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Noch zu retten?

Frankfurt, Festhalle, 28. Mai 2011. IRON MAIDEN gastieren in der hessischen Landeshauptstadt und ziehen nicht nur zahllose Metaller sowie die bekannten "Begleiterscheinungen" wie fliegende Getränkeverkäufer oder - etwas aktueller - Schwadronen von bestens organisierten Pfandmardern an, sondern auch ein Grüppchen von Zeitgenossen, das sich berufen fühlt, die Seelen derer zu retten, die in die Fänge der abgrundtief bösen Dämonen mit Namen Dickinson (der muß einfach besessen sein, wenn man ihn so über die Bühne rennen und fliegen sieht...) bis Gers (der hampelt bestimmt so mit seiner Gitarre rum, weil sie direkt aus der Hölle stammt und so sehr glüht, daß er sie immer nur für Sekundenbruchteile anfassen kann...) geraten sind.

Heuer hat die nichtnautische SOS-Mannschaft ein Büchlein namens "Rock im Sarg" im Anschlag und bewirft alle gen ihre im Hades befindlichen Heimstätten strömenden Konzertbesucher mit dem Druckwerk, bis ihnen die Munition ausgeht. Es war sicher nicht die erste Begegnung der seelenrettenden Art (bei SLAYER gab's vor Jahren mal Erkenntnisse zum Thema Terror abzustauben; die allergrößten sind allerdings AC/DC, die sogar ihr eigenes SOS-Büchlein mit dem Titel "AC/DC - In Rock We Trust" auf den Leib geschrieben bekamen), und man muß neidlos zugeben, daß diese Seelenfänger-Gilde mit ausschließlich lauteren Absichten eine Menge dazugelernt hat: Ihre steinzeitlichen Vorgänger aus den Achtzigern wetterten los, daß sich die Balken bogen, und geilten sich an absurden Theorien von unterschwelligen Botschaften durch rückwärts gespielte Passagen auf, daß jeder halbwegs klar denkende Mensch nur die Wahl zwischen ungläubigem Staunen oder hysterischem Gelächter ob dieses hanebüchenen Unsinns blieb. Nein, der Zeigefinger, der mal predigte und dann ermahnte, bleibt heute im Talar. Stattdessen - um mal besagtes "Rock im Sarg" als Beispiel anzuführen - werden die einzelnen Kapitel mit der meist relativ gut recherchierten und weitgehend fehlerfreien Lebensgeschichte (Wikipedia macht's möglich...) des betreffenden Stars, der da "einen gutaussehenden Körper hinterlassen hat", eröffnet, wobei man sich dabei wie die Katze um den heißen Brei kreisend immer mehr dem Dilemma, das man im Leben dieses Menschen gefunden zu haben meint, nähert - um dann von diesem Sprungbrett auf irgendwelche christliche Botschaften umzuschwenken (die beim Rückwärtslesen bestimmt die Aussage zutage fördert, wie dieser tödliche Ausgang mit etwas SOS-Power hätte angewendet werden können...) Fast so bewundernswert wie die jene Ausgabe vom "Wachturm", den Zentralorgan der Zeugen Jehovas, wo auch der ausgebuffteste Journalist noch eine ganze Menge über das Thema Wortkosmetik hätte lernen können.

Aber eben nur fast - denn der ebenso peinliche wie entlarvende Fehler von Seite 97 in "Rock im Sarg" wäre den "Wachturm"-Machern ebenso wenig unterlaufen, wie WATCHTOWER jemals einen ihrer verteufelt komplizierten Breaks versemmelt haben. Der verwirrte Leser erspäht nämlich im Kapitel, das sich um John Lennon dreht, den Passus "John wird gelockt, verführt und betrogen von Cannabis, LSD und am schlimmsten von Heroin", woraufhin unvermittelt die Anmerkung folgt: "(todo: war der satz zu schnell? evtl. einfühlsamer darstellen, dass er ein hilfloser betrogener ist?)" Da braucht man gewiß nicht zu viel Hirnschmalz, um zu erkennen, daß dies eine Markierung des Autors ist, die er beim endgültigen Zurechtfeilen des Beitrags noch in Betracht ziehen und verarbeiten wollte. Oder aber er wendet sich hier an seinen "Nachleser", der diese Entscheidung treffen soll, um dann den Satz entsprechend umzuformulieren. Dieser kleine Fauxpas offenbart natürlich endgültig das, was uns schon längst klar war: Dem ungemorsten SOS-Team geht es nur um die Manipulation derer, die unvorsichtig genug waren, dieses Machwerk aufzuschlagen - und diese Mission will man natürlich so behutsam wie möglich umsetzen, so daß der Leser möglichst nicht merkt, welches Spiel gerade mit ihm getrieben wird. Immerhin: In der momentanen PDF-Version, die man von der SOS-Homepage runterladen kann, hat man diesen Fehler (der sich nun auf Seite 17 befindet, da die Reihenfolge der Artikel verändert wurde) bereinigt - und siehe da, besagter Satz vor dieser Anmerkung ist verschwunden, und man hat den nachfolgenden Part ein wenig abgewandelt. Es war also anscheinend in der Tat ein "missionsgefährdenter" Satz gewesen...

Doch eine andere Sache ist den "kurz, kurz, kurz, lang, lang, lang, kurz, kurz, kurz"-freien SOS-Schergen völlig entgangen. Und dabei sollte sