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Joel McIver
Extreme Metal - Das Lexikon der neuen Szene
( GROSSER + STEIN GmbH, ISBN: 978-3-86735-292-5 )

Extreme Metal" will das "Lexikon der neuen Szene" sein. Obgleich man vorab mal die Frage stellen muß, was eigentlich die "neue Szene" sein soll, wäre dies so oder so eine gigantische Aufgabe; eine Aufgabe, bei der dieses Buch komplett versagt!

Allein schon der zierliche Umfang mit weniger als 200 Seiten macht stutzig und kann nicht gerade den Anspruch stützen, das allumfassende Nachschlagwerk der seit mittlerweile mehr als zwanzig Jahren stark florierenden Extremszene zu sein.

Und dementsprechend peinlich geht es dann auch schon los, indem die L.A.-Thrasher ABATTOIR als "Abbatoir" bezeichnet werden. Nö, mein lieber Joel McIver: ABBA waren eine - zweifelsohne begnadete - Popgruppe aus Schweden, aber Tore haben sie nur recht selten geschossen, während die Formation um Steve Gaines, Mel Sanchez oder Juan Garcia vielmehr das englische Wort für "Schlachthof" im Sinn hatte, als sie nach einem Bandnamen suchte...

Anyway - dies könnte theoretisch ein kleiner Flüchtigkeitsfehler sein, über den man hinwegsehen könnte, doch im Falle von "Extreme Metal" ist es vielmehr ein ungutes Omen, das die Machart des gesamten Buches erkennen läßt: Ausgefallene oder obskure Bands sucht man vergebens und der vorgestellte "Mainstream" wird in Form von oberflächlichen Blabla-Texten abgehandelt. Ich, der ich mich wahrlich nicht als eingefleischter Insider dieser Szene bezeichnen kann, habe kaum eine einzige Information entdeckt, die mir zuvor nicht bekannt gewesen wäre. Allerdings sind mir aus dem Stehgreif bei nahezu jeder Band einige essentielle Details eingefallen, die schlicht gefehlt hatten. Ein Lexikon, das per definitionem Spezialwissen vermitteln will, ist irgendwie etwas anderes... Komplette Besetzungslisten (vielleicht sogar inklusive der Nennung ehemaliger Musiker..?) oder eine Discographie hat Joel McIver sich ebenfalls gespart und stattdessen lediglich ein "empfohlenes Album" aufgeführt.

Stattdessen gibt es in "Extreme Metal" Fehler, Fragwürdiges oder Ungenauigkeiten en masse. Diesbezüglich seien lediglich drei Beispiele angeführt: So wird der Eintrag zu NIGHTRAGE damit beendet, daß die Band 2005 eine Platte namens »Descend Into Chaos« veröffentlicht hat. Somit ist dieser Eintrag völlig überholt und läßt die letzten beiden Jahren, in denen eine komplette Umwälzung des Line-ups stattfand und eine weitere Platte erschien, unter den Tisch fallen. Oder aber wenn eine Band wie ATROPHY mit zwölf Zeilen abgespeist wird, deren großes Resümee lautet, daß die Band "nicht das Zeug dazu hatte, sich über eine Schar von Möchtegern-Hetfields hinauszuheben", dann weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Man kann eine solch hirnrissige Aussage allerdings ganz klar als Bankotterklärung für ein solches Buch werten! Derweil werden SUSPERIA als Black Metal-Truppe tituliert; daß die Band mittlerweile auf TESTAMENT-lastigen Thrash umgeschwenkt hat, wird schlicht und ergreifend nicht erwähnt. Das mag vielleicht einfach daran liegen, daß "Extreme Metal" SUSPERIA gerade mal zwei Plattenveröffentlichungen zuschreibt; in Wirklichkeit haben die Norweger mittlerweile vier Alben und eine EP veröffentlicht. Tja, akribische Recherche hat bei "Extreme Metal" offensichtlich nicht stattgefunden...

Der fehlende Bildindex mit Photocredits ist das Tüpfelchen auf dem schludrigen "i", denn es wurden einige landläufig bekannte Photos verwendet (beispielsweise IN FLAMES von Patric Ulleaus, EXODUS von Friso Gentsch, SHADOWS FALL von Justin Borucki, TIAMAT von Katja Kuhl oder SODOM vom ehemaligen METAL HAMMER- und heutigen HEAVY-Mitarbeiter Manni Eisenblätter), doch die entsprechenden Photographen werden für ihre Arbeit nicht gewürdigt.

Eine Schande, daß für diese Schlamperei Bäume sterben mußten, und daß früher oder später Unwissende - durch den Titel angelockt - zu diesem Buch greifen werden (was spätestens bei einem der mittlerweile unzähligen Druckwerk-Verramscher geschehen wird, wo dieser - faule - Schinken schon bald landen wird) und anschließend meinen, sie wüßten über eine Szene Bescheid, die so vielschichtig ist, daß man sie ohnehin nicht in einem Buch erschlagen kann. Dies beweist das mit zweieinhalbfachem Umfang und etwa zehnmillionenfachem Gehalt versehene Buch "Swedish Death Metal" von Daniel Ekeroth, der sich dabei nur dem Death Metal in seinem Heimatland widmet.

Bedenkt man, daß Joel McIver bereits im Jahr 2000 die Erstausgabe dieses Buches veröffentlicht hat und sieben Jahre später nicht mehr zu bieten hat, dann ist dieses substanzlose, lückenhafte und mit Fehlern durchsetzte Machwerk rundum ärgerlich. Finger weg von diesem Müll!


Stefan Glas

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