AMON AMARTH
WINTERSUN
TÝR
Stuttgart, Longhorn
19.11.2006
Der "Rising Star" der Saison, die Schweden AMON AMARTH, hatte zum Liveumtrunk geladen und die Fans waren in Strömen gekommen, so daß die deutschen Konzerthütten stets wohlgefüllt waren.
Es soll sich schnell als cleverer Schachzug erweisen, die beiden Bands TÝR und WINTERSUN mit auf Tour zu nehmen. Nicht daß AMON AMARTH als derzeit förmlich explodierende Band nicht auch allein für gutgefüllte Hallen hätten sorgen können, doch man sieht schon beim Einlaß viele FINNTROLL-, KORPIKLAANI- und natürlich ENSIFERUM-Shirtträger, woran man ablesen kann, daß etliche Fans mit einem Folkfaible anwesend sind, die ansonsten vielleicht nicht gekommen wären.
Dies soll man auch umgehend beim Opener TÝR sehen, die sehr gut ankommen, so daß das Publikum schon sehr gut mitgeht, was darin gipfelt, daß - man bedenke, wir sprechen immer noch von der dritten und somit "kleinsten" Band des Tourpackages - es deutlich zu vernehmende "Zugabe"-Rufe gibt. Man muß allerdings auch unterstreichen, daß TÝR ihren Teil dazu beitragen, denn die Band von den Färöer Inseln ist nicht auf einem idiotischen "Wir müssen unsere neue Platte promoten"-Trip, sondern spielt schlicht und ergreifend ihre größten Hits, so daß jene Songs, die schon in der Vergangenheit live für das beste Publikumsfeedback gesorgt hatten, auch die Leitlinie des heutigen, etwa 35-minütigen Gigs bilden: ›Dreams‹, ›Hail To The Hammer‹, ›Regin Smiður‹ oder ›Ramund hin unge‹. Man geht sogar so weit, ›The Wild Rover‹ zu spielen, um einen extrem massenkompatiblen Song vorweisen zu können. Doch dies wäre eigentlich nicht nötig gewesen, denn die Band kann sich schon zuvor der Aufmerksamkeit des Auditoriums gewiß sein. Im Gegenteil: Das irische Traditional löst bei manchen Anwesenden eher Verwirrung aus, da von einigen musikhistorisch weniger bewanderten Zeitgenossen die Vermutung geäußert wird, TÝR würden gerade ›An der Nordseeküste‹ von Klaus & Klaus covern...
Ansonsten kommen - wie schon beim "Headbangers Open Air"-Auftritt vor zwei Jahren beobachtet - erneut die mehrstimmigen Backings sehr sauber - und trotzdem nicht aus der Konserve... - rüber, ebenso wie sich der neue Gitarrist Terji Skibenæs harmonisch in das Bandbild eingefügt hat. Das schnieke Kettenhemd-Outfit stellt die Abrundung einer tollen Präsentation dar, so daß der erste Gewinner des Abends schon mal feststeht!
Daß es an diesem Abend allerdings ausschließlich Gewinner geben würde, soll sich wenige Minuten später herausstellen. Zum einen: Wer würde ernsthaft bezweifeln, daß AMON AMARTH in ihrer derzeitigen Verfassung nur gewinnen können; und zum anderen: Als die WINTERSUN-Musiker die Bühne betreten, um ihre Instrumente mittels eines kurzen Linechecks startklar zu machen, tobt das Publikum bereits. Kein Wunder, daß sich dies im Laufe des eigentlichen Gigs nicht ändern soll, so daß die Finnen siegessicher loslegen können.
Ein wenig verwunderlich ist es dennoch, daß WINTERSUN erneut auf Tour sind, denn das Debut hat mehr als zwei Jahre auf dem Buckel, so daß der Nachfolger mehr als überfällig ist und die Plattenfirma von WINTERSUN sich nur noch mit dem Notnagel einer "Touredition" des Erstlings zu helfen gewußt hatte. Doch wenn man eine derart großartige Platte ohne jegliche Schwachpunkte abgeliefert hat, wie das bei WINTERSUN der Fall war, kann man sich auch gerne nochmal ein 40-minütiges Programm reinpfeifen - was das Publikum sicherlich genauso sieht.
Allerdings darf man nicht mit kritischen Worten sparen, denn in Sachen Stageacting sind die Finnen zu rigide und die Ansagen von Jari Mäenpää, ehemals bei ENSIFERUM in Diensten, fallen doch arg unbeholfen aus, so daß bei WINTERSUN vor allem die Interaktion mit dem Publikum in Zukunft deutlich aufgepeppt werden muß. Und daß eine möglichst bald erscheinende, starke neue Platte lebensnotwendig ist, steht ohnehin außer Frage.
Auf jeden Fall wäre dieses Vorprogramm, das dem Publikum schon einige Kraftreserven abverlangt hat, für so manchen Headliner eine schwer zu knackende Nuß gewesen, doch nicht für unsere AMONischen Lieblingswikinger. Allein schon die Wand aus fliegenden Haaren, die sich einem beim ersten Dreierpack ›Valhall Awaits Me‹, ›Runes To My Memory‹ und der Over the top-Nummer ›Death In Fire‹, bei der das Publikum erstmals richtig ausklinkt, macht umgehend klar, wer die unangefochtenen Heroen auf dem Schlachtfeld sind; genauer gesagt, gibt es beim Publikum schon kein Halten als die AMON AMARTH-Musiker einer nach dem anderen aus dem in der zweiten Etage gelegenen Backstagebereich heruntergeperlt kommen. Und daß Johan Hegg und seine Mannen das Zepter bis zum Schlußpotpourri angeführt von der fröhlichsten Death Metal-Nummer aller Zeiten, ›The Pursuit Of Vikings‹, nicht mehr abgeben würden, braucht wohl kaum betont zu werden. Man merkt der Band einfach das exzessive Touring der letzten Jahre an, denn die Mucker spielen tight und sind bestens aufeinander eingeschossen, und Johan hat sich mittlerweile zu einem der besten Frontmänner der kompletten Szene gemausert, dessen ständiges Grinsen und Strahlen richtiggehend herzerwärmend ist. Bis zur kommenden Festivalsaison, Männer!
Photos: Stefan Glas
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© 1989-2024 Underground Empire |
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