Anno 2002 beweisen die beiden Ex-GRAVE DIGGER-Schergen Uwe Lulis und Tomi Göttlich mit ihrer neuen Combo REBELLION, daß man hervorragenden Power Metal durch die Einbettung in ein ausgefeiltes literarisches Konzept noch beeindruckender machen kann: Ihr Debut »Shakespeare's Macbeth - A Tragedy In Steel« ist ein echtes Highlight geworden. Wir befragten die beiden, wie sie ihre REBELLION inszeniert haben.
Die Geschichte begann damit, daß 2000 GRAVE DIGGER-Sänger Chris Boltendahl seinem Gitarristen Uwe Lulis den Laufpaß gab, was nicht ganz so reibungslos vonstatten ging. "Chris war offensichtlich nicht bewußt, daß wir einen Vertrag geschlossen hatten", erinnert sich Uwe. Dieser Vertrag besagte, daß der Name GRAVE DIGGER beiden jeweils zur Hälfte gehörte, so daß Uwe darauf bestand, ausbezahlt zu werden. Da war Trouble vorprogrammiert. "Das ist für mich mittlerweile abgehakt und vergessen. Ich bin stolz auf die Jahre mit GRAVE DIGGER, die mir viel Spaß gemacht haben." Allerdings kennt er bis heute immer noch nicht den Grund für den Rauswurf, da sein ehemaliger Bandkollege ihm nie die Beweggründe dargelegt hat.
Doch für Uwe war klar, daß er seine Karriere als aktiver Musiker fortsetzen würde. Es bedurfte nur eines Anrufes, um den ersten Verbündeten zu finden: Tomi Göttlich, der bis zur '96er Scheibe »Tunes Of War« bei GRAVE DIGGER den Baß bedient hatte. Dieser kann sich noch sehr gut an diese Zeit erinnern: "Für mich war klar, daß ich nie wieder professionell Musik machen würde." Daher zog sich Tomi komplett vom Metal zurück, begann statt dessen ein Studium, so daß er mittlerweile als Lehrer tätig ist. "Ich habe sogar zwei Jahre lang kein Baß mehr gespielt. Es war unmöglich, mit halber Kraft weiterzumachen, weil es zu sehr weh getan hat. REBELLION bedeutet für mich ein Geschenk, das mir in meine offenen Hände gefallen ist."
Die beiden machten sich auf die Suche nach den geeigneten Mitmusikern. In Björn Eilen, ehemals Gitarrist bei WARHEAD, und dem BLACK DESTINY-Sänger Michael Seifert waren im Handumdrehen zwei Kandidaten gefunden, die Uwe schon seit langem kennt: "Björn war von vorneherein mein Wunschkandidat, weil wir uns seit jeher sowohl menschlich als auch musikalisch sehr gut verstanden haben. Das habe ich bei GRAVE DIGGER in den letzten Jahren mehr und mehr vermißt, weil alles immer mehr business-like wurde." Das gleiche galt für Michael, den Uwe seit zehn Jahren kennt: "Ich stamme ursprünglich aus Osnabrück und bin irgendwann nach Frankfurt gezogen. Mit Michael habe ich über die Jahre immer wieder verschiedene Projekte in Angriff genommen." Als REBELLION konkrete Form annahm, war es klar, daß Michael der Sänger sein würde. Auch den Kontakt zu Randy Black, der ebenfalls bei ANNIHILATOR am Schlagzeug sitzt, hatte Uwe schon vor Jahren geknüpft: "Ich hatte ihn auf der »King Of The Kill«-Tour mit ANNIHILATOR gesehen. Ich war so begeistert von ihm, daß ich ihn schon mal zu GRAVE DIGGER holen wollte." Randy lebte damals allerdings noch in Kanada, so daß der Wechsel damals nicht zustande kommen konnte. Auf dieser Tour lernte Randy jedoch seine Freundin kennen und zog vor etwa vier Jahren nach Berlin, so daß er für REBELLION verfügbar war.
