält sich zum Glück in Grenzen.
Kommt es auch vor, daß Du erst später draufkommst, daß Du eine Passage schon mal verwendet hast?
Ab und zu schon, aber bislang hielt sich das tatsächlich in Grenzen. Es kann aber sehr wohl vorkommen, daß wir bewußt an einen Song anknüpfen wollen, der schon auf einer anderen Scheibe verewigt war.
Kann es sein, daß Dein aktueller Dreher an »Black Moon Pyramid«, Deinem 1996er Album, anschließt? Das Cover sieht jedenfalls verdächtig danach aus...
Erwischt. [lacht] Aber kein Thema, es sollte ja so sein. Pyramiden sind nun mal etwas Faszinierendes, und auf »Black Moon Pyramid« war ja bloß die Spitze zu sehen, aus der irgendwelche Kreaturen auftauchen. Jetzt ist das Bauwerk als Ganzes zu sehen. Auch musikalisch lassen sich zwischen den beiden Alben Querverweise herstellen, zumindest was die orientalischen Einflüsse angeht.
Gutes Stichwort, danke. Für einen bekennenden Blackmore-Fan lassen sich dieses Mal überraschend viele LED ZEPPELIN-Reminszenzen heraushören. Absicht oder Zufall?
Weder noch! Ich habe ja auch noch nie gesagt, ich wäre ein Blackmore-Purist. ZEPPELIN zählen neben PURPLE, RAINBOW und der DIO-Ära von BLACK SABBATH seit jeher zu meinen persönlichen Favoriten, und deshalb auch zu den wichtigsten Inspirationsquellen für mein Schaffen. So ungewöhnlich sollte es also nicht sein, daß ich mich mal an einem ihrer Songs versuche, und auf meine Art interpretiere.
Okay, überzeugt. Stimmst Du mir denn zu, wenn ich behaupte, daß man sich den ›Immigrant Song‹ als Band aber nur dann zur Brust nehmen sollte, wenn man einen entsprechenden Sänger in den Reihen hat?
Zu 110 Prozent! Ohne Johnny wäre es sicher nicht möglich gewesen, sich daran zu versuchen. Und wenn man nach den ersten Takes von einem Bobby Rondinelli zu hören bekommt, daß er noch nie eine dermaßen hingebungsvoll intonierte Version wie die unsere zu hören bekommen hat, sagt das wohl auch einiges.
Sowieso. Es sagt aber auch einiges zu Eurem Bandgefüge aus, schließlich ist "Stabilität" seit langen Jahren ein entscheidender Faktor Eurer Alben geworden.
Absolut! Denn auch wenn ich, wie ich schon erwähnt habe, eigentlich permanent am Komponieren bin, ist es ein wesentlich effektiveres Arbeiten, wenn man nicht ständig im Hinterkopf haben muß, daß es ja eigentlich eh nett ist, was man da so macht, aber ohne - wen auch immer - wird es nicht einfach, den Song umsetzen. Schon gar nicht auf einer Bühne. So gesehen bin ich seit mehr als zehn Jahren schon in der glücklichen Lage, mich auf die Songs konzentrieren zu können, und mich nicht mit irgendwelchen Besetzungsthemen oder sonstigem Kram beschäftigen zu müssen. Auch wenn es uns schon lange nicht mehr möglich ist, gemeinsam zu proben, wissen wir, was wir aneinander haben und können uns blind aufeinander verlassen. Das erste Zusammentreffen vor einer Tour, ist dafür jedes Mal wie ein Weihnachtsfest. [lacht]
Genau das wissen auch Eure Fans zu schätzen. Die wissen schließlich, was sie wollen, und bekommen das immer wieder. Nie jedoch ein und dasselbe Alben. »Risen Symbol« hat meiner Meinung nach nicht nur mehr ZEPPELIN-Einsprengsel, sondern auch einen erhöhten Anteil an orientalischen Melodien und zudem einen etwas deftigeren Gitarrensound.
Da stimme ich dir zu. Natürlich sind wir bestrebt unseren Fans mit jeder Veröffentlichung Freude zu bereiten, und hoffen, daß sich daran auch in Zukunft nichts ändert. Dennoch wollen wir ihnen auch nicht das "eine Album" immer wieder neu auftischen. Mit feinen Änderungen, wie den bratenden Gitarrensound auf dem neuen Album sind wir aber, so denke ich zumindest, ganz gut unterwegs. Jedenfalls wurde uns bisher noch nicht oft vorgeworfen, wir würden uns wiederholen.
Dazu besteht auch kein Grund. Im Gegenteil, man erkennt die Band sofort, hat aber nie das Gefühl, eine Nummer doch schon mal gehört zu haben. Vor allem die Longtracks sind immer wieder ein Genuß. Mich hat ›Ankhaia‹ sofort gepackt, auch wenn ich keine Idee habe, was der Titel bedeutet... Irgendetwas Orientalisches ist mir klar, aufgrund der entsprechenden Melodien, mehr konnte ich mir aber nicht zusammenreimen. Also, Herr Pell, worum geht es dabei?
"Ankhaia" ist ein Phantasievokabel, das mir in den Sinn gekommen ist. Hergeleitet ist von "Ankh", einem ägyptischen Symbol für Frieden. Ich hab' daraus quasi einen Zufluchtsort in schlechte Zeiten gemacht. Einen Ort, den wir wohl dringend brauchen würden.
Die Texte stammen auch von Dir? Das überrascht, da ich dachte, daß Johnny dafür zuständig wäre...
Ja, mittlerweile traue ich mir auch zu englische Texte unfallfrei zu formulieren. Johnny kommt mir nur dann zu Hilfe, wenn eine Formulierung nicht paßt oder er eventuell ein Problem mit der Melodik der Wörter beim Singen hat. Ansonsten hält er sich aber da inzwischen ziemlich raus, der gute Mann.
Fehlt nur noch ein Blick in die Glaskugel. Also, was dürfen wir als nächstes von Euch erwarten?
Demnächst werden wir uns auf diversen Festivalbühnen zeigen, ehe wir im Herbst auf Europatournee gehen. Darauf freue ich mich jetzt schon, ehrlich. Wann es das nächste Album geben wird, läßt sich noch nicht abschätzen. Ich bin mir noch nicht einmal darüber im Klaren, ob es ein Balladen- oder doch ein Livealbum werden wird. Mal schauen. Eventuell ja sogar eine Mischung, schließlich sammle ich auch bereits Ideen für weitere Coversongs. Laßt Euch einfach überraschen.
Danke, das werden wir tun.
Photos: Kai Hofmann