Tony Iommi hat als Gitarrist von BLACK SABBATH alles erreicht. Er könnte eigentlich in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Und bräuchte keine Soloplatte zu machen. Und schon gar nicht mit zehn verschiedenen Stimmen.

Ich wollte es einfach! Nach mehr als 30 Jahren BLACK SABBATH hatte ich das Verlangen, Abstand zu gewinnen. Es war an der Zeit, etwas mit anderen Künstlern und unter meinem eigenen Namen zu machen. Die Vorbereitungen begannen bereits vor dreieinhalb Jahren, doch dann kam die SABBATH-Reunion, und ich mußte meine Ideen einstweilen wieder einmotten.

Schon das 1986er Comeback-Album »Seventh Star« war als Dein Soloalbum konzipiert. Warum erschien es dennoch unter der Flagge BLACK SABBATH?

Von meiner Seite aus war es eindeutig ein Soloalbum zumal es musikalisch vom klassischen BLACK SABBATH-Stil abwich. Aber die Plattenfirma und mein damaliges Management wollten unter allen Umständen ein BLACK SABBATH-Album. Also veröffentlichten sie »Seventh Star« unter dem Motto "BLACK SABBATH featuring Tony Iommi". Die ganze Situation war mir damals aus den Händen geglitten!

Nun gibt es also doch ein "echtes" Soloalbum von Dir, und es klingt deutlich moderner als wir es von BLACK SABBATH gewöhnt sind.

Ich wollte auf jeden Fall meine typischen Riffs beibehalten. Dennoch sollte die Scheibe modern klingen, so daß ich zum einen mit Effekten wie Loops gearbeitet habe und zum anderen mir den kreativen Input der verschiedenen Sänger zunutze gemacht habe.

Bedeutet das, daß Tony Iommi plötzlich trendy geworden ist?

Nein, auf keinen Fall! Prinzipiell spiele ich immer noch die gleiche Musik. Aber mein ganzes Leben lang hieß es nur BLACK SABBATH, BLACK SABBATH, BLACK SABBATH, und ich wollte da raus! Das darf man nicht mißverstehen, denn ich liebe BLACK SABBATH. Aber es hat gutgetan, etwas anderes zu machen und ein Album einzuspielen, das nicht zwangsläufig mit BLACK SABBATH verglichen wird.

Dennoch erinnert beispielsweise das Riff des Solostücks ›Patterns‹ sehr deutlich an ›Iron Man‹.

Es mag sein, daß es manche Leute daran erinnert. Aber das läßt sich nicht vermeiden, denn die Riffs stammen alle von mir und ich kann meinen persönlichen Stil nicht verleugnen.

Du hast sehr unterschiedliche Sänger für das Album verpflichtet: Henry Rollins, Skin (SKUNK ANANSIE), Dave Grohl (FOO FIGHTERS), Phil Anselmo (PANTERA), Serj Tankian (SYSTEM OF A DOWN), Billy Corgan (SMASHING PUMPKINS), Ian Astbury (THE CULT), Peter Steele (TYPE O NEGATIVE), Ozzy Osbourne und Billy Idol. Nach welchen Gesichtspunkten hast Du sie ausgewählt?

Ich hatte eine Wunschliste mit drei Sängern, die ich für das Album gewinnen wollte: Billy Corgan, Phil Anselmo und Dave Grohl. Ich wäre froh gewesen, wenn nur einer zugesagt hätte, und schließlich waren alle drei mit von der Partie. Je weiter das Album voranschritt, desto mehr Vokalisten bekundeten Interesse, sich ebenfalls zu beteiligen.

Mein ganzes Leben lang hieß es nur BLACK SABBATH, und ich wollte da raus!
(No More Sabbaths?)

Mit wem hat die Arbeit am meisten Spaß gemacht?

Es hat mit jedem hervorragend funktioniert, obwohl sie alle sehr unterschiedliche Charaktere sind. Billy Corgan hatte beispielsweise sehr konkrete Vorstellungen, wie unser Stück klingen sollte: sehr rifflastig und lang. Dave Grohl, der ein wahres Multitalent ist, bestand darauf, auch die Drums einzuspielen. Jeder brachte seine eigene Ideen ein und war zugleich für jegliche Experimente offen. Die Zusammenarbeit war teilweise derart fruchtbar, daß wir viel zu viel Material produzierten: Mit Billy Idol und Billy Corgan schrieb ich zwei, mit Phil Anselmo sogar drei Stücke, und es konnte jeweils nur eins verwendet werden. Es kam für mich nie in Frage, den Sängern die Songs fix und fertig vor die Nase zu legen und sie ihren Part kommentarlos einsingen lassen. Daher war das Album ein Abenteuer für mich: Ich konnte nicht wissen, wie es am Ende klingen würde.

