Nicht nur die deutsche Thrash-Metalszene wäre ohne DESTRUCTION um eine Attraktion ärmer. Das weiß die Truppe natürlich auch zu schätzen, und gilt wohl nicht umsonst als Vorzeigeexemplar in Sachen Fannähe, und zudem als eine der wohl tourfreudigsten Bands im gesamten Business. Das war zwar in den letzten zwei Jahren aus bekannten Gründen unmöglich, Schmier und seine Mannschaft haben aber dennoch alles andere getan, als auf der faulen Haut zu liegen oder gar zu lamentieren. Im Gegenteil, der Fronthüne hat mit seinen Kollegen ein neues Studioalbum startklar gemacht. Dieses wird seinem Titel »Diabolic« vollends gerecht und stand klarerweise auch im Mittelpunkt unseres Gesprächs.
2022 scheint ein besonderes Jahr in der Bandgeschichte zu sein, denn es gibt gleich mehrere Jubiläen zu feiern, richtig?
Ja! Zum einen wurde die Band vor 40 Jahren gegründet, und zum anderen können wir mit Stolz unser fünfzehntes Studioalbum vorlegen, diverse Compilationgeschichten und EPs nicht mit eingerechnet! Abgesehen davon haben wir vor einiger Zeit auch den 35. Geburtstag unseres treuen Begleiters "Mad Butcher" zelebriert. Davon hätten wir ehrlich gesagt nicht einmal zu träumen gewagt, doch er ist von Beginn gut bei den Fans angekommen, und von daher blieb er der Band ebenso erhalten, wie wir unseren Fans.
Die bekommen auch mit dem neuen Dreher genau das, was sie von Euch gewohnt sind. Dennoch muß es für Dich eine völlig neue Situation gewesen sein. Schließlich ist es das erste Album ohne Deinen langjährigen Begleiter Mike Sifringer.
Anders war es auf jeden Fall. Das Songwriting an sich nicht, denn dafür war immer schon ich zuständig. Die Ausarbeitung der Tracks lief aber definitiv in veränderter Form ab. Da Mike und ich viele Jahre zusammengespielt haben, gab es logischerweise gewisse Abläufe, die fast automatisch funktioniert haben. Dadurch war es aber auch nicht immer einfach, sämtliche Ideen unter einen Hut zu bringen. So gesehen war es dieses Mal lockerer, denn ich hatte von Beginn an das Gefühl, daß wir alle vier an einem Strang ziehen würden. Den wohl größten Unterschied zu diversen älteren Scheiben macht meiner Meinung nach aber wohl die Tatsache aus, daß »Diabolic« mehr aus dem Bauch, und weniger aus dem Kopf heraus entstanden ist.
War denn das Arbeiten situationsbedingt schwieriger als sonst?
Nein, gar nicht. Es war eher so, daß die Musik für mich in dieser Zeit noch mehr zu einem essentiellen Bestandteil meines Lebens wurde. Es war ja nicht nur pandemie-bedingt eine schwere Zeit. Die Trennung von Mike war auch etwas, das mich mitgenommen hat, und außerdem mußte ich mich nach unserem Vertragsende bei NUCLEAR BLAST um ein neues Label kümmern. Einfach geht anders, das kannst Du mir glauben!
Und das Songschreiben selbst?
Das lief total entspannt ab. Da wir nicht erst ein Studio buchen mußten, wo wir dann für die Aufnahmen hingondeln hätten müssen, um in der zur Verfügung stehenden Zeit alles so gut wie möglich aufzunehmen, habe ich das Songwriting in Eigenregie erledigt, und als kontinuierlichen Prozeß betrachtet. Dabei war ich zwar eher unkonventionell unterwegs, dachte mir aber, daß es besser ist, meine Ideen möglichst sofort aufzunehmen. Bei Bedarf konnte ich dann alles so lange verändern, bis für mich gepaßt hat. Es gibt wohl keine Band, die nicht erst Monate nach der Fertigstellung eines Albums bemerkt, was man hätte anders machen sollen. Genau das wollte ich vermeiden, und konnte es durch diese Arbeitsweise auch!
Mit den Songtiteln und Texten triffst Du leider punktgenau den Nerv der Zeit. Viel aktueller als im Moment könnten manche davon gar nicht sein.
Das stimmt. Allerdings habe ich seit jeher nicht nur Negatives am Start, sondern sehe auch immer das Licht am Horizont. ›No Faith In Humanity‹ ist ein gutes Beispiel dafür. Diese sozialkritische Seite gehört für mich zum Thrash Metal einfach dazu. Sie ist Teil der Thrash-DNA und kommt aus der Punk-Ecke.
Gutes Stichwort: Mit ›City Baby Attacked By Rats‹ von G.B.H. habt Ihr erneut eine Coverversion aus dieser Ecke aufgenommen. Der Einfluß aus dieser Szene ist also immer noch vorhanden, oder?
Auf jeden Fall! Doch nicht nur dieser Aspekt hat die Entwicklung des Thrash Metal generell mitgeprägt. Auch die Aggression und die rohe Energie sind essentielle Bestandteile, die in erster Linie von Punk und Hardcore beeinflußt wurden. Wir haben zwar in unserer langjährigen Bandgeschichte natürlich auch MOTÖRHEAD-, TANK- und IRON MAIDEN-Songs aufgenommen, aber eben auch schon mehrmals Tracks aus dieser Ecke.
Photos: Hexphotography