UNDERGROUND EMPIRE 3-Datasheet |
Contents: APOSTASY (D, Düsseldorf)-Interview |
Date: 14.06.1990 (created), 28.11.2009 (revisited), 22.01.2022 (updated) |
Origin: UNDERGROUND EMPIRE 3 |
Status: published |
Task: from paper to screen |
Availability: original printed issue sold out! Several later issues still available; find details here! |
Comment: Ich kann mich noch gut entsinnen, wie wir vor dem "No. 7", dem Club, in dem APOSTASY an diesem Abend zusammen mit TWILIGHT ZONE auftreten sollten, auf dem Gehsteig saßen und dieses Interview führten. Dieser Tag war auch der Ausgang eines recht intensiven Kontakts mit Andreas Lohse, der über Jahre anhielt. Leider hat dieser sich mittlerweile komplett von der Musik verabschiedet. Zuvor hatte er noch die Stationen LOST CENTURY, THOUGHTSPHERE (GALLERY) und FORCES@WORK durchlaufen, denn bei APOSTASY war leider recht bald Feierabend, so daß es keine weiteren nennenswerten Schritte von der Band zu verzeichnen gibt. |
Supervisor: Stefan Glas |
Wie einige der UNDERGROUND EMPIRE-Leser sicher wissen, leitet Holger (Schroth) den DEATHROW-Fanclub. Mehr oder minder durch Zufall lernte er so Dirk Thomas, den Drumroadie von DEATHROWs Markus Hahn kennen, der ihm von seiner Band APOSTASY erzählte. Er machte Holger so neugierig, daß er Dirk dazu nötigte, ihm ein Rehearsaltape zu schicken. Selbiges enttäuschte in keinster Weise, sondern überzeugte uns davon, daß APOSTASY zu den deutschen Geheimtips in Sachen Thrash zählen. Anhand dieser Fakten gab es für UNDERGROUND EMPIRE nur eine logische Konsequenz: ein Interview, welches sich leicht bei meinem Düsseldorf-Trip vor einiger Zeit bewerkstelligen ließ.
Du hast mir gerade eben die erste Kopie Eueres Demos gegeben. Es war mir allerdings schon seit einiger Zeit in einer Instrumentalversion bekannt. Erklär bitte mal die Zusammenhänge um das Demo!
Dirk: Unser alter Sänger Andreas Henschel ging zu DESPAIR. Wir hatten drei Auftritte mit ihm gespielt, aber er kannte DESPAIR recht gut, hatte schon mehrere Sessions mit ihnen gemacht, und als DESPAIR dann einen Sänger suchten, schloß er sich ihnen an. Wir spielten dann zunächst mit dem Gedanken, ganz aufzuhören, aber entschlossen uns, doch weiterzumachen. Wir wollten dann endlich mal ein Tape aufnehmen, um Gigs klarzumachen und einem eventuellen Sänger etwas in die Hand drücken zu können. Wir haben das Tape dann bei einem Kumpel im Proberaum auf einem Vier-Spur-Gerät aufgenommen. Kurz vorher kam Andreas dazu, und es klappte gut mit ihm, so daß wir seinen Gesang dazu gemixt haben. Unser zweiter Gitarrist Proll (im bürgerlichen Leben heißt der Mensch Dirk Preylowski - Red.), von dem wir uns getrennt hatten, wird nun wahrscheinlich wieder mitspielen, nachdem wir uns vor kurzem ausgesprochen hatten.
Ihr habt also die Aufnahmen, die schon auf dem Instrumentaldemo standen, neu abgemischt und Andreas hat dazu gesungen!
Dirk: Ja, es sind die gleichen Aufnahmen. Wir haben allerdings einen Song wegfallen lassen.
Für ein erstes Demo wirkt Euer Tape doch erstaunlich professionell. Erzählt doch mal etwas zum Cover! Ich habe beispielsweise gesehen, daß Ihr dieses Motiv auch auf T-Shirts habt.
Dirk: Das Motiv bezieht sich auf einen Song von uns, der über Stephen Kings "Es" geht. Wir hatten einen Entwurf gezeichnet, den ein Freund in Airbrush umgesetzt hat.
Andreas: Das Motiv war die Umsetzung des Songtextes, aber den Text habe ich inzwischen abgeändert. Dennoch haben wir das Motiv beibehalten, weil es geil aussieht. Das soll also unser Erkennungszeichen werden.
