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Movie

Die Welle



CONSTANTIN FILM

DVD



Stefan Glas


April 1967. Der Geschichtslehrer Ron Jones führt an der Cubberley High School im kalifornischen Palo Alto ein Sozialexperiment durch, das unter dem Namen "The Third Wave" bekannt werden soll: Die Schüler seiner Klasse hatten gesagt, daß Vorgänge wie in Nazideutschland bei ihnen nicht vorkommen könnten, woraufhin Jones die Schüler als The Third Wave organisiert, eine Gruppe mit klarer hierarchischer Struktur und verbindlichen Verhaltensregeln, mit strenger Disziplin und weitreichenden Kontrollmechanismen. Ursprünglich nur für einen Tag geplant, läuft das Experiment letztendlich fünf Tage, bis Jones es abbricht. Entsetzt dadurch wie einfach sich die Schüler unterordnen und manipulieren lassen, ruft er eine Schulversammlung ein und macht den Mitgliedern der Third Wave bewußt, wie sehr sie innerhalb kürzester Zeit die Verhaltensmuster angenommen hatten, die auch bei den Jugendorganisationen im Dritten Reich gang und gäbe waren.

1972 verfaßt Ron Jones über die gemachten Erfahrungen einen kurzen Artikel namens "The Third Wave", den er Jahre später zu einem Buch erweitert, der den Titel "No Substitute For Madness: A Teacher, His Kids, And The Lessons Of Real Life" trägt.

1981 entsteht unter der Regie von Alex Grasshoff ein 42-minütiger Film für das US-Fernsehen namens "The Wave", und im gleichen Jahr verarbeitet Morton Rhue das Drehbuch zum gleichnamigen Roman. "Die Welle" hat seither sowohl als Film und als Roman häufig Verwendung als Unterrichtsstoff gefunden.

2008 wird "Die Welle" neu verfilmt: Regisseur Dennis Gansel, der zusammen mit Peter Thorwarth auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, verlegt die Handlung nach Deutschland, paßt sie den hiesigen und heutigen Begebenheiten an, macht die Problemfelder vielschichtiger.

Rainer Wenger (überragend: Jürgen Vogel) ist kein typischer Lehrer: Früher war er Mitglied der Hausbesetzerszene, und heute steht er mit RAMONES-Shirt vor seiner Klasse. Daher fühlt er sich für die kommende Projektwoche zum Thema Staatsformen als prädestinierten Kandidaten, um sich der Anarchie zu widmen, doch ein Kollege schnappt ihm dieses Thema weg, so daß er sich notgedrungen um den Themenkomplex Autokratie kümmern muß. Als seine Schüler überdeutlich signalisieren, daß sie keinen Bock haben, nochmal das Thema Nationalsozialismus durchzukauen, da Deutschland mittlerweile zu aufgeklärt sei, um erneut das Aufkommen einer Diktatur zulassen zu können, ruft er "Die Welle" ins Leben, eine Gruppe bestehend aus den Schülern seines Kurses mit ihm selbst als Leitfigur, die sich durch eine eigene Uniform, eigene Verhaltensregeln, ein eigenes Logo, und zudem durch eine eigene Online-Präsenz und eine eigene MySpace-Seite von anderen abgrenzt. Schnell schwappt das unter "Laborbedingungen" eingeführte Experiment allerdings über den Rand des Reagenzglases und eskaliert, so daß sich "Die Welle" auch der Kontrolle des Anführers Rainer Wenger entzieht, der sich nun sehr wohl wie Goethes Zauberlehrling fühlen darf ("Die Geister, die ich rief")...

"Die Welle" ist ein hochintelligenter, exzellent gespielter, tiefgründiger Film, der sich beispielsweise in Form der "Welle"-Slogans "Macht durch Disziplin" oder "Macht durch Gemeinschaft" sehr bewußt der Ideologie der Nazis annähert, um den Bezug zur Geschichte Deutschlands herzustellen. Auch wenn mittlerweile fast ausschließlich noch Menschen leben, die die Zeit des Dritten Reiches als Kinder miterlebt hatten, und wir später geborenen Generationen immer gerne darauf verweisen, daß wir uns nicht für etwas verantwortlich fühlen können, das vor unserer Geburt passiert ist, mahnt ein Film wie "Die Welle", nie mit der Achtsamkeit nachzulassen, so daß extremes Gedankengut nicht überhandnehmen kann - ganz gleich aus welcher politischen Richtung es auch stammen mag. Auf daß nicht eines Tages die schon so oft wahrgewordenen Worte von Altbundespräsident Richard von Weizsäcker, "Das einzige, was wir aus der Geschichte lernen können, ist daß wir nichts aus der Geschichte gelernt haben", auch in dieser Hinsicht Realität werden mögen.

Um dieses Review nicht allzu ernst ausklingen zu lassen, sei erwähnt, daß "Die Welle" auch in musikalischer Hinsicht das ein oder andere Schmankerl zu bieten hat: Die Nachwuchsrocker EL*KE covern ›Rock'n Roll Highschool‹ von den RAMONES, und die Garagerocker THE SUBWAYS, die Punkrocker THE HIVES sowie die Berliner Rocker EMPTY TRASH lassen es ebenfalls krachen. Kurz: Ein Film, den man gesehen und gehört haben muß!

http://www.welle.film.de/

 
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