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”Y-Files”-Datasheet |
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Contents: URIAH HEEP @ Justizvollzugsanstalt Rottenburg-Special |
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Date: 11.08.2008 (created), 03.07.2023 (revisited), 27.12.2023 (updated) |
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Origin: HEAVY |
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Status: published |
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Task: from paper to screen |
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Comment: Dieser Tag stellte natürlich ein spezielles Erlebnis dar - von der umfangreichen Prozedur des Einschleusens bis hin zur Findung des Aufhängers für die Story, als die Band ausplauderte, daß sie am Morgen bei einem ersten Rundgang durch die JVA erfahren hätten, daß hier ein Mann einsitzt, der URIAH HEEP schon mehr als fünfzigmal live gesehen hat. Ich kann mich auch noch entsinnen, welche Überwindung es mich gekostet hatte, den abgesperrten Bereich, der vorne auf der linken Seite der Bühne für die Presse und sonstige Gäste abegeteilt worden war, zu verlassen. Zwar hatten die Betreuer gesagt, es sei kein Problem und wir könnten uns frei bewegen, aber beim ersten Schritt durch die Absperrung mußte ich doch meinen ganzen Mut zusammennehmen. Ich wollte nämlich unbedingt ein Photo mit einer Totalen des Innenhofes schießen, denn ich wollte damit sowohl die Größe als auch vor allem das Gefühl der Isoliertheit bildlich festhalten, das mich hier befallen hatte. Dieses Photo, das weiter unten an vierter Stelle zu finden ist, war ursprünglich auch in der ersten Layout-Version enthalten. Doch dann wurde es leider gegen ein Photo mit den Musikern hinter Gittern, das Kurt Franz beim erwähnten morgenlichen Rundgang geschossen hatte, ausgetauscht; schade nur, daß dieses Photo so stark von der Seite aufgenommen wurde, wodurch eine Menge des Effekts verlorenging, was man wohl auch anhand der kleinen, unten zu sehenden Seitenansicht erkennen kann.
Da bei den bereits im UNDERGROUND EMPIRE online veröffentlichten Artikeln bei der Portierung der HEAVY-Seiten nur ein kleines Thumbnail der HEAVY-Story zu sehen ist, von dem aus man zu der bereits veröffentlichten, meist umfangreicheren Version gelangt, soll diese kleine Graphik im Falle einer noch nicht online zu findenden Story nun hier auftauchen:
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Supervisor: Stefan Glas |
Der 24. Juli 2008, der Tag vor dem "Rock Of Ages"-Festival, war ein besonderer Tag; für verschiedene Personen, unter ganz unterschiedlichen Gründen.
Für Erich Radtke beginnt er aber ganz normal: Als er zum Morgenappell unsanft aus dem Schlaf gerissen wird und anschließend wie jeden Tag zu seiner Arbeit in der Wäscherei geht, ahnt er noch nicht, daß er heute die Musiker seiner Lieblingsband persönlich kennenlernen wird. Schließlich sitzt Erich Radtke in der Justizvollzugsanstalt Rottenburg ein.
Auch für URIAH HEEP läuft an diesem Tag zunächst vieles nach bekanntem Muster: Sie waren bereits am Vortag in Deutschland angekommen und hatten ihr Hotel in der Nähe des Festivalgeländes bezogen. Da sich die Band bereiterklärt hatte, ohne Gage in der Justizvollzugsanstalt Rottenburg aufzutreten, sollte an diesem Morgen dort ein Besuch anstehen, um sich mit der Location vertraut zu machen. Dies soll nämlich für die Band der erste Auftritt unter solchen Vorzeichen werden.
Als die Musiker bei ihrem Rundgang auch durch die Anstaltswäscherei geführt werden, faßt sich Erich Radtke ein Herz und spricht die Musiker an, um sich als Fan zu outen. Mehr noch: Im Verlauf des Gesprächs kann er gar verraten, daß er die Truppe um Mick Box schon 51-mal live gesehen hat - ein Rekord, bei dem wohl nur wenige HEEP-Fans mithalten können! "Ich bin früher viel in ganz Europa herumgekommen und konnte dabei sehr oft URIAH HEEP-Konzerte zu besuchen. Gelegenheiten, die ich mir nie entgehen ließ!" Daher hat er die Band in den frühen Siebziger Jahren zum ersten Mal gesehen und konnte alle Besetzungen, die URIAH HEEP in den nachfolgenden Jahren durchgemacht haben, live erleben.
Doch bis es zu dieser Begegnung kommen konnte, mußte ein langer, teils steiniger Weg zurückgelegt werden: Begonnen hatte es damit, daß Gerhard Brüssel, der Leiter der Gefangenenfreizeit in der Justizvollzugsanstalt Rottenburg, kurzerhand eine E-Mail an Simon Porter, den Manager von URIAH HEEP, geschrieben hatte, ob die Band für ein solches Konzert zur Verfügung stehen würde.
Die unkonventionelle Weise, wie Gerhard Brüssel seine Arbeit ausübt, hat sogar das Interesse von Dokumentarfilmer Heiko Heltorff angezogen, der für das ZDF eine Dokumentation über diesen außergewöhnlichen Mann macht, und demzufolge sowohl beim Auftritt in der JVA als auch beim "Rock Of Ages" mit seiner Kamera anwesend ist. Auf seine Motivation und Arbeitsphilosophie angesprochen, entgegnet Gerhard Brüssel: "Die Menschen, die bei uns einsitzen, sind für ihre Vergehen schon verurteilt worden. Daher haben wir nicht das Recht, sie nochmal zu verurteilen, sondern sind dafür zuständig, die Zeit, die sie im Vollzug verbringen müssen, möglichst sinnvoll zu gestalten. Gegenseitiger Respekt ist dabei sehr wichtig: Ich verlange von den Gefangenen Respekt, also können sie das gleiche von mir erwarten!"
Daß so schnell eine Zusage von Seiten der Band erfolgte, spricht erneut dafür, daß die gesamte URIAH HEEP-Familie eine unheimlich nette und unkomplizierte Gemeinschaft ist, was jeder bestätigen kann, der mal das Vergnügen hatte, sie näher kennenlernen zu dürfen. Doch dies sollte der einfachste Schritt gewesen sein: Mal abgesehen davon, daß die Anreise der Band vorverlegt, Flüge umgebucht und Hotelbuchungen angepaßt werden mußten, war es auf der "technischen" Seite nötig, eine Open Air-Bühne mit Beschallungsanlage im Innenhof der Justizvollzugsanstalt aufzubauen - alles sicherlich etwas kleiner als beim "Rock Of Ages", aber deswegen nicht weniger aufwendiger! Deshalb geht an dieser Stelle unser Dank für ihr soziales Engagement an die Firmen, die hier unentgeltlich Material, Manpower und Knowhow zur Verfügung gestellt haben, um dieses Projekt zu ermöglichen: Saturn Tübingen (Bernd Vettermann), Steuerberater-Anwälte-Wirtschaftsprüfer Bartenbach & Bartenbach (Frank Bartenbach), Papus GmbH (Rüdiger Herold), Artworx Merchandising AG (Stefan Matuschek), All-Areas Backline-Rental & Tourservice (Rolf Pfau), Lite Tech, die die PA gestellt haben, die Gemeindeverwaltung Ergenzingen, die Riser, Absperrgitter, etc. gestellt haben, und Megaforce Veranstaltungstechnik GmbH (Michael Brombacher), die für Bühne verantwortlich waren.
Doch die Idee, die Gerhard Brüssel ins Leben gerufen hatte, mußte auch die Mühlen der Bürokratie durchlaufen - und dabei überleben. Denn: Es gab einigen Widerstand, der überwunden werden mußte, Bedenken von allen möglichen Seiten mußten beschwichtigt werden. Erst als der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll sich persönlich dafür starkgemacht hatte, stand fest, daß das Projekt "URIAH HEEP @ JVA Rottenburg" wirklich stattfinden würde. Es waren also viele Hindernisse überwunden worden, und so können nun alle weiteren Zahnrädchen ihren Betrieb aufnehmen, um das Jailhouse Rock-Uhrwerk zum Schnurren zu bringen: Während die Musiker dem hocherfreuten Erich Radtke Autogramme geben, laufen draußen auf dem Hof die Aufbauarbeiten auf Hochtouren.
Während die Musiker wieder in ihr Hotel zurückkehren, muß Erich Radtke seiner täglichen Arbeit nachgehen. Die große Abwechslung, die an diesem Tag stattfinden wird, liegt noch einige Stunden in der Zukunft.
Womit niemand gerechnet hatte: Das anstehende Freikonzert von URIAH HEEP für die Inhaftierten in Rottenburg hat ein riesiges Medieninteresse hervorgerufen! Nicht nur Vertreter der gesamten lokale Presse, sondern auch mehrere Kamerateams, darunter ZDF und SWR, warten in der prallen Sonne vor der JVA, um das Happening dokumentieren zu können.