APOSTASY ist noch eine sehr junge und den meisten unserer Leser unbekannte Band. Erzählt daher doch bitte etwas über Euren Werdegang!
Dirk: Im Dezember 1987 habe ich mit einem Freund angefangen. Zwischendurch hat auch Thomas Priebe, der in den Anfangstagen bei DEATHROW war, mitgespielt, ging dann aber aus persönlichen Gründen wieder. Unser Bassist Ralf spielte damals in einer Band namens MONROXE, die direkt neben uns probten, und er kam dann öfter zu Sessions rüber. An Karneval ergab sich dann per Zufall, daß Ralf, Andreas Henschel und wir in einer Kneipe zusammensaßen, und es kam raus, daß Ralf gerne bei uns als Bassist einsteigen würde. Henschel meinte, daß er eine Band suchen würde, und wir waren total aus dem Häuschen, "Mann, geil, wir suchen doch einen Sänger!". So hat sich das ergeben, und wir hatten unser erstes richtiges Line-up zusammen. Wir fingen an, Stücke zu machen und hatten im Sommer '89 unseren ersten Auftritt. Den Rest habe ich dann ja oben schon erzählt, als Henschel zu DESPAIR ging.
Andreas, wie bist Du eigentlich genau zu APOSTASY gekommen?
Andreas: Ich spielte vorher Gitarre bei einer anderen Band. Frank vom Fanzine MOSH IT UP, bei dem ich auch ein paar Artikel mitschreibe, meinte zu mir, daß APOSTASY einen neuen Sänger suchen würden. Ich wußte das schon vom letzten Auftritt, nach dem Henschel zu DESPAIR gegangen war, aber ich habe mich nicht weiter drum gekümmert, da ich ja Gitarrist war und mit meiner Band etwas losthrashen wollte. Auf jeden Fall meinte ich dann scherzhaft zu Frank, "Na, dann kann ich ja bei APOSTASY singen!" Als ich mit meiner Band probte, kam Frank zu uns und sagte, daß APOSTASY drüben in ihrem Proberaum wären, und ich sollte doch mal rüberkommen. Ich ging fünf Minuten später rüber, und die Jungs drückten mir gleich ein Mikro in die Hand, weil sie glaubten, daß ich echt singen wollte. Alle haben mich angeglotzt und Frank hat sich halbtot gelacht. Wir haben ›Apocalyptic City‹ von TESTAMENT gespielt, weil ich den Text kannte. Wir haben mehrmals geprobt, und die Jungs haben nebenher ohne mich das Demo eingespielt. Wir haben zwei Monate intensiv geprobt, ich habe die Texte abgeändert und dann war es so weit, daß ich das Demo einsingen konnte. Ich habe also erst im Januar angefangen, professionell, also bei einer Band, zu singen. Vorher habe ich nur Songs mitgegrölt und so 'n bißchen in der Badewanne...
Du hast gesagt, daß Du die Texte neu verfaßt hast. Welche Richtung hast Du da textlich eingeschlagen?
Andreas: Ich habe die Texte zu den Stücken komplett neu geschrieben, als ich zu APOSTASY kam. ›It Will Return‹ ist über jemand, der nachts von seinem zweiten Ich geplagt wird, das ihn in seinen Träumen jagt. ›Life Sentence‹ handelt von jemandem, der eigentlich schon klinisch tot ist, aber zwecks Ausschlachtung seines Körpers noch im Krankenhaus liegt und am Leben erhalten wird. Er liegt in einem dunklen Raum, kann nicht mehr reden, sich nicht mehr bewegen, aber es gibt Leute, die auf sein Herz oder seine Niere warten. Der Song drückt seine Gefühle aus. ›Crime In Progreß‹ handelt davon, wieviel Gewalt und Grausamkeit um uns herum passiert, es den meisten Leuten aber überhaupt nichts ausmacht. "Destination Unknown" ist ein Lied übers Leben und das Schicksal und darüber, daß man es nicht beeinflussen kann, weil es vorherbestimmt ist. ›Deadly Hunt‹ handelt wie früher schon vom Vietnamkrieg. Hier habe ich auch den Refrain von früheren Sänger übernommen. Den Titel von ›Tales From The Crypt‹ haben wir von einer amerikanischen Fernsehserie übernommen. In dieser Serie werden Gruselgeschichten gezeigt. Unser Song handelt von einem Typen, der sich die Serie immer anschaut und irgendwann die Realität und seine Träume nicht mehr auseinanderhalten kann. Eines Tages flippt er dann total aus und glaubt, er sei in dem Film. Wir wollen also damit ausdrücken, daß jemand, der ein schwaches Gemüt hat, solche Filme mit Vorsicht genießen sollte. ›System‹ ist gegen das Regime gerichtet, weil die Politiker uns nur abziehen und man ihnen nicht viel glauben kann. Irgendwie ist alles ein abgekartetes Spiel, und sie schieben sich gegenseitig Millionenverträge zu und wollen nur Geld scheffeln. Das ist so in etwa der Inhalt von ›System‹.
