URIAH HEEP
beim
"Rock Of Ages"-Festival 2006
Rottenburg-Seebronn, Festplatz
29.07.2006
Wenn das "Rock Of Ages" einen nachträglich verliehenen Untertitel verdient, dann wohl "Festival der freilaufenden Rockstars". Nicht nur, daß SAGA eine offiziell angekündigte Autogrammstunde und reichlich Photographier-Gelegenheit in freier Wildbahn gaben, es wandelten auch reichlich Musiker nach ihren Auftritten umher. URIAH HEEP-Keyboarder Phil Lanzon war es wohl schon vorher im Artist Village zu langweilig, jedenfalls kam er bei UFO von dort angewandert ("echte" Rockstars wurden gefahren ;-) und mischte sich unter die Menge.
Irgendwie habe ich mir zielsicher sämtliche Bands zum reviewen herausgesucht, die sich dann als jene entpuppten, die von Dee Snider angesagt wurden... Dieser bittet nochmals darum, bei Balladen nicht zu pinkeln, weil das als Sänger nur schwer zu ertragen sei. Er bemerkt selbst, daß er sich wiederholt, sagt aber trotzdem auch URIAH HEEP als Idole und Wegbereiter an (was soll er auch sonst tun?) und schließt ab, daß die alten Fans diese sowieso kennen würden - und die jungen nun Nachhilfe bekämen.
Gewisse Dinge ändern sich eben nie: Ein URIAH HEEP-Konzert dauert 70 Minuten plus ›Lady In Black‹. Davon rennen 20 bis 40 Minuten Techniker über die Bühne und gestikulieren mit Drummer Lee Kerslake, Bassist Trevor Bolder und Keyboarder Phil Lanzon (nur Gitarist Mick Box strahlt), und irgendwann kommt der Ausraster von Sänger Bernie Shaw, nachdem er selbst ans Stage-Sound-Pult stürmt und an Knöpfchen dreht. Zwei Sachen sind heute aber doch anders: Trevor ist heute ausnahmsweise mal nicht slightly over-dressed, sondern trägt ein kurzärmeliges Hemd über dem T-Shirt und Bernie scheint sein Mikrohalfter abhanden gekommen zu sein.
Von Bernie Shaw erfahren wir, daß die Band schon am Tag vorher eingeflogen sei, um "the party" von GOTTHARD & TWISTED SISTER mitzufeiern - somit ist er der einzige Mensch am Mikro, der zumindest indirekt was positives über die Kollegen abläßt... Seit ein paar Jahren bestehen seine Ansagen hauptsächlich aus "We bring you x years of URIAH HEEP music" (Inzwischen sind es 36 - schade, daß nie erwähnt wird, daß die jetzige Besetzung nun schon länger zusammen ist, als alle anderen es miteinander addiert waren!). Leider stimmt diese Rechnung auch nicht wirklich, da in den letzten 20 Jahren ganze vier Studio-Alben veröffentlicht wurden (von 1989 bis 1998), die heute auch nur durch drei Songs repräsentiert werden.
Los geht es mit ›So Tired‹ (1974) los - halten URIAH HEEP uns für Schlafmützen? Und dann kommt was Neues - frau wird alt, ich glaube, das war ›Cry Freedom‹ (1989, dem ersten Studio-Album der jetzigen Besetzung). Dann wird erst mal weiter geschüttelt, immer brav abwechselnd was 30- und was 10-jähriges: ›Fallin' In Love‹ (1978), ›Words In The Distance‹ (1995), ›Stealin'‹ (1973), ›Between Two Worlds‹ (1998) und ›The Wizard‹ (1972).
Der letzte Song des Sets, der keine 35 (sondern bloß 29) Jahre auf dem Buckel hat, und aus mir völlig schleierhaften Gründen einer der größten Charterfolge war, bekommt noch mal eine besonders ausladende Einleitung: Es könne ja nicht angehen, daß nur die Band die Arbeit mache, das Publikum müsse schon mal mitmachen! Außerdem seien wir hier mitten im Wald (Wald? IMHO eher Felder und Wiesen!) und könnten so viel Lärm machen, wie wir wollten! Nun ja: ›Free Me‹ (1977) gefolgt von den Rentnern ›Sunrise‹ (1972), ›Gypsy‹ (1970), ›July Morning‹ (1971) und ›Easy Livin'‹ (1972). Die Party ist konsequenterweise in vollem Gange. Wie üblich tut die Band erst mal so, als wenn sie von der Bühne ginge und kommt dann noch mal zur ›Lady In Black‹ (1970) wieder.
Seit dem Auftritt von Alice Cooper beim "Bang Your Head!!!" scheint Organisator Horst seine Liebe für große, konfettigefüllte Ballons entdeckt zu haben. Beim "Rock Of Ages" kommen nun URIAH HEEP in den Genuß der Freisetzung. Paßt nicht wirklich zum als Ballade mißverstandenen Antikriegslied - aber das Publikum hat seinen Spaß und beim Headliner SAGA hätten sie song- und stimmungsmäßig noch weniger gepaßt. Nach der Lady folgt dann auch das wohlbekannte Outro und der heimliche Headliner trollt sich von der Bühne - und das Publikum in Richtung Toiletten, Bierstand oder sogar Auto/Zeltplatz.
Photo: Stefan Glas
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