Der Thrash Metal feiert momentan ein klein wenig Auferstehung, wie man anhand von Veröffentlichungen etlicher, bislang unbekannter Truppen nachvollziehen kann. Zudem muß sehr wohl festgehalten werden, daß sich auch unzählige, bereits länger existierende Formationen diesem Genre verschrieben haben, bislang aber leider noch nicht wirklich jenen Bekanntheitsgrad innehaben, den sie eigentlich verdient hätte.
In der Bodenseeregion scheint der Thrash Metal ohnehin schon seit längerer Zeit ein wohlbehütetes Zuhause gefunden zu haben, weshalb es auch nicht weiter verwunderlich sein sollte, daß SPELLBOUND auf ihrem aktuellen Werk »Nemesis 2665« erneut ein wahres Feuerwerk dieses Genres abgeliefert haben.
Neuigkeiten aus dem Lager der Band, sowie nähere Infos zu diesem Album teilte uns Gitarrist und Sänger Dave Meier mit.
Zunächst einmal gibt es einige Fragen zur aktuellen Situation, aber auch zur Geschichte der Band zu klären: Kurz nach der Veröffentlichung Eurer Demos seid Ihr bei ARMAGEDDON MUSIC gelandet. Wie kam dieser Deal zustande?
Das war eigentlich ganz einfach. Unser erstes Album »Incoming Destiny« hatten wir bereits vor dem Deal mit ARMAGEDDON aufgenommen. Wir gingen damals ins "Stage One Studio", um zusammen mit Andy Classen an unserem Debut zu arbeiten. Das Ergebnis konnte sich durchaus hören lassen, und so haben wir uns damit eben bei diversen Labels beworben. ARMAGEDDON machten uns ein gutes Angebot, und deshalb unterschrieben wir auch dort. »Incoming Destiny« war quasi schon vor der offiziellen Veröffentlichung als Eigenpressung zu haben. Insgesamt konnten wir davon 500 Stück in Umlauf bringen, die wohl schon bald als Rarität gelten werden. [lacht]
Von den Anfangstagen bis zu Eurem Debut schien das Line-up ein perfekt harmonierendes gewesen zu sein. Weshalb ist denn nun zu Umbesetzungen gekommen?
Oh nein, da trügt der Schein etwas! Bereits zu unseren Demotagen gab es immer wieder interne Probleme. Wir hatten ja sogar zwischenzeitlich eine Auszeit von fast zwei Jahren zu verzeichnen. 2003 fanden wir uns etwas gereifter wieder und begannen, an unserem Debut zu arbeiten. Eigentlich fing es zu der Zeit erst richtig an. Leider holte uns die Vergangenheit aber schnell wieder ein, denn bereits kurz nach den Aufnahmen von »Incoming Destiny« hat uns Kai Lohwasser mit seinem Ausstieg vertraut gemacht. Aber er entschloß sich, nach diversen Drummerpleiten, zumindest solange bei uns zu bleiben, bis wir einen vernünftigen Ersatz gefunden hatten. Vom Ausstieg unseres Bassisten und Sängers Lennart Vocke war ich dann jedoch schon etwas überrascht, da er in den Anfangstagen eine der Motivationsmaschinen schlechthin war!
Doch mit der Zeit hat man einfach gemerkt, daß SPELLBOUND doch nicht wirklich sein Ding war. Er hat sich verändert, bekam andere Interessen und so war es nur eine Frage der Zeit, bis er das Handtuch schmeißen würde. Aber letztendlich hätte es für uns nicht besser laufen können, denn inzwischen haben wir mit Andy Flache (d) und Hannes Jäger (b) die stärkste Besetzung von SPELLBOUND am Start, die wir jemals hatten. Wir ziehen alles sehr konsequent durch und das mit viel Spaß, Motivation und auch der notwendigen Professionalität. Kein Vergleich zu unseren Anfängen!
Inwiefern haben diese Wechsel das Songwriting beeinflußt?
Gar nicht! Das Songwriting lag schon eh und je vorzugsweise in meinen Händen. Wenn einer noch daran beteiligt war, dann Daniel (Tschoepe, ebenfalls Gitarre - ws). Außerdem war das Material von »Nemesis 2665« zu gut 70 Prozent fertig geschrieben, als Andy in die Band kam. Hannes kam überhaupt erst nach den Aufnahmen dazu. Den Baß auf dem Album habe ich sogar noch selbst eingespielt. Trotzdem ist klar, daß jedes Bandmitglied seine eigene Note mit einbringt und deshalb klingen SPELLBOUND heute als Gesamtheit etwas anders, was man auf jeden Fall hören kann. Ich möchte zwar niemanden an den Karren fahren, aber Andy und Hannes sind ganz klar die besseren Musiker als ihre Vorgänger.
Wie darf man sich das Songwriting bei Euch generell vorstellen? Im Sinne von "traditionellen" Bands, die sich ein- oder gar mehrmals die Woche im Proberaum treffen, um dort eventuelle Songideen gemeinsam anzutesten, oder doch "modern", indem jeder in seinem Wohnzimmer sitzt und per Mail seine aufgenommenen mp3-Dateien durch die Weltgeschichte flitzen läßt?
Als eine Mischung aus beiden Versionen, würde ich sagen. Meistens schreibe ich die Songs zu Hause, treffe mich aber dann mit Daniel im Proberaum, um diese Ideen gemeinsam auszuarbeiten. Entweder wir nehmen dann ein erstes Demo auf, um es den anderen zu präsentieren, oder aber wir arbeiten es überhaupt gleich zusammen aus. Manchmal entstehen auch beim Jammen ganz coole Sachen. Ein festes Rezept gibt es da aber nicht. Die Energie muß stimmen, das ist das Wichtigste.
Was verbirgt sich hinter dem Titel »Nemesis 2665«?
Es steht als Synonym für Endzeit. Die totale Vernichtung jeglicher Form Lebens auf diesem Planeten in Form eines alles zerstörenden letzten Krieges im Jahre 2665. Die Story ist ziemlich abgefahren und für viele wohl nur Science Fiction, aber es gibt darin tatsächlich Aspekte, die der Wirklichkeit leider sehr nahekommen.
Auffällig an »Nemesis 2665« ist, daß ein Großteil der Songs trotz aller Heftigkeit, durch prägnante Melodien das Zeug zu Hits hat. War denn das Songwriting dahingehend ausgelegt? Ich behaupte einmal, es liegt einfach daran, daß Ihr mittlerweile kompositorisch gereift seid und gar nicht mehr anders könnt.
[lacht] Danke, vielen Dank! Natürlich versuchen wir, uns stetig weiterzuentwickeln, um immer besser zu werden, hatten aber keinen bestimmten "Masterplan" oder so. Weiterentwicklung ist für einen Musiker etwas sehr Wichtiges, auch wenn viele Fans mit den Zähnen knirschen, wenn sie so etwas hören. Es gibt aber natürlich einen bestimmten Rahmen, in dem wir bleiben möchten. Von SPELLBOUND wird es immer nur Heavy Metal geben, das kann ich versprechen.
Das bezweifle ich keineswegs. Die stilistische Bandbreite ist aber offensichtlich ein wenig breiter geworden. Sind eigentlich auch Eure Erwartungen gestiegen, um mit »Nemesis 2665« erfolgreicher zu sein als mit dem Debut?
Natürlich wollen wir erfolgreich sein! Es gibt doch für eine Band nichts Schöneres, als zu sehen, daß die Musik nicht nur Kritikern, sondern sehr wohl auch den Fans gefällt und man so viele Menschen wie möglich damit erreicht, oder? Aber man sollte das nicht falsch interpretieren. Wir würden nie unseren Sound danach auslegen! Sonst würden wir wohl auch kaum Thrash Metal spielen. Wir machen exakt das, was uns gefällt und von dem wir denken, daß es geil ist. Wir stehen zu 100 Prozent hinter dem, was wir tun. Daraus entsteht ja erst die notwendige Energie.
Besteht in irgendeiner Form ein Zusammenhang einzelner Songs auf »Nemesis 2665«?
Das könnte man tatsächlich so sehen. Aber jeder Song steht für sich, und das Album ist definitiv kein echtes Konzeptalbum. Schon für »Incoming Destiny« ist es mir gelungen, Songs zu einen Themenbereich zu schreiben. Damals hatten wir mit dem Titeltrack, ›Arrival Of The Gods‹ und ›The Human Race‹ allerdings tatsächlich eine zusammenhängende Story komponiert, was nunmehr nicht der Fall ist.