Konnte angesichts der vielen unterschiedlichen Einflüsse überhaupt ein homogenes Album entstehen?

Ich hatte diese Befürchtung nie, denn mein Gitarrenspiel ist der Rote Faden, der das Album zusammenhält. Anderseits habe ich nie darüber nachgedacht, denn das Album war für mich vorrangig ein interessantes Experiment. Es gab allerdings wirklich ein Element, das nicht passen wollte: Ich hatte eine Instrumentalnummer geschrieben, die mit den restlichen Stücken nicht harmonierte, so daß ich sie verworfen habe.

Das bedeutet aber zugleich, daß Dein Soloalbum dazu verdammt ist, ein reines Studioprojekt zu bleiben.

Es wäre unmöglich, mit all diesen Musikern zusammen auf Tour zu gehen, aber im Moment ist eine Special-Show im Gespräch, bei der alle mit von der Partie sein sollen. Ich hoffe sehr, das es klappen wird!

Für mich sollte Blut drin sein...
(Sabbath Bloody Sabbath)

Was macht ein Tony Iommi, wenn er nicht die Gitarre in den Fingern hat?

Ich bin sehr gerne zu Hause und relaxe. Zudem habe ich mehrere Hunde und Pferde, die mich auf Trab halten. Außerdem treffe ich mich gerne mit Freunden zum Essen. Früher war ich mal sehr sportlich: In jüngeren Jahren habe ich sehr intensiv Karate und Boxen betrieben. Heute schaue ich allerhöchstens mal einen Boxkampf im Fernsehen an. Irgendwie bin ich ruhiger geworden. Aber ich gehe immer noch gerne ins Kino.

Bestimmt in Liebesfilme...

Absolut nicht! Auch wenn es klischeehaft klingt: Ich mag tatsächlich Thriller und Horrorstreifen. Für mich sollte Blut drin sein... Vermutlich war mir von Anfang an vorherbestimmt, welchen Weg ich mit BLACK SABBATH gehen würde...

Gibt es Dinge, die Du in deiner Karriere ändern würdest, wenn Du die Möglichkeit hättest?

Eine ganze Menge! Allerdings nicht in musikalischer Hinsicht, denn es ist unglaublich, daß wir es geschafft haben, mit der Musik, die direkt aus unserem Herzen kam, solch einen großen Einfluß auf die Musikszene zu haben. Änderungen würde ich eher in businesstechnischer Hinsicht vornehmen: Es gibt so einige Manager oder Rechtsverdreher, denen ich noch heute gerne einen Tritt versetzen würde.

Auf Deinem Soloalbum hast Du ein weiteres Mal mit Ozzy zusammengearbeitet. Wird es irgendwann wieder ein Projekt von Euch beiden geben?

Das haben wir bereits getan: Wir haben mit der Hip-Hop-Formation WU-TANG CLAN einen Song aufgenommen. Was die Zukunft angeht haben wir über mögliche Projekte gesprochen, aber ich weiß nicht, ob wir sie verwirklichen werden.

Anders gefragt: Wann können wir etwas Neues von BLACK SABBATH erwarten? Und wie wird es aussehen?

Mit Sicherheit werde ich nur noch mit dem klassischen Line-up arbeiten, mit dem wir in den letzten Monaten unterwegs waren, denn ich bin sehr gerne mit diesen Leute zusammen. Zum Glück ist das mittlerweile wieder möglich: Bill Ward, der auf der Tour einen Herzinfarkt erlitten hatte, ist wieder fit. Er hatte eine Bypass-Operation, hat danach das Rauchen aufgegeben und vieles andere in seinem Leben verändert. Ja, ich habe große Lust, wieder mit den Jungs loszulegen. Allerdings steht es zur Zeit noch in den Sternen, wann und ob es passieren wird. Doch wenn es wieder eine BLACK SABBATH-Tour geben wird, hoffe ich sehr, daß alle eure Lesern vorbeischauen werden!

http://www.iommi.com/

Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Stefan Glas

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