Seit es die lange Jahre zu recht als "Seattle's Finest" bezeichnete Truppe geschafft hat, sich wieder vorwiegend um Musik zu kümmern, und nicht in erster Linie Rechtsanwaltskanzleien zu beschäftigen, um Namensrechte zu erstreiten, ist es QUEENSRŸCHE auch wieder gelungen, ihre Fans zufriedenzustellen. Erheblichen Anteil daran hatte mit Sicherheit auch Todd La Torre. Der seit mittlerweile gut zehn Jahren zum Line-up zählende, davor bei CRIMSON GLORY überaus positiv auffällig gewordene Sänger hat aber nicht nur ein wenig Ruhe und Frieden in die Band gebracht, sondern vor allem frischen Wind. Das war erstmals auf dem selbstbetitelten, den Neustart gewissermaßen manifestierenden 2013er Dreher zu vernehmen. Aber auch »Condition Hüman« (2015) und »The Verdict« (2019) konnte der aus St. Petersburg, Florida stammende Frontmann entscheidend mitprägen.
Kein Wunder also, daß Todd auch an der Entstehung des brandneuen Albums »Digital Noise Alliance« maßgeblich beteiligt war. Da er mittlerweile auch eine größten Teil der Pressetätigkeiten für die Band übernimmt, war es auch, der uns sämtliche Fragen zum jüngsten Output via Zoom beantwortete.
Die letzten beiden Jahre waren hart. Konzerte und Tourneen gab es nicht. Habt Ihr deshalb intensiver als sonst an den Songs gearbeitet?
Nein, eigentlich nicht. Wir haben insgesamt knapp drei Jahre benötigt, um das Album fertigzustellen. Eine solche Zeitspanne ist für QUEENSRŸCHE nicht ungewöhnlich. Klar war alles irgendwie anders, aber das Songschreiben an sich, oder das Feilen an feinen Sounddetails, verliefen eigentlich wie immer. Daran konnte kein Virus etwas ändern.
Vielen Bands hat die Pandemie allerdings bei den Aufnahmen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wie war es bei Euch?
Wir hatten Glück! Als wir uns nämlich für die Aufnahmen in Miami getroffen hatten, war der prekärste Phase schon einigermaßen überstanden. Das heißt, wir konnten, wie in alten Tagen, allesamt zur selben Zeit im Studio sein, und die Scheibe aufnehmen. Auch unser Produzent "Zeuss" war im Prinzip die ganze Zeit bei uns. Von daher bestand kein Unterschied zu früher.
Dann müßt ihr ziemlich flott gearbeitet haben, denn allzu lange gab es die Möglichkeit, wieder zusammen an Aufnahmen zu arbeiten, in diesen Tagen ja nicht.
Das stimmt. Wir mußten aber nichts überstürzen. Vielleicht hat jeder von uns im Vorfeld dieses Mal mehr Zeit in die Songs investiert, das mag schon sein. Es ist für uns aber wirklich nicht ungewöhnlich gewesen, wir haben im Prinzip gearbeitet wie immer. Den Anfang machten unser Drummer Casey Grillo, "Zeuss" und ich bei mir in Florida in meinem Homestudio. Als dann die Drum-Tracks im Kasten waren, ging es mit den Baßspuren und den Rhythmusgitarren weiter. Zum Schluß kamen dann wie immer die Soli und mein Gesang.
An die von Dir erwähnten "alten Tage" fühlt man sich durch manche Songs auch spontan erinnert. Hattet Ihr das Frühwerk der Band im Fokus, als es mit dem Schreiben losging?
Nicht wirklich. Wir waren uns lediglich einig, daß »Digital Noise Alliance« zu einem Album werden muß, dem man auf Anhieb anhört, daß es von QUEENSRŸCHE stammt. Vielleicht bin ich diesbezüglich nicht wirklich der richtige Gesprächspartner, da ich ja erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit zum Line-up gehöre. Auf der anderen Seite war ich mindestens doppelt so lange zuvor schon eingeschworener Fan der Band, und konnte die Kollegen davon überzeugen, was man als solcher von der Band hören möchte. Mein Glück war, daß "Zeuss" mich diesbezüglich unterstützte, auch wenn es zu keinen ausartenden Diskussionen gekommen ist. Die experimentelle Phase der Band ist schließlich längst Geschichte.
Keine Widerrede. Wie auch, wo man doch mitunter sogar diverse Anleihen an Bands heraushören kann, die Euch seit den frühen Tagen inspiriert haben. Neben IRON MAIDEN, die im Opener ›In Extremis‹ mehr als nur durchschimmern, dürften auch JUDAS PRIEST ein Scherflein zu diesem Album beigetragen haben. Korrekt?
