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Eine der faszinierendsten Veröffentlichungen der letzten Monate war »Eric The Red« von der Band TÝR, die von Färöer stammt: melodischer Metal kombiniert mit Elementen der einheimischen Folklore ergab ein aus­ge­sproch­en anregendes Hörerlebnis.
Mittlerweile hat sich der Name TÝR wie ein Lauffeuer ausgebreitet und die sympathische Truppe konnte gar beim "Headbangers Open Air" spielen, so daß wir diesen aufstrebenden Act ein wenig genauer beleuchten wollen.
Sänger und Gitarrist Heri Joensen, der sich just zu diesem Zeitpunkt mit seinem Auto durch die rauhe und sagenhaft schöne Landschaft der Färöer Inseln bewegte, und sein Mobiltelephon standen Rede und Antwort.

Obgleich Ihr von Färöer stammt liegt die Geburtsstätte der Band in Dänemark.

Ich ging damals in Kopenhagen auf eine Musikschule, wo ich unseren Drummer Kári Streymoy traf, mit dem ich auf Färöer schon einmal eine Band namens WOLFGANG hatte. Kurze Zeit später schloß sich uns auch Bassist Gunnar Thomsen an, mit dem ich sogar schon bei dem WOLFGANG-Vorläufer CRUISER gespielt hatte. Somit fiel der Startschuß für TÝR etwa im Dezember 1998.

Wie schwer ist es, in Deiner Heimat Musiker zu finden? Immerhin besteht Färöer aus 18 Inseln, die bis auf eine allesamt bewohnt sind, und auf ihnen verteilen sich gerade mal 48.000 Einwohner.

Prinzipiell ist es schwierig, passende Musiker zu finden, die den gleichen Musikgeschmack haben. Doch wir drei sind ab einem Alter von etwa 16 Jahren quasi miteinander aufgewachsen, so daß wir uns immer einig waren, welche Musik wir machen wollen. Ich denke, wir hatten in dieser Hinsicht viel Glück gehabt, denn es gibt hier etliche Bands, die Probleme haben, ihr Line-up zu vervollständigen. Besonders Schlagzeuger und Basser sind sehr rar, während es Gitarristen im Überfluß gibt.

Und um wieviel unwahrscheinlicher ist es, daß sich drei Bewohner von Färöer in Kopenhagen treffen und eine Band gründen?

Das ist eigentlich gar nicht so ungewöhnlich, denn viele Menschen von Färöer verbringen eine gewisse Zeit in Dänemark und zwar meist aus Studiengründen. So gibt es in Kopenhagen ein Haus, in dem sich die Färinger regelmäßig treffen und wo Parties stattfinden. Deswegen ist es recht einfach für die Bewohner von Färöer, die vorübergehend in Dänemark leben, Kontakt zu halten. Trotzdem habe ich mich gefreut wie ein kleines Kind an Weihnachten, als ich Kári bei einer solchen Party traf, denn WOLFGANG waren schon seit einigen Monaten Geschichte, und ich brannte darauf, eine neue Band zu gründen, um endlich wieder Musik machen zu können.

Während das Gründungstrio bombenfest zu sein scheint, gab es auf der vierten Position einige Wechsel: Euer Sänger Pól Arni Holm, verließ Euch nach der ersten CD »How Far To Asgaard« und Euer zweiter Gitarrist Terji Skibenæs, der »Eric The Red« eingespielt hatte, wurde zwischenzeitlich von Ottó P. Arnarson ersetzt. Mittlerweile ist Terji jedoch wieder zurückgekehrt. Kann das TÝR-Triumvirat keinen weiteren Musiker neben sich ertragen?

Pól zog damals zurück nach Färöer, was die Zusammenarbeit natürlich enorm verkompliziert hatte. Außerdem hatte er eigentlich nie eine Karriere als Musiker im Sinn gehabt. Terji stieg damals aus, weil er andere Sachen ausprobieren wollte. Sein Ersatz Ottó stammte von Island, was letztendlich auch der Grund war, weshalb er uns wieder verließ: Er war zu lange von seiner Frau und seinen beiden Töchtern getrennt, was er auf Dauer nicht wollte. Doch glücklicherweise hat Terji zugestimmt, wieder bei uns einzusteigen.

Wie stabil ist diese neue, alte TÝR-Konstellation?

Wir sind sehr zuversichtlich, daß wir nun das endgültige Line-up gefunden haben. Terji hat gemerkt, daß er bei uns gut aufgehoben ist.