Die Texte von »Nemesis 2665« verfügen jedoch über noch mehr Tiefe und Emotionen. Ich habe dazu versucht herauszufinden, das Verhalten von Menschen zu eruieren. Dazu mußte ich in den schwärzesten und tiefsten Ecken der menschlichen Seele wühlen und die Antwort war mitunter nicht gerade leicht zu verdauen. Im direkten Blickwinkel kann man dann nämlich feststellen, daß es keinen Weg mehr aus der "Nemesis" gibt, was auch von einigen momentan aktuellen Theorien bestätigt wird.
Das Thema Texte war und ist bei Euch offenbar sehr wichtig. Was verhilft Euch denn an Inspirationen zu Euren lyrischen Ergüssen?
Ich beschäftige mich schon seit meiner frühesten Jugend mit ähnlichen Themen wie auf der aktuellen Scheibe, bin aber dennoch alles andere als ein Pessimist. Es macht mir einfach Spaß, die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten als es die meisten Menschen tun, die nichts außer ihrer Arbeit und dem Fernseher kennen und auch gar nicht bemüht sind, etwaige Alternativen zu suchen. Ich will jedoch auch ganz bestimmt niemanden dafür kritisieren oder gar missionieren. So etwas käme mir nicht in den Sinn, aber jeder noch so große "Realist" wird wohl schon bemerkt haben, daß es ein paar Dinge gibt, die der Öffentlichkeit besser nicht zugänglich gemacht werden. Meine Ansichten sind für viele Menschen vielleicht etwas zu unrealistisch, was ich auch verstehe, aber "Realität" ist nun einmal Definitionssache und sehr eng mit persönlicher Erziehung und unserer Vorstellungskraft verknüpft. Soll heißen: Was man noch nie gesehen hat und man sich nicht vorstellen kann, ist nur schwer zu glauben. Ist aber auch logisch, denn wie hätten wohl die Menschen vor 2000 Jahren gedacht, wenn man ihnen vom Space Shuttle oder von einem Auto erzählt hätte?
Gut nachvollziehbar, vor allem weil beispielsweise die Story von den Heiligen Drei Königen, die dann etwa im VW Golf vorfahren, etwas Unterhaltsames hätte...
Jetzt aber wieder zurück zur Musik an sich. Stilistisch scheint Ihr von der "alten Schule" des Thrash Metal beeinflußt zu sein. Ich für meinen Teil würde sagen, daß man zwar auch Einflüsse aus dem moderneren Thrash hört, aber in erster Linie sind es Bands aus der Bay Area, die es Euch so richtig angetan haben.
Welche jener Bands müssen erwähnt werden, wenn man von Einflüssen spricht?
Ach, dieses Thema wieder. [lacht] Natürlich sind wir von den Bay Area-Helden beeinflußt (METALLICA, EXODUS, FORBIDDEN, TESTAMENT und so weiter...), aber auch von der deutschen Szene (KREATOR, SODOM, DESTRUCTION). Aber wie schon gesagt, wir wurden von diesen Formationen nur "beeinflußt". Das ist auch ganz klar, weil wir diese Bands nun mal lieben! Aber diese ständigen Vergleiche mit den alten Heroen mißfällt mir irgendwie und tut auch der Szene nicht so gut, weil ich auch schon desöfteren von "abkupfern" und "Nix Neues" lesen mußte. Wer sich aber eingehender mit der Geschichte befaßt, wird jedoch feststellen, daß es dieses Kriterium ohnehin schon immer gab. Die "alten" Fans wollen oft von neuen Bands gar nichts wissen. Auch als METALLICA herausgekommen sind, wurde ihnen nachgesagt, sie würden wie VENOM oder DIAMOND HEAD klingen. Logisch, weil sie eben von jenen Bands beeinflußt wurden, was im Endeffekt auch wichtig für die Entwicklung war. Aber klingt »Kill 'em All« wirklich wie das »White Album« oder »Welcome To Hell«? Ich meine nein! Und genauso wenig finde ich, daß »Nemesis 2665« wie »Kill 'em All« klingt!
Unsere Absicht war, und das hast Du auch sehr gut erkannt, dieses "Old School Feeling" der damaligen Zeit mit einer modernen Spielweise zu koppeln. Natürlich machen wir dadurch nichts furchtbar Neues, aber das wollen wir auch gar nicht! Heutzutage gibt es nur noch wenig neue Thrash-Bands, die diesen Sound noch "traditionell" zocken, daß ich wirklich sehr froh bin, daß diese Szene wieder mehr an Bedeutung gewinnt. Zwischen 1985 und 1991 sind nun mal die besten Metal-Platten erschienen, da brauchen wir uns doch nix vormachen! [lacht]
Genau aus diesem Grund finde ich auch die EXODUS-Coverversion, die sehr gelungen ist und perfekt zur Scheibe paßt, geradezu als Fingerzeig in Richtung Eurer Einflüsse. War das so beabsichtigt?
Ja, natürlich! ›And Then There Were None‹ ist eines meiner Lieblingsstücke auf »Bonded by Blood«, wurde - zumindest meines Wissens nach - noch nie gecovert und paßt textlich exakt in das Schema von »Nemesis 2665«. Lange überlegen mußte ich da nicht. [lacht]
Wer hat das Cover entworfen, und wie kann man den Titel damit in Verbindung bringen?
Das Cover stammt von Kai Swillius (RECKLESS TIDE-Drummer - ws), der unter anderem bereits für METAL CHURCH, UFO, HOLY MOSES oder SAXON gearbeitet hat. Ich habe ihm erzählt, worum es geht und wie das Cover ungefähr aussehen sollte, und er machte sich fix an die Arbeit. Als ich das Endprodukt gesehen habe, war ich regelrecht erschrocken! Das Ergebnis sah genauso aus, wie es mir vorschwebte. Das war geradezu beängstigend...
Das Cover zeigt das "Regierungspräsidium" einer außerirdischen Rasse, welche die Welt nach langer Zeit wieder in ihren Besitz gebracht hat. Durch einen "allerletzten" Krieg sollen alle menschlichen Sporen auf dem Planeten beseitigt werden. Das geschieht mit dermaßen zerstörerischen Kräften, wie man sie sich heute nur schwer vorstellen kann. Der brennende Himmel über dem Gebäude symbolisiert die letzten Sekunden der menschlichen Rasse.
Bis dahin haben wir hoffentlich noch ein wenig Zeit, um uns an diesem Leben zu erfreuen. Sehr erfreut wären beispielsweise eure Fans, wenn man SPELLBOUND im Rahmen einer Tournee zu sehen bekommen würde. Gibt es schon Verhandlungen, um mit »Nemesis 2665« auf Tournee zu gehen, oder ist etwa sogar schon eine Tour spruchreif?
Wir wollen auf jeden Fall auf Tournee gehen. Momentan sind wir aber noch auf der Suche nach der "richtigen". Diesmal wollen wir alles richtig machen, und bevor wir irgendwas nehmen, warten wir lieber auf passende Möglichkeiten. Wir sind diesbezüglich aber sehr zuversichtlich und sobald etwas spruchreif sein sollte, lassen wir es auf jeden Fall auch gleich durchsickern.
Gibt es eine Region, in der SPELLBOUND bereits zu "Publikumsmagneten" geworden sind?
Noch nicht. Momentan schaffen wir es aber immerhin, uns auf unseren Einzelgigs eine beachtliche Fanbase zu erspielen. Es ist schön anzusehen wie diese wächst und dadurch immer mehr Leute zu den Gigs kommen. Wer uns einmal gesehen hat, wird bestimmt wiederkommen! Aber von SPELLBOUND als "Publikumsmagneten" sprechen, würde ich noch nicht. [lacht] Aber ich hoffe, daß es so weitergeht, und dann...
Irgendwelche Schlußkommentare, die Ihr noch loswerden wollt?
Wir möchten uns auf jeden Fall bei allen Fans bedanken, die uns unterstützen und »Nemesis 2665« für sich gewonnen haben. Laßt Euch von Quatsch wie "Der Metal ist tot" nicht beirren! In keiner anderen Musikrichtung gibt es so fantastische und treue Fans wie im Metalgenre. Wir waren in Wacken, auf dem "Bang Your Head!!!", dem "With Full Force", dem "Summer Breeze" und weiteren Festivals, haben uns mit Hunderten von Fans unterhalten und es leibhaftig erfahren: Heavy Metal ist unsterblich!
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