Was als Projekt begann, hat sich mittlerweile zu einer echten Band gemausert. "Es hat sich schon bei den Aufnahmen herauskristallisiert, daß es mehr als ein Projekt ist", erklärt und Uwe und Tomi fügt hinzu: "Auf der Tour mit RUNNING WILD hat es sich herausgestellt, daß wir auf der zwischenmenschlichen Ebene super zusammenpassen. Es gab kein Problem, das wir nicht mit Leichtigkeit lösen konnten. Daher sind wir davon überzeugt, daß REBELLION in dieser Besetzung weitermachen werden und wir freuen uns auf die Auftritte bei den Festivals im Sommer." Für Tomi bedeuteten die Shows natürlich einen ganz besonderen Kick: "Es hat einen Reisenspaß gemacht, nach über fünf Jahren wieder auf der Bühne zu stehen!"
Die Namenswahl war im Grunde ganz einfach, sollte jedoch ein kleines Nachspiel haben. Uwe: "Der Name stand eigentlich sofort fest, denn 'Rebellion' war einer der GRAVE DIGGER-Songs, die beim Publikum am besten angekommen waren." Dennoch war vor einiger Zeit ein bitterböser Leserbrief im ROCK HARD zu lesen, in dem eine Black/Death-Band behauptete, man hätte ihnen den Bandnamen geklaut. Besagte Band benutzte den Namen "REBELLION" nämlich schon seit längerer Zeit. Dennoch trifft Lulis & Co. keine Schuld. "Als wir beschlossen hatten, daß wir den Namen REBELLION nehmen wollen, beauftragten wir für einige Hundert Euro die technische Universität Darmstadt", erläutert Tomi. An der Uni gibt es ein Institut, das sich auf Gebrauchsmusterschutz spezialisiert hat. "Sie forschten drei Monate lang nach und gaben uns schließlich die Auskunft, daß weltweit sich niemand diesen Namen hat schützen lassen." Das Kind hatte also einen Namen, der ordnungsgemäß registriert wurde. Als REBELLION mit der Produktion der ersten Platte nahezu fertig waren, meldeten sich ihren Namenskollegen zu Wort. "Wir erklärten ihnen, daß wir uns den Namen haben schützen lassen. Leider kamen einige sehr unflätige Antworten zurück, so daß wir diese Angelegenheit dem Anwalt unserer Plattenfirma übergaben." Einen Brief später war die Sache vom Tisch und eine junge Band hatte Lehrgeld bezahlen müssen. "Ich kann verstehen, daß die Jungs sauer darüber sind, daß sie auf diese Weise ihren Namen verloren haben", erläutert Tomi ein. "Ich bedauere, daß alles auf diese Weise abgelaufen ist. Wenn die Jungs cool gewesen wären, hätte man sich vielleicht einigen können, daß sie als "Entschädigung" ein Wochenende bei Uwe im BLACK SOLARIS-Studio zum halben Preis hätten aufnehmen können."
Der REBELLION-Platte liegt Shakespeares Meisterwerk "Macbeth" als Textkonzept zugrunde. Die Idee, Macbeth einen metallischen Anstrich zu verleihen, trägt Tomi schon seit 15 Jahren mit sich herum: "Zum ersten Mal wollte ich es probieren, als ich "Macbeth" in der Schule gelesen hatte." Doch dieser Versuch scheiterte, so daß er die Idee bei GRAVE DIGGER verwirklichen wollte, nachdem die Trilogie über Schottland beendet war, die mit "Tunes Of War" begonnen hatte. Durch seinen Bruch mit GRAVE DIGGER konnte er jedoch erst bei REBELLION "Macbeth" endlich anpacken. "Aus meinem persönlichen Blickwinkel geht es in "Macbeth" um die Frage, wieviele von seinen Idealen ein Mensch aufzugeben bereit ist, um Karriere zu machen", kommentiert Tomi, so daß Shakespeares Werk auch heute nichts von seiner Relevanz eingebüßt hat. Uwe sieht in diesem Konzept einen weiteren Vorteil: "Es gibt Leute, die mit Metal nix am Hut haben, sich aber für Shakespeare interessieren. Die haben die Möglichkeit, Shakespeare mal ganz anders zu erleben. Ein ähnliches Erlebnis hatte ich nach »Tunes Of War«: Damals schrieb mir ein Englischlehrer, daß er anhand der Platte mit seinen Schülern die Geschichte von Schottland durchgenommen hat."