Gedenkt Ihr, mit diesem Demo schon an Plattenfirmen heranzutreten?
Andreas: Mit diesem Demo noch nicht. Wir wollen es zwar an Zeitschriften verschicken, aber primär wollen wir verstärkt live spielen und so das Demo unter die Leute bringen. Ende des Jahres werden wir ein neues Demo aufnehmen, das dann im Studio aufgenommen wird, damit es besser wird als das jetzige, das ich aber keineswegs schlecht finde. Dann könnte man eventuell daran denken, an solche Leute heranzutreten.
Ich habe es bislang noch nicht nachgeblättert, was bedeutet eigentlich der Name APOSTASY?
Dirk: APOSTASY heißt "Abtrünnigkeit". Wir haben ewig lang im Wörterbuch rumgeblättert und irgendwann kam unser alter Gitarrist Roman mit dieser Idee, so daß wir drei oder vier Namen zur Auswahl hatten. Wir haben dann etwas rumgetüftelt und einige Schriftzüge ausprobiert. Bei APOSTASY kam dann in etwa das heutige Logo raus, und es hat uns gefallen, so daß wir uns für diesen Namen entschieden.
Euer Stil klingt für mich ziemlich amerikanisch! Stimmt Ihr dem zu?
Andreas: Das lasten wir unserem früheren Gitarristen Dirk Preylowski an. Er ist nämlich der kleine Bruder von Alex Skolnik und alle Songs, die er geschrieben hat, klingen irgendwie nach TESTAMENT, besonders wenn Du Dir ›Deadly Hunt‹ anhörst. Wir haben einen eigenen Stil entwickelt, der allerdings auf jeden Fall an Bay Area-Bands angelehnt ist. Irgendwie sind wir da aber auch stolz drauf, denn es gibt nicht viele deutsche Bands, denen man nicht anhört, daß sie aus Deutschland sind.
Ich kenne mich inzwischen etwas in der Düsseldorfer Szene aus und habe einige gute Bands kennengelernt. Wie würdet Ihr, die Ihr selbst zu dieser Szene gehört, sie beschreiben?
Dirk: Hier ist eigentlich eine ziemliche Hochburg. DEATHROW gibt es zum Glück wieder, ASSASSIN wollen weitermachen und suchen gerade einen Proberaum. Sie haben aber momentan ziemliche Probleme, weil ihnen damals der Proberaum aufgebrochen wurde und alle Instrumente bis aufs Schlagzeug geklaut wurden. Sie sagen aber auf jeden Fall, daß sie weitermachen wollen, was aber hundertprozentig genau läuft, weiß ich nicht. Dann gibt es noch RESEARCH, das ist die Band, bei der Markus Hahn nach dem DEATHROW-Split vor etwa einem Jahr bis zur DEATHROW-Reformation vor einiger Zeit als Gitarrist mitspielte. RESEARCH wollen sich aber umbenennen und haben noch keinen neuen Namen. Auch in anderen Metalbereichen gibt es gute Bands, beispielsweise SHOTGUN, MORGAN LE FAY oder VISION X. Es ist in letzter Zeit wirklich einiges los hier.