Kurz nach 14 Uhr bricht die Grüne Minna an der JVA Rottenburg auf, um die Band im nahegelegenen Hotel abzuholen. Während unser Chef Horst dabei als Beifahrer fungiert, müssen die Musiker von den Rückbänken aus - für den heutigen Tag sozusagen "standesgemäß" - durch die vergitterten Scheiben hinausblicken. Kaum sind die Türen der Minna geöffnet, stürzt sich nicht nur die versammelte Presse auf die Musiker, um möglichst gute Bilder einzufangen, sondern auch verschiedene Anwohner nutzen die Gelegenheit, URIAH HEEP hautnah zu erleben und sich Autogramme geben zu lassen. Vor dem Gefängnistor flachsen die Musiker ein wenig mit Sätzen wie "Ich glaube, unser Song ›Free Me‹ wird heute am besten ankommen...", bevor sie dann in die JVA eingelassen werden. Kurze Zeit später folgt ihnen auch der Troß der Pressevertreter und geladenen Gäste - allesamt mit einem knallroten Besucherausweis behängt - ins Innere der JVA; begleitet von einigen Justizvollzugsangestellten, vorbei an meterhohen Mauern und unüberwindlichen Stacheldrahtzäunen zum Ort des Geschehens.
Während die Kameras aufgebaut werden und die letzten Vorbereitungen für die kommende Pressekonferenz mit der Band, dem Anstaltsleiter der JVA, Wolfgang Williard und Horst, in seiner Eigenschaft als Veranstalter des "Rock Of Ages" und Fadenzieher im Hintergrund zur Ermöglichung dieses Auftritts, getroffen werden, führen URIAH HEEP draußen ihren Soundcheck durch - wobei Sänger Bernie Shaw beweist, daß er nicht nur mit dem Mikrophon hantieren kann: Er selbst stellt den Monitorsound an dem dafür vorgesehenen Mischpult neben der Bühne ein.
Nachdem die technischen Voraussetzungen für ein gelungenes Konzert gegeben sind, werden die Inhaftierten in den Innenhof gelassen, und URIAH HEEP begeben sich zur Pressekonferenz, bei der sie unter anderem auch von Erich Radtke erzählen, der heute zum zweiundfünfzigstenmal die Band live sehen wird - und zum ersten Mal ohne Eintritt zahlen zu müssen, wie er später scherzen wird. Kein Wunder also, daß Erich Radtke anschließend allen Kamerateams für Interviews zur Verfügung stehen muß.
In der Zwischenzeit ist der Justizminister Ulrich Goll eingetroffen, der mit seiner persönlichen Teilnahme am Konzert unterstreichen möchte, wie ernst es ihm war, als er sich für dieses Projekt eingesetzt hat. Die Inhaftierten haben sich schon längst ihr Plätzchen in der Sonne gesucht, um das Konzert genießen zu können, während Gäste und Presse nun in den für sie vorgesehenen Bereich strömen, so daß das Konzert nun seinen Lauf nehmen kann. Angesichts des außergewöhnlichen Anlasses scheinen URIAH HEEP doppelt Gas zu geben, denn im Gegensatz zu einem normalen Konzert, wo sie auf Zuschauer treffen, die ohnehin schon mehrheitlich Fans der Band sind, müssen sie sich hier ihr Publikum in der Tat "erspielen". Dies gelingt den sympathischen Briten sehr wohl, denn spätestens beim abschließendend ›Lady In Black‹ singen sowohl die Inhaftierten als auch die Vollzugsbeamten und die Gäste mit. Wieviel Spaß URIAH HEEP an der Show haben, läßt sich auch daran ablesen, daß sie die vorgesehene Spielzeit von 60 Minuten deutlich überziehen.
Nach dem Auftritt geben Mick Box und Bernie Shaw noch einige Interviews, doch der begehrteste Interviewpartner ist erneut Erich Radtke, der von allen Pressevertretern umringt und um ein Statement zu dem Konzert gebeten wird. Tja, der Star des heutigen Tages ist ausnahmsweise mal nicht auf den Bühnenbrettern zu finden...
"Mir hat die Musik immer enorm gut gefallen. Außerdem haben mich die Texte sehr angesprochen", antwortet der Sechzigjährige auf die Frage, warum er sich ausgerechnet URIAH HEEP so sehr verschrieben hat. "Und jetzt vergiß' nicht, Deinen Besucherausweis wieder abzugeben. Nicht daß das Ding zweckentfremdet wird - wir sind nämlich alle böse Buben hier...", witzelt er mit einem schelmischen Grinsen zum Abschied. Wollen wir dem intelligenten und pfiffigen Mann wünschen, daß er sein nächstes HEEP-Konzert - und alle nachfolgenden - in Freiheit genießen kann. Auch wenn er dann wieder Eintritt dafür zahlen muß.
Photos: Stefan Glas
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