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  UE-Home → History → Online Empire 52 → Editorial last update: 27.03.2024, 15:23:21  

Die Gedanken sind frei?

So sagt es ein altes deutsches Gedicht, aber heißt das, daß sie deswegen auch keinen Roten Heller wert sind? Schaut man sich die momentane Situation an, so könnte man den Eindruck bekommen, daß ein erschreckend großer Prozentsatz der Bevölkerung diese These unterschreiben würde. Denn: Die Produkte geistigen oder kreativen Schaffens werden heute mehr denn je hemmungslos und ohne eine Anflug von Unrechtsbewußtsein illegal hin- und hergeschoben, ohne daß der Urheber dafür entlohnt wird. Und seit die Piraten-Partei in den ersten Landtag eingezogen ist, existiert nun auch noch eine Armada an Fürsprechern, die dieses Verhalten gern als unbedenklich hinstellen.

Ja, auch wir hatten uns auf die "Blog-Welle" gestürzt und auf interessante Downloads hingewiesen, aber wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, daß wir illegale Downloads in jeglicher Form ablehnen! Uns ging es dabei vielmehr darum, auf verschollene Perlen hinzuweisen, die man schon längst nicht mehr käuflich erwerben kann - und von solchen gibt es bekanntlich eine Menge, was einfach schade ist, wenn dadurch eine Menge toller Musik einfach verlorengeht. Und in einem Fall wie beispielsweise bei Tané Cain haben wir dann bei einem später erfolgten Re-Release der Scheibe mittels einer Story auf deren Existenz hingewiesen und zum Kauf des nun erhältlich Produkts animiert.

Die Konsequenzen für die heute permanent geschehenden Urheberrechtsverletzungen liegen auf der Hand, und die Auswirkungen sind bereits massiv zu spüren: Sprechen wir von journalistischer Arbeit so sind viele nicht mehr bereit, Geld für Printmedien auszugeben, weil sie meinen, durch das schnelle Newsgezwitscher im Internet bestens informiert zu werden. Welch fataler Irrtum! Denn: Wer am schnellsten seine Parolen an eine virtuelle Scheißhaustür geschmiert hat, muß noch lange nicht seriöse und verläßliche journalistische Arbeit verrichtet haben. Ich persönlich kann nur sagen, daß ich mich aus diesem "schneller, lauter, bunter"-Nachrichtenirrsinn komplett verabschiedet habe und lieber in der kommenden SPIEGEL-Ausgabe fundierte, sauber recherchierte Hintergrundberichte lese, auch wenn sie - oh Gott! - Vorfälle behandeln, die schon Tage oder teilweise auch Wochen zurückliegen. An dieser Stelle ist es auch Unsinn, darauf hinzuweisen, daß Printmedien ohnehin eine aussterbende Art seien, denn auch wenn es eines Tages mal nur noch digitale Ausgaben für Tablet-PCs geben sollten, dann ist für journalistische Arbeit, die nicht nur an der Oberfläche kratzen soll, einfach immer noch ein gewisses Maß an Zeit unabdingbar - ganz gleich, in welcher Form sie publiziert wird.

Auf alle Fälle steht es außer Frage, daß momentan von Tageszeitungen bis zu Monatsmagazinen, von Fachmagazinen bis zur Yellow Press alle Printmedien ums Überleben kämpfen, weil die Auflagenzahlen schon seit Jahren rückläufig sind, aber auch niemand bereit ist, für online angebotene Artikel Geld auszugeben. Wenn dieser Trend nicht aufzuhalten ist, dann wird unsere Informationswelt bald nur noch aus Möchtegernstars und -sternchen bestehen, die twittern, daß sie gerade ein suuuperleckeres Croissant gegessen haben, während der Blogger im nächsten Browserfenster uns an der Bedeutungslosigkeit seines Alltags teilhaben läßt.

Schauen wir uns die Situation in der Musikszene an, so versuchen Bands, die Verluste bei den CD-Verkäufen durch die Eintrittspreise und beim Merchandise zu kompensieren. Es wird wohl jeder bemerkt haben, welch' unverschämte Preise bei Tickets und Tourshirts verlangt werden. Ernsthaft: Bei den momentanen Ticketpreisen kann man für den Betrag, den man für zwei Karten für einen halbwegs prominenten Künstler abdrücken muß, fast schon eine einwöchige Last Minute-Reise buchen... Nun ja, dies mag für die größeren Bands momentan noch aufgehen, daß sie auf diese Weise ihre Kasse füllen können, doch was ist mit den kleinen Bands, die von den Eintrittspreisen keinen Pfennig sehen, sondern im Gegenteil vielleicht sogar eine ordentliche Stange Geld hinlegen mußten, um einen Platz auf der Tour zu ergattern? Wie sollen diese "Kleinen" über die Runden kommen, um jemals eine Popularität zu erreichen, daß sie auch selbst mal bei einer Tour ganz vorne stehen? Das Märchen, daß eine Band mittels Selbstvermarktung über die Web 2.0-Plattformen ordentlich Reibach machen kann, glauben nur diejenigen, die keine Ahnung vom Musikbusiness haben und nicht mal ansatzweise erahnen, welch eine gigantische und komplizierte Maschinerie perfekt funktionieren muß, um zu einem international anerkannten Act heranzuwachsen.