Ja! Allerdings nicht unbedingt auf das Schreiben der Songs, sondern eher auf das Bandgefüge. Als wir die Herren im vergangenen April auf ihrer Nordamerika-Tournee begleiten durften, ist uns nämlich nicht nur als Musiker, sondern auch als Musikliebhaber generell bewußt geworden, wie sehr uns das alles gefehlt hat. Noch beeindruckender war aber, daß PRIEST Tag für Tag mit einer unglaublichen Motivation losgelegt haben. Man hat sofort gemerkt, daß wir es zwar mit Vollprofis zu haben, jedoch mit jener Sorte davon, die diese Art von Musik aus Hingabe und vollster Überzeugung machen. Nach diesen fünf Wochen wurde uns wieder einmal klar, warum wir das alles machen!
Diese Motivation merkt man dem Album in der Tat an! Das Material knallt nämlich mitunter tatsächlich wie früher. Unverändert geblieben ist offenbar auch, die Tracks mit tiefsinnigen, und zum Nachdenken anregenden Texte zu veredeln. Hattest Du denn im Vorfeld schon etwas vorbereitet, oder gehst Du eher spontan zur Sache?
Ideen und Stichworte notierte ich ab und zu, mehr aber nicht. Ich muß immer erst den fertigen Song hören, und lasse mich dann von der entsprechenden Stimmung inspirieren. Das fällt mir zum Glück nicht schwer, deshalb ist das Texten auch kein sonderlich langwieriger Prozeß. Ich bin zwar kein Philosoph, und will mit meinen Texten auch niemandem meine Meinung aufzwingen, versuche aber, zumindest einigermaßen geerdet zu bleiben. Das jedoch geht mir gut von der Hand, denn mit Fantasiegeschichten habe ich es ohnehin nicht so, und von einem Literaten im eigentlichen Sinne bin ich wohl ein Stück weit entfernt.
Auf jeden Fall zählst Du zu jener Kategorie Künstler, die sich sehr wohl auch im Alleingang ihrem Publikum präsentieren. Hast Du denn vor, Deinem ersten Soloalbum »Rejoice In The Suffering« irgendwann einmal ein weiteres folgen zu lassen?
Mit Sicherheit! Ich habe zwar noch keine Ahnung wann, einige Songs, oder zumindest erste Teile davon, habe ich jedoch bereits in der Schublade. Zusammem mit meinem Kumpel Craig Blackwell treffe ich mich immer wieder mal, um ein wenig zu jammen. Mit ihm ist ja auch das erste Album entstanden. Er hatte sämtliche Gitarren und Baßparts übernommen, während ich mich um das Schlagzeug, den Gesang, und einige weitere Gitarrenpassagen gekümmert habe. Logischerweise hat die Musik so gut wie nichts mit QUEENSRŸCHE zu tun, sondern ist deutlich härter. Einige Presse-Vertreter haben die Scheibe sogar als Thrash Metal bezeichnet, was ich aber nicht ganz korrekt finde. Aber egal, Im Moment bin ich damit beschäftigt, einen vernüftigen Vertriebsdeal für Europa zu organiseren. Ich denke, das bin ich den Fans schuldig. Die Scheibe war bei Euch ursprünglich ja nur als teurer Import zu haben, da sie von einem verhältnismäßig kleinen, in den USA ansässigen Label veröffentlicht wurde. Die Geschichte läuft aber dennoch eher so nebenbei, denn zur Zeit habe ich mit QUEENSRŸCHE genug zu tun. Nach der Albumpromotion geht es zudem endlich auch wieder auf Tournee, hoffentlich ohne Unterbrechungen oder gar Absagen.
Bisher habt Ihr auf Eurer Homepage lediglich Tourdaten auf dem amerikansichen Kontient veröffentlicht. Wie sieht es denn mit dem Rest der Welt aus? Speziell hier in Europa habt Ihr doch seit jeher ein gewaltiges Following.
Das stimmt, und freut uns natürlich gewaltig. Allerdings waren QUEENSRŸCHE in den USA immer schon einen wesentlich größere Nummer, als das sonstwo der Fall gewesen ist. Ich will den Kollegen diesbezüglich zwar keinen Vorwurf machen, aber zumindest in den Anfangszeiten hat die Band Europa schon ein wenig vernachlässigt. Deshalb haben wir bei Euch auch niemals in Hallen vergleichbarer Größe spielen können. Das bedeutet aber logischerweise nicht, daß wir unsere Fans in Europa nicht zu schätzen wissen. Selbstverständlich werden wir auch bei Euch zu Gast sein, sobald sich die Chance auf eine Tournee ergibt. Auch für die nächste Festivalsaison laufen bereits diverse Verhandlungen. Ihr könnt' sicher sein, daß wir im nächsten Jahr auch bei Euch spielen werden!
Wir nehmen Dich beim Wort, und bedanken uns für das Gespräch!
http://www.queensrycheofficial.com/
Photos: Silly Robot Studios