Es war für REBELLION wichtig, "Macbeth" in jeder Hinsicht fundiert verwirklichen. Daher engagierte man den in Frankfurt lebenden amerikanischen Künstler James Woodward. "Wir haben ihn frühzeitig in den kreativen Prozeß eingebunden und haben das Artwork zusammen mit ihm entwickelt." Ein Wunschtraum wäre es, die Platte mit Theatermitteln auf der Bühne umzusetzen. Nach der "normalen" Tour mit RUNNING WILD hofft, man diesen nächsten Schritt auch vollziehen zu können. Definitive Pläne gibt es indes noch nicht. "Ich würde auf jeden Fall eher dazu tendieren, eine solche Performance ein- oder zweimal amtlich durchzuziehen und dann beispielsweise eine DVD aufzunehmen. Das wäre auf jeden Fall besser als komplette Tour, bei der wir eine halbgare Show mit drei Schauspielern abliefern."
Einem weiteren Shakespeare sind REBELLION nicht abgeneigt, so daß wir uns vielleicht demnächst auf "Othello" on metal freuen können. "Falls die Welt schreien sollte: "Wir brauchen mehr Shakespeare-Stücke auf Heavy Metal-Basis!", werde ich gerne mitmachen", schmunzelt Tomi. "Allerdings bin ich mir bewußt, daß das wahrscheinlich nicht passieren wird. Wenn wir allerdings auch in der Zukunft eine Plattenfirma haben werden, die mir meinen Wahnsinn finanziert, werde ich mich nicht dagegen wehren."
Musikalisch verfolgen REBELLION jenen Weg, den Uwe und Tomi schon bei GRAVE DIGGER eingeschlagen hatten. Dennoch hat man keine Angst vor Vergleichen. "GRAVE DIGGER klingen auf ihrer aktuellen Platte »The Grave Digger« deutlich anders als auf der letzten Platte, auf der Uwe noch gespielt hatte. Ich denke, daß sich dieser Trend fortsetzen wird, wenn sich ihr neuer Gitarrist Manni in Zukunft noch mehr einbringen kann. Ich denke, daß beide Bands es Platz für beide Bands gibt." Daher werden REBELLION ihren Weg unbeirrt weitergehen: "Ich glaube, REBELLION klingen mehr nach GRAVE DIGGER als GRAVE DIGGER selbst, weil Uwe ein sehr prägender Musiker ist. Man kann ihn und sein Gitarrenspiel nicht in eine bestimmte Richtung drängen. Wenn er versuchen würde, anders zu klingen, wäre es nicht glaubhaft!" Auch Uwe bleibt gelassen: "Für mich als Musiker und Produzenten stellt REBELLION einen großen Schritt nach vorne dar: Bei GRAVE DIGGER gab es natürlich einige Limitierungen aufgrund des Gesangs von Chris. Bei Michael hingegen gibt es solche Grenzen nicht."
Da die Musiker nicht auf REBELLION als Einnahmequelle angewiesen sind, können sie frei von der Leber musizieren: Uwe bestreitet seinen Lebensunterhalt mit seinem BLACK SOLARIS-Studio und Tomi verdient seine Brötchen als Lehrer für Englisch und Geschichte. "Primär mache ich die ganze Sache für mich selbst", gibt Tomi zu verstehen. "Für mich ist wichtig, daß die Platte genau so geworden ist, wie ich es mir vorgestellt habe. Die Band ist ein reines Hobby. Wenn jemand die Musik gefällt und sie kauft - super!"
Tomis Schüler haben ihren Lehrer mittlerweile als Metaller entlarvt, allerdings scheinen sich die Mädels noch nicht zu trauen, ihren coolen Pauker offen anzuhimmeln. "Ich habe in meiner ganzen Karriere noch keinen einzigen Liebesbrief bekommen. Ich bin am Boden zerstört!", lacht er. "Ernsthaft, sie wissen natürlich alle, daß ich in festen Händen bin." Und die Dame, die den Baßmann in festen Händen hält, trägt es mit Fassung, daß er plötzlich den zweiten Metal-Frühling erlebt. "Wir sind seit über sieben Jahren zusammen. Sie hat meinen Ausstieg bei GRAVE DIGGER und meinen Einstieg als Full Time-Student und Lehrer mitgemacht." Doch die Arbeit mit REBELLION läßt Tomi fast keine Freizeit. "Das ist gleichfalls eine ziemliche Belastung. Deshalb habe ich für das nächste Jahr meine Stelle an der Schule etwas reduziert, weil ich ungern einen von beiden Jobs schlampig machen möchte." Daher hofft er, daß er Hobby und Beruf noch lange miteinander vereinbaren kann, weil ihm beides sehr viel Spaß macht.
Tomi hat bereits als Teenager angefangen, Musik zu machen - "um an Mädels rankommen", wie er heute freimütig bekennt. "Erst mit der Zeit habe ich gemerkt, daß ich mich mit der Musik und auf meinem Instrument hervorragend künstlerisch ausdrücken konnte." Seine erste Band hieß IRON BREED, mit der er ein Demo veröffentlichte, von dem zwei Stücke auf dem Sampler "Metal Hour 5" von D&S RECORDS landeten. Danach benannte man sich in ASGARD um und konnte sogar einen Deal abschließen. Die ASGARD-Platte lief jedoch nicht sonderlich erfolgreich, was sich auch damit erklären läßt, daß man bei METAL ENTERPRISES, dem Ramschlabel von Ingo Nowotny unterschrieben hatte. "Na ja, wir hatten keine anderen Angebote, so daß es die einzige Möglichkeit war, umsonst eine Platte aufzunehmen." Die Aufnahmen verliefen jedoch nicht gerade wie man es sich vorgestellt hatte: "Ich kann mich noch gut erinnern, daß sich unser Schlagzeuger beschwerte, er würde die zweite Bassdrum nicht hören. Zu diesem Zeitpunkt hatte er allerdings schon die Hälfte der Drumtakes eingespielt und der Tontechniker schaltete auf stur. Nach einer halbstündigen Diskussion stellte sich dann heraus, daß der Tonmann tatsächlich vergessen hatte, ein Mikrophon in die zweite Bassdrum zu plazieren." Doch damit nicht genug der Pannen; Der Plattenfirmenboß hatte seine ganz eigene Methode, die Musiker zu motivieren: "Ingo Nowotny, der heftig unter Alkoholeinfluß stand, schlug unserem Gitarristen permanent mit einem aufblasbaren Baseballschläger an den Kopf, während der seine Parts einspielte."
Als sich ASGARD auflösten, absolvierte Tomi ein ganz spezielles Trainingslager: Er bewarb sich bei möglichst vielen Bands und fuhr wochenlang durch die gesamte Bundesrepublik, um sich an jedem Wochenende bei zwei Bands vorzustellen. "Ich wollte einfach fit sein, wenn das perfekte Angebot vorliegen würde. Irgendwann hatte ich einen Termin bei GRAVE DIGGER und eigentlich wollte ich überhaupt nicht zu der Band, weil mir die alten Platten nicht besonders gefallen haben. Eigentlich bin ich nur aus Prinzip hingefahren, aber als ich dann im Proberaum stand, hat es einfach geknallt und so landete ich bei GRAVE DIGGER."
Dann war es höchste Zeit, sich von METAL ENTERPRISES zu trennen, denn offiziell war Tomi noch bei Ingo Nowotny unter Vertrag. "Ich hatte Befürchtungen, daß Nowotny versuchen würde, daraus Kapital zu schlagen, wenn er erfahren würde, daß ich bei GRAVE DIGGER eingestiegen war. Also habe ich mir folgende Finte einfallen lassen: Ich rief ihn an und erklärte, daß ich alle anderen ASGARD-Musiker rausgeschmissen hätte und die ganze Sache allein durchziehen würde. Ich ließ so richtig den Rockstar raushängen und habe Nowotny wie den letzten Dreck behandelt. Daraufhin habe ich ihm ein Demo zugeschickt, das ich miserabel war, daß man es sich fast nicht vorstellen konnte: Ich hatte alles selbst eingespielt und außerdem so schief wie möglich dazu gesungen. Kurz danach rief ich ihn an, und prophezeite ihm, daß wir mit diesem sensationellen Werk bestimmt in die Charts einsteigen würden, daß er aber eine Menge Werbung schalten müßte. Daraufhin druckste Nowotny nur rum, er wisse nicht so genau und er müsse sich das Tape nochmal anhören. Anyway - zwei Tage später hatte ich die fristlose Kündigung auf dem Tisch."
Photos: Stefan Glas