Warum hast Du Dir nach »How Far To Asgaard« zusätzlich zu dem Gitarrenspiel auch noch die Pflichten als Sänger aufgehalst?

Hauptsächlich weil ich gut singen kann. Ich hatte früher Gesangsunterricht, und auf der Musikschule in Kopenhagen hatte ich zunächst Gesangskurse belegt, doch nach einiger Zeit wechselte ich auf Musiktheorie. Allerdings hing diese Entscheidung, daß ich die Sängerposition übernehmen würde, auch damit zusammen, daß ich mit Sicherheit niemals die Band verlassen werde. Bei einem anderen Sänger hätten wir nie die Garantie gehabt, daß er uns auf lange Sicht treugeblieben wäre, und es schadet einer Band, wenn der Frontmann ständig wechselt. Daher lag es nahe, daß ich der neue TÝR-Sänger werden würde, obwohl ich nicht hundertprozentig glücklich mit der Situation bin, daß ich zugleich singen und Gitarre spielen muß. Doch seit ich live ein Kopfmikrophon benutze, läßt sich beides besser unter einen Hut bringen.

Nach »How Far To Asgaard« habt Ihr 2002 eine Maxi-CD namens ›Ólavur Riddararós‹, die nur zwei Songs enthielt. Was hat Euch zu dieser kleinen Zwischenmahlzeit bewogen?

Wir hatten damals eine kleine Tour auf Island gespielt, in deren Verlauf wir den Song ›Ólavur Riddararós‹ live in einer Radiosendung spielten. Der Song wurde daraufhin ein richtiger Renner in Island und die Liveversion lief permanent im Radio. Daher hatten wir Angst, daß das Interesse an dem Song nachlassen würde, bevor wir eine Aufnahme davon hatten, denn wir waren noch nicht bereit, die zweite Platte einzuspielen. Also gingen wir kurzentschlossen ins Studio und nahmen ›Ólavur Riddararós‹ sowie ›Stýrisvølurin‹ als Maxi auf. Dennoch haben wir beide Songs für »Eric The Red« nochmal neu arrangiert und eingespielt.

TÝR-Bandphoto 1

Warum war »How Far To Asgaard« doomiger und langsamer als der Neuling »Eric The Red« ausgefallen?

Es ist schwer, die genauen Gründe festzulegen. Aber nachdem ich »How Far To Asgaard« über die Monate mehrfach gehört hatte, beschlich mich das Gefühl, daß es uns besser bekommen würde, wenn wir auch einige etwas schnellere Songs hätten oder zumindest in einige Songs den ein oder anderen Uptempo-Part einbauen würden. Daher enthält »Eric The Red« auch viele harte und langsame Riffs, ist aber generell abwechslungsreicher gestaltet.

Ihr habt »Eric The Red« im Studio von INVOCATOR-Gitarrist Jacob Hansen aufgenommen. Wie seid Ihr dort gelandet?

Wir hatten Kontakt zu einigen dänischen Studios aufgenommen. Den Kontakt zu Jacob stellte Claus Jensen vom INTROMENTAL-Management her. Jacobs Angebot war sehr gut und seine Produktionen konnten mich überzeugen, da sie sehr transparent ausgefallen waren.

Hattet Ihr keine Bedenken, daß die Zusammenarbeit schiefgehen könnte, da er normalerweise Thrash-, Death- oder Black-Bands produziert?

Nein, darüber haben wir nicht nachgedacht, denn wir hatten schon lange vor dem Studiotermin ein klärendes Gespräch über unsere gegenseitigen Vorstellungen. Damals hatte Jacob uns schon erläutert, was wir alles vorbereiten sollen, so daß wir im Studio sofort sehr zielorientiert loslegen konnten. Letztendlich hat es sich sogar herausgestellt, daß seine "härtere" Vergangenheit uns gutgetan hat und Jacob uns einen sehr gut passenden, leicht aggressiveren Touch gegeben hat.

Inwiefern hat sich die Arbeit mit Jacob von Euren vorhergehenden Studioerfahrungen unterschieden?

Letztendlich hat sich Jacob als gute Wahl herausgestellt, da er ein sehr gutes Ohr hat und zudem sehr zügig arbeitet und wir nun mal kein Riesenbudget hatten. Doch trotz des hohen Arbeitstempos gab er sich niemals mit halbgarer Arbeit zufrieden. Wenn etwas nicht zu seiner völligen Zufriedenheit war, wurde daran gearbeitet, bis es wirklich paßte. Es war eine sehr professionelle Zusammenarbeit.