Andreas: Eigentlich war hier schon immer viel los. Das sieht man schon daran, was aus Düsseldorf alles gekommen ist. WARLOCK und WARRANT kamen aus Düsseldorf und heute fallen mir noch Namen wie NIGHTPROWLER, G-LOYD, SATYR, TWILIGHT ZONE, BLACK INSANITY, etc. Es gibt jeden Menge Bands momentan. Du kennst unseren Proberaum, und etwa 70 bis 80 Prozent der Bands, die dort proben, kommen aus dem Hard'n'Heavy-Bereich. (Folgendes zur Erläuterung: Der Proberaum von APOSTASY liegt außerhalb Düsseldorfs in einem Industriegebiet. In einem Hinterhof liegt dort eine unscheinbare Treppe, die in einem wahrhaft riesigen Keller führt. Man geht dann durch einen schier endlosen Gang, wo Wand an Wand mindestens 50 Proberäume liegen - fast schon paradiesisches Zustände, wenngleich es nicht so paradiesisch sauber dort unten ist. Aber dennoch würden sich viele Bands etwas ähnliches auch in ihrer Stadt wünschen. In diesen Räumen in Düsseldorf proben zum Beispiel DEATHROW, MANTICORE, APOSTASY oder auch MORGAN LE FAY. - Red.)
Dirk: Man muß außerdem sagen, daß recht starke Kontakte unter den Bands existieren.
Andreas: Mit der Zeit wird das gezwungenermaßen immer mehr. Mal läuft man im Proberaum dem einen auf dem Gang über den Weg, dann trifft man in der Altstadt den anderen, und so kommt man miteinander ins Gespräch. Wir machen auch zusammen Parties, tauschen Demos aus, etc. Es ist echt ganz gut hier!
Es gibt momentan ganz offensichtlich eine Thrashwelle. Glaubt Ihr, daß der Thrash eine Chance hat zu überleben?
Dirk: Viele Bands werden sicher den Bach runtergehen, weil man sich früher oder später auf ein paar Größen festlegen wird. Irgendwann ist der Markt mal übersättigt, und wenn dann irgendwelche Thrashbands spielen und aufgrund des Überangebotes nur noch 20 oder 30 Leute kommen, dann werden die Veranstalter solche Konzerte streichen. Außerdem verändert sich der Geschmack der Leute. Ich kenne eine Menge Leute, die früher auf Thrash standen und heute ganz andere Musik hören.
Andreas: Die großen Bands werden überleben. Man hat ja in letzter Zeit gesehen, daß nichts nachgekommen ist. Die einzige Band, die es geschafft hat, an Größen wie EXODUS, TESTAMENT, SLAYER oder MEGADETH Anschluß zu halten, sind für mich FORBIDDEN. Es kommen zwar viele Bands raus, aber die sind meist nur mittelmäßig, wirklich gute und originelle Bands findet man kaum noch. Für mich sind da FORBIDDEN die einzige Ausnahme. Momentan ist auch Death Metal sehr im Kommen, und da werden dann sicher immer mehr Bands ihr Fähnchen nach dem Wind richten und einem Jahr werden dann Hunderte Deathbands auf den Markt drängen. Ich denke, daß jetzt mal die Progressive-Bands am Kommen sind, weil sie echt die Musik für die Neunziger machen. Du wirst sehen, noch zwei, drei Jahre und dann hört jeder Progressive-Musik. Dann wird sicher wieder etwas neues kommen, denn irgendwie geht es immer weiter. Man muß einfach immer intelligentere Musik machen.
Warum macht Ihr Musik, und welche Bedeutung hat die Musik für Euch?
Dirk: Ich spiele Schlagzeug, weil es mir tierisch Spaß macht. Ich bin auch kein Typ, der sich, wenn er abends von der Arbeit nach Hause kommt, vor den Fernseher setzt, sondern ich fahr' dann lieber in den Proberaum und spiele ein bißchen.
Andreas: Man kann auch gut Aggressionen abbauen. Bevor ich jemand aufs Gesicht haue, gehe ich lieber mit den Jungs zwei, drei Stunden proben, und das macht Spaß. Du warst so lange Fan gewesen, hast Dir Tausende Platten angehört, und so kriegst Du die Chance, es selber zu machen. Es macht echt soviel Spaß - das gibt's gar nicht. Die Proben richtig locker angehen, ein paar Bierchen trinken, Sprüche klopfen, und so weiter. Da geht man richtig gern zum Proben. Es ist nach meiner Ausbildung, die ich gerade mache, das zweitwichtigste. Es ist für mich schon fast wie ein zweiter Beruf und kein Hobby mehr. Es ist echt brillant.
Ziemlich brillant ist auch das erste APOSTASY-Demo geworden, so daß ich es Euch für 7,- DM + 3,- DM Porto durchaus empfehlen will. Wenn Bay Area-mäßiger Thrash Euer Ding ist, dann wendet Euch an:
Photos: Stefan Glas [Photo 2-4]
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