Über kurz oder lang bedeutet das, daß wir eine kulturelle Verarmung erfahren werden, weil es für einen Musiker immer schwieriger wird, den Lebensunterhalt mit seiner Musik zu verdienen - an etwaige soziale Sicherheit wollen wir hier erst gar nicht denken. Ergo: Immer mehr Musiker werden wahrscheinlich früher das Handtuch werfen. Gewiß: Es wäre kein echter Verlust, wenn ein ordentlicher Prozentsatz der momentanen Veröffentlichungen nie das Licht des Tages erblickt hätten, aber bekanntlich ist es ja nicht so, daß sich immer die besten und talentiertesten Musiker durchsetzen - und ich möchte an dieser Stelle überhaupt nicht so weit gehen, den in diesem Zusammenhang schon tausendfach bemühten Beweis mit Namen Dieter Bohlen zu bemühen... Ein Michael Poulsen hat auch erst mal zehn Jahre bei der relativ konventionellen Death-Band DOMINUS seine Erfahrungen sammeln müssen, bevor er VOLBEAT ins Leben rufen und mit dieser Truppe nach etwa fünf Jahren Reifungszeit diesen faszinierenden neuen Sound kreieren konnte, mit dem er und VOLBEAT nun weltweit durchstarten. Was aber, wenn heute ein junger Musiker, der vielleicht in 15 Jahren etwas ähnliches schaffen könnte, schon nach drei oder vier Jahren sein Instrument an den Nagel hängt, weil er nicht daran glauben kann, daß er eines Tages mal wirklich von seiner Kreativität leben kann?

Auch bei den Plattenfirmen ist schon seit Jahren Überlebenskampf angesagt. Wer unsere News verfolgt, konnte diesbezüglich etliche Meldungen finden, wo der Pleitegeier zugeschlagen hatte, doch viele weitere Firmen sind in dieser Zeit nahezu unbemerkt an einer unüberwindlichen Klippe zerschollen. Die schwindenden Verkaufszahlen führen notgedrungen dazu, daß bei den Plattenfirmen das Geld knapper wird. Somit können sich zum einen weniger Geld in den Aufbau einer jungen Band investieren, die dies aber dringend nötig hätten, und zum anderen können sie weniger Anzeigen in den Magazinen schalten, die sich aber bekanntlich zu einem Großteil über Anzeigengelder finanzieren müssen, was dann noch zu den geringeren Stückzahlen, die den Besitzer wechseln, hinzukommt. Und nicht erst, wenn ein Magazin seinen Betrieb einstellt, so daß dann den Bands der mögliche Support flötengeht, läuft die Abwärtsspirale auf vollen Touren. Ein Teufelskreis.

Wenn selbiger nicht durchbrochen wird, indem sichergestellt wird, daß Schöpfer für ihre geistigen und kreativen Leistungen entlohnt werden, dann werden wir bald in einem freudlosen Ödland leben!

Bis zum Gedächtnisverlust...

Stefan Glas

P.S.: Das aktuelle Coverartwork stammt aus dem beeindruckenden Repertoire des Berliners Joerg Warda, der zwar bislang nur der italienischen Band MARBLE zu einem Coverartwork verholfen hat, der aber ansonsten besonders im Bereich Computerspiele aktiv ist, wo er schon "Elemental Masters" von Nintendo, "Deep Sea Catch" von NexGen und "Perry Rhodan - Kampf um Terra" von Gamopolis mitgestaltet hat. Und wir haben Joergs Werk mit dem Titel "Samarkand" nicht einfach von seiner Homepage gemopst, sondern Joerg hat es uns aus freien Stücken zur Verfügung gestellt und war darüber hinaus sogar so cool, daß er sein Werk extra für unsere "Cover-Bedürfnisse" angepaßt hat. Dafür sei ihm doppelt Dank gesagt! Weitere Werke von Joerg findet Ihr auf seiner Homepage.

Außerdem haben wir in den Background der aktuellen Ausgabe noch einen kleinen Tribut an einen Mann eingebaut, der die handgemachte Musik ganz entscheidend mitgeprägt hat, eingebaut. Na ja, durch diesen Hinweis wird die Lösung für unsere Background-Verlosungsaktion diesmal etwas zu einfach, aber was soll's...

Nachtrag März 2013: Nicht wundern, daß oben bei dem Wörtchen "Background-Verlosungsaktion" zu zugehörige Hyperlink verschwunden ist. Mittlerweile ist nämlich auch unsere Background-Verlosung verschwunden, beziehungsweise durch ein neues Format abgelöst worden.

 
 
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