Ihr vertont sehr oft Traditionals, die Ihr meist originaltreu umsetzt. Warum verändert Ihr die Vorlagen nicht?

Manchmal mache ich das sehr wohl: Beispielsweise gibt es bei »How Far To Asgaard« einen Zwischenpart, den ich aus einem färöischen Volkslied übernommen und umgearbeitet habe. Auch der Refrain von ›The Edge‹ ist nahezu eins zu eins von einem Traditional übernommen, während der restliche Song aus meiner Feder stammt. Wenn Du Dir ›Excavation‹ von »How Far To Asgaard« genau anhörst, wirst Du feststellen, daß die Melodie und der Anfangsteil nahezu identisch mit ›Regin Smiður‹ ist, doch damals hätten wir niemals gedacht, daß wir das Traditional ›Regin Smiður‹ jemals komplett umsetzen würden. Ich glaube, daß wir in Zukunft verstärkt diese Vorgehensweise wählen werden, und die Traditionals in unsere Songs integrieren werden.
Eigentlich kam ich durch Zufall auf die traditionellen färöischen Weisen, was in den Song ›Ormurin Langi‹ von »How Far To Asgaard« mündete: Ich hatte mit einem Freund gejammt, der nicht bei TÝR spielt, und wir sangen ›Ormurin Langi‹, und ich hatte im Handumdrehen ein paar sehr gute Akkorde zu der Gesangsmelodie, so daß der Song quasi schon fertig war. Wir haben es mit der Band ausprobiert, und das Feedback, besonders auf den Färöer Inseln und auf Island, war hervorragend.
Es ist ein großer Vorteil der färöischen Volklieder, daß sie zumeist in Moll komponiert sind und folglich einen gewissen düsteren Touch haben. Dennoch haben wir ›The Wild Rover‹ ins Programm aufgenommen, obwohl es ein typischer, fröhlicher Dur-Song ist. Wir wollten - ähnlich wie THIN LIZZY oder METALLICA bei ›Whisky In The Jar‹ - das Traditional ein wenig nach unserem Gusto überarbeiten und eine rockige Version stricken. Außerdem ist es eine hervorragende Livenummer, da nahezu jeder sie kennt und mitsingen kann.

Also kann man mit Gewißheit sagen, daß TÝR anders klingen, wenn sie nicht von Färöer stammen würden.

Mit Sicherheit - unser Instrumente hätten vielleicht den gleichen Sound, aber unser Stil wäre ganz anders.

Wäre es möglich, daß eine andere Band Euren Sound haargenau kopieren könnte?

Ich könnte jetzt "nein" sagen und morgen vielleicht überrascht sein... Man hätte sich in den Anfangstagen von IRON MAIDEN oder METALLICA wohl auch nicht vorgestellt, daß es mal Bands geben würde, die sich an ihrem Stil orientieren würden.

Ihr habt eine äußerst umfangreiche und informative Website, auf der man viele Informationen über die Band und etliche Specials finden kann. Wer ist denn so agil in Sachen Homepagepflege?

Ich sammele die Informationen und bin für die Updates zuständig. Die Programmierung hat natürlich unser Webmaster übernommen.

Ist für Euch als Band von einer kleinen, abgelegenen Insel das Medium Website noch wichtiger als für andere Gruppen?

Ich glaube, eine Website ist für jede Band heutzutage unerläßlich. Selbst eine Band, die aus einer Weltstadt wie New York stammt, kann Interessenten überregional nur mittels einer Website erreichen. Wir hätten ohne das Internet nicht die geringste Chance, unseren Namen bekannter zu machen.

Du lebst in Tórshavn, der Hauptstadt von Färöer. Wie kann man sich die Stadt vorstellen? Ähnelt sie anderen europäischen Städten, und wie weit ist die sagenhafte Natur der Inseln von Deinem Haus entfernt?

Ich bin mir sicher, daß man in einigen europäischen Städten ein gutes Stück fahren muß, um Natur erleben zu können, aber hier befindet sich die Natur direkt neben jedem Haus. Außerdem sollte man bedenken, daß Tórshavn zwar die größte Stadt auf Färöer ist, aber dennoch nur 18.000 Einwohner hat.

Warum bist Du von Dänemark wieder nach Färöer zurückgezogen?

Meine Schulausbildung war abgeschlossen. Obwohl ich Dänemark und Kopenhagen gemocht habe, war es für mich immer klar, daß ich zurück nach Färöer gehen würde. Ich fühle mich in großen Städten nie wirklich wohl, und es gefällt mir einfach, mitten in der Natur zu leben. Doch das habe ich erst festgestellt, als ich Färöer verlassen habe: Bis zu diesem Zeitpunkt war die Natur eine Selbstverständlichkeit gewesen, und ich merkte erst in Kopenhagen, wie sehr es mir fehlte.

Der Name "Joensen" ist einer der häufigsten auf Färöer. Kann ich also darauf schließen, daß Deine Familie schon lange auf den Inseln lebt?

Es gibt eine spezielle Bewandtnis mit den hiesigen Namen, die bewirkt, daß nur wenige der Joensen-Familien wirklich miteinander verwandt sind: Dänemark erließ ein Namensgesetz nach dem die Söhne als Familiennamen den Vornamen ihres Vaters tragen können, an den das Suffix "-son" angehängt wird. Es gibt zwar einige alternative Schreibweisen, aber das erklärt, warum der Name hier so verbreitet ist. Meine Familie lebt allerdings tatsächlich schon sehr lange auf Färöer: Seit dem Beginn von Aufzeichnungen und dem Einführen von Stammbüchern kann man die Linie meiner Vorfahren hier zurückverfolgen.

Gibt es viele Metalbands auf Färöer?

In der Vergangenheit gab es nur wenige Metalbands. Ich kann mich höchstens an drei oder vier aktive Band erinnern. Doch mittlerweile gibt es einige Bands, die zwar meist noch in den Anfangszügen liegen, aber das läßt für die Zukunft hoffen.

Gibt es viele Möglichkeiten auf Färöer, wo Bands auftreten können?

Es gibt fünf oder sechs Venues, in denen man auftreten kann, doch wenn man diese abgeklappert hat, muß man natürlich einige Zeit ins Land ziehen lassen, bevor man dort wieder spielen kann. Daher ist es für Metalbands nicht so einfach, während Popbands problemlos permanent auftreten können. Zudem sollte man bedenken, daß die potentielle Zuschauermenge doch recht begrenzt ist: Wieviele Metalheads befinden sich wohl unter 48.000 Einwohnern?

Doch immerhin gibt es ein Label auf Färöer, das Euch geholfen hat: TUTL RECORDS.

Es gibt noch andere Plattenfirmen auf Färöer: Eine der wichtigsten ist 3-ARIN, die auch einige Plattenläden auf den Inseln betreiben und viele ausländische CDs importieren. Doch die meisten Labels beschränken sich auf einzelne Stilrichtungen, während TUTL RECORDS quasi alle Musikstile veröffentlichen. Das war natürlich vorteilhaft für uns und mag sogar ein Grund sein, weshalb wir unseren ganz eigenen Stil entwickeln konnten: Es hat nie jemand versucht, uns in eine bestimmte Richtung zu verbiegen. Andererseits bezahlen TUTL nur die Preßkosten und kümmern sich darum, daß die CD auf Färöer in den Läden steht. Alles weitere müssen wir finanzieren.

Das heißt aber, daß es auf Färöer Plattenläden gibt, in denen die Metaller ihren Stoff kaufen können.

Richtig, die CDs der großen Bands kriegt man hier problemlos. Wenn es allerdings um etwas speziellere Themen geht, müssen die Läden die CDs meist bestellen. Aber durch das Internet gibt es mittlerweile natürlich auch die Möglichkeit, daß man solche CDs selbst bestellen kann.

Welche Magazine sind auf Färöer verbreitet?

Es gibt kein Metalmagazin, das auf Färöer hergestellt wird. Aber die gängigen schwedischen, deutschen oder englischen Magazine kann man hier kaufen. Ich lese beispielsweise Magazine wie GUITAR PLAYER oder GUITAR WORLD, die man auf Färöer ebenfalls findet.

Folglich müssen die Bewohner von Färöer einige Fremdsprachen sprechen können.

Jeder spricht Dänisch, denn politisch gehören die Färöer Inseln zu Dänemark. Nach unserer eigenen Landessprache ist Dänisch die zweite Sprache, die wir in der Schule lernen. Wenn man diese beiden Sprachen beherrscht, stellt es kaum ein Problem dar, Norwegisch und Schwedisch zu lernen, da sie eng mit Dänisch und Färöisch verwandt sind. Ab der sechsten Klasse kommt Englisch dazu und in der achten Klasse muß man dann zwischen Deutsch, Französisch oder Spanisch wählen.

Ich habe noch nie davon gehört, daß eine größere Metalband mal auf Färöer gespielt hat.

Es kommt gelegentlich vor, daß größere Acts hier spielen: JETHRO TULL und Ken Hensley waren in Sommer hier. TOTO gastierten vor einigen Jahren auf Färöer, und URIAH HEEP sind sogar schon dreimal hier aufgetreten, aber das war's auch schon so ziemlich.

Das bedeutet, daß Ihr zumeist einen ziemlich langen Trip auf Euch nehmen müßt, wenn Ihr Bands sehen wollt.

Richtig: Meistens müssen wir nach Schottland oder Dänemark fahren. Etliche meiner Freunde waren auch bei DEEP PURPLE als sie neulich in Island gespielt hatten oder bei IRON MAIDEN in England. Wenn man sich keinen Flug leisten kann, ist das immer mit einem immensen Zeitaufwand verbunden, da die Fähre nach Dänemark zwei, nach Schottland eineinhalb und nach Island einen Tag unterwegs ist. Doch auch die Preise für die Fähre sind recht hoch: Man muß umgerechnet mit etwa 500 Euro rechnen, um nach Dänemark und zurück zu schippern. Ein Konzert in Dänemark dauert also gewissermaßen eine knappe Woche...

TÝR-Bandphoto 2

Ihr habt es schon zu drei Videos gebracht. Nach welchen Gesichtspunkten habt Ihr die entsprechenden Songs aufgewählt?

Bei unserem ersten Video ›Ormurin Langi‹ trat der Kameramann Ingólfur Julisson an uns heran und schlug uns vor, ein Video zu diesem Song zu drehen. Es war auch seine Idee, daß Kinder die Hauptrollen in dem Video spielen sollten, und so stylte seine Frau sieben Kids wie Wikinger, die die Geschichte des norwegischen Königs Ólavur Tryggvason spielen, der auszog, um Midgaard zu erobern.
›Hail To The Hammer‹, das zu unserem zweiten Video wurde, war einer unserer beliebtesten Songs. Es war ebenfalls ein echtes Low Budget-Video, doch dank der Helikopteraufnahmen an den Klippen haben wir einige tolle Bilder bekommen, die den Streifen echt aufwerten.
›Regin Smiður‹, unser dritter Clip, hielten wir für einen der stärksten Songs auf »Eric The Red«; zudem ließ sich der Text optisch gut umsetzen. Wir drehten das Video im August 2003 auf dem "Jomsborg Viking Festival" in Polen und spielten zusammen mit den Wikingerdarstellern des Festivals. Das war eine gute Möglichkeit, ohne riesigen finanziellen Aufwand großartige Aufnahmen machen zu können.

Ich glaube allerdings, daß das Video die reale Situation glorifiziert. Sicherlich war zu Zeiten der Wikinger nicht alles gülden!

Es ist uns natürlich bewußt, daß es sehr glorifizierend ist, doch es paßte einfach zu dem Text: ›Regin Smiður‹ ist ein altertümlicher Text, der genau diesen Tonfall an den Tag legt. Wenn ich den Text geschrieben hätte, wäre er bestimmt neutraler ausgefallen, denn ich bemühe mich in meinen Texten, ein realistisches Bild von den Wikingern zu zeichnen.

Würdest Du gerne in den Zeiten der Wikinger leben?

Das ist eine sehr schwere Frage. Es war eine faszinierende Zeit, die allerdings auch viele Nachteile hatte: Ich bin mir sehr wohl bewußt, daß viele Menschen damals als Sklaven oder Leibeigene ihr Dasein fristen mußten. In dieser Hinsicht ist das Leben heute viel einfacher, und bestimmt würden die meisten Wikinger unser heutiges Leben vorziehen. Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich gerne eine Woche lang in den Zeiten der Wikinger leben, um zu erfahren wie es damals war.

Was fasziniert Dich am meisten an den Wikingern?

Sie waren sehr pragmatisch: Im Gegensatz zu den Römern, die ein großes Reich schaffen wollten, hatten die Wikinger nicht diesen Anspruch einer gemeinsamen Kultur, sondern sie paßten sich den Begebenheiten an, die sie vorfanden. Die Wikinger ließen sich in den skandinavischen Ländern, in England, Rußland, Island, Färöer, Grönland und sogar in Amerika nieder, doch sie haben nie versucht, daraus ein großes Königreich zu machen, sondern jeder lebte für sich. Letztendlich ist ihre Kultur untergegangen, aber das trifft auch auf das römische Reich zu. Wer kann also sagen, was die beste Strategie war?
Ich finde außerdem ihren Glauben an das Schicksal faszinierend: Sie glaubten, daß der Zeitpunkt ihres Todes vorbestimmt sei und der Tod sie ereilen würde, ganz gleich ob sie in einem Kampf sind oder zu Hause im Bett liegen. Wir glauben heute eher daran, daß wir einen freien Willen haben und unser Schicksal selbst in der Hand haben. Aber vielleicht liegen wir damit ja falsch?

Andererseits gab es seitens der Mächtigen schon immer solche Bestrebungen, um das einfache Volk vor ihren Karren zu spannen: Christen gingen auf einen Kreuzzug zu Gottes Ehren, islamische Krieger, die im Heiligen Krieg fallen, kommen sofort ins Himmelreich, wo sie von unzähligen Jungfrauen umringt sein werden, und Wikinger konnten sich wild in jede noch so aussichtslose Schlacht stürzen, da ihr Todeszeitpunkt vom Schicksal festgelegt war und sie ohnehin keine Möglichkeit hatten, ihm zu entfliehen.

Das ist zweifelsohne richtig - zumal die Wikinger glaubten, daß derjenige, der durch einen Schwertstreich sterben würde, sofort nach Walhalla komme, wo er mit alle anderen gefallenen Kriegern an einer riesigen Tafel mit Gottvater Odin speisen darf. Wie schon gesagt: Trotz aller Faszination für diese Zeit, hinterfrage ich doch alles und will in meinen Texten nichts zu sehr glorifizieren.

Zurück zu TÝR: Geht bei Euch das Songwriting wirklich so vonstatten, wie man es im ›Hail To The Hammer‹-Video sieht: Du schnappst Dir Deine Klampfe, gehst an die nächste Klippe und legst los? Oder etwas ernsthafter formuliert: Inwiefern inspiriert Dich die Natur, wenn Du Songs schreibst?

Die Natur ist auf jeden Fall äußerst wichtig. Ich habe aber auch eine große Sammlung färöischer Musik auf CD und als Notenblätter, was mir natürlich auch als Inspirationsquelle dient.

Für eine unsigned Band seid Ihr verdammt oft auf Tour. Wie könnt Ihr das finanzieren und mit Euren Jobs in Einklang bringen?

Ich selbst lebe davon, daß ich Musikunterricht gebe, so daß ich für eine Tour die Unterrichtsstunden einfach verschieben kann. Außerdem haben wir einen guten Deal mit der hiesigen Fluglinie, so daß wir die Flugtickets verbilligt kaufen können. Bei den Konzerten verdienen wir durch den Verkauf von Shirts und CDs ein wenig, so daß wir im Moment zwar noch nicht von der Musik leben können, aber es geht beständig bergauf.

Seht Ihr Eure Herkunft als ein Problem an, um erfolgreicher werden zu können? Immerhin seid Ihr doch ziemlich weg vom Schuß.

Es kann natürlich ein Problem sein, das jedoch hauptsächlich finanzieller Natur ist, da wir für nahezu alle Aktivitäten ein Flugticket brauchen. Andererseits hilft allein unsere Herkunft, daß wir aus der unüberschaubaren Szene ein wenig herausragen.

Metal mit Folkelementen hat derzeit einen enormen Zulauf, was man am Erfolg von Bands wie FINNTROLL oder ENSIFERUM ablesen kann. Denkst Du, daß Ihr davon profitieren könnt?

Das hoffen wir doch sehr, obgleich ich nicht sagen kann, wo wir uns im Verhältnis zu diesen Bands einordnen sollen. Ich glaube, daß wir uns musikalisch von diesen Acts eindeutig unterschieden. Dennoch unterhalten wir viele Kontakte zu anderen Folkmetalbands wie LUMSK, MOONSORROW oder KORPIKLAANI.

Deine Band vor TÝR hieß WOLFGANG. Eine Anspielung auf Wolfgang Amadeus Mozart?

Ganz genau, denn seine Kompositionen hatten mich sehr beeindruckt. Klassische Musik und Musiktheorie sind für mich sehr wichtig! Außerdem gefiel mir an dem Namen, daß man ihn auch als "gang of wolves" interpretieren konnte.

Das TÝR-Logo ist in Runen geschrieben. Beschäftigst Du Dich mit Runen oder war Dein Interesse erschöpft nachdem das Bandlogo designt war?

Ich habe mich intensiv mit der Runenschrift und den unterschiedlichen Stilen, die es gibt, beschäftigt. Für unser Logo haben wir übrigens den englischen Runenstil benutzt - und wir haben nebenbei die korrekte Schreibweise benutzt, während BLACK SABBATH auf dem Cover ihres »Tyr«-Albums das "y" herumgedreht hatten, weil es dann besser lesbar ist.

Euer Namenspatron ist ein Kriegsgott. Müssen wir folglich Angst haben, daß Ihr bei einem Konzert mal mit Schwerten statt mit Euren normalen Instrumenten anrückt?

Das ist nicht ganz korrekt: Tyr ist der Gott der Kriegsstrategie, und sein Hauptanliegen ist es vielmehr, Kriege zu vermeiden und unumgängliche Auseinandersetzungen mit den geringstmöglichen Verlusten zu überstehen. Die wichtigste Geschichte über den Gott Tyr dreht sich um seine Rolle bei der Fesselung des Fenriswolfes: Tyr steckte seine rechte Hand in das Maul des Wolfes. Dadurch verlor er seine Hand, doch die Bestie konnte gefesselt werden. Tyr ist also ein äußerst selbstloser und hilfsbereiter Gott.

Dann kann ich Dich ja beruhigt mit einem etwas fiesen Spruch konfrontieren, den es auf Island gibt: Weil Island und Färöer etwa zeitgleich besiedelt wurden, sagt man dort, daß die Bewohner der Färöer Inseln die Nachfahren von jenen Auswanderern seien, die auf dem Weg nach Island seekrank wurden.

Jeder auf Färöer kennt diesen Satz und findet ihn wirklich sehr witzig... Abgesehen davon kann ich beweisen, daß dies nicht den Tatsachen entspricht: Es waren Wikinger aus Norwegen, die zunächst nach England, dann nach Schottland auswanderten und von dort aus Färöer besiedelten. In Wirklichkeit war es nämlich ein Färinger namens Naddoddur, der Island entdeckte. Das passierte etwa 50 Jahre nachdem man sich auf Färöer niedergelassen hatte. Anschließend wurde Island von den Färöer Inseln aus besiedelt!

Okay, Du hast mich überzeugt, aber deswegen werde ich doch die Überschrift nicht mehr ändern...

http://www.tyr.net/

heri.joensen@hotmail.com

Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Stefan Glas

TÝR im Überblick:
TÝR – By The Light Of The Northern Star (Rundling-Review von 2009 aus Online Empire 40)
TÝR – Eric The Red (Rundling-Review von 2006 aus Online Empire 27)
TÝR – Erik The Red (Do It Yourself-Review von 2003 aus Y-Files)
TÝR – The Lay Of Thrym (Rundling-Review von 2011 aus Online Empire 49)
TÝR – Heavy, oder was!? 78-Interview (aus dem Jahr 2004)
TÝR – Heavy, oder was!? 79-Special (aus dem Jahr 2005)
TÝR – Heavy 98-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2007)
TÝR – Heavy 122-Interview (aus dem Jahr 2009)
TÝR – Online Empire 18-"Rising United"-Artikel (aus dem Jahr 2004)
TÝR – Online Empire 20-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2004)
TÝR – Online Empire 21-Interview (aus dem Jahr 2004)
TÝR – Online Empire 29-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2006)
TÝR – Online Empire 36-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2008)
TÝR – Online Empire 41-Interview (aus dem Jahr 2009)
TÝR – News vom 15.05.2013
TÝR – News vom 03.08.2018
Soundcheck: TÝR-Album »By The Light Of The Northern Star« im "Soundcheck Heavy 122" auf Platz 17
Soundcheck: TÝR-Album »Eric The Red« im "Soundcheck Heavy 90" auf Platz 22
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Playlist: TÝR-Album »Eric The Red« in "Playlist Heavy, oder was!? 73" auf Platz 1 von Stefan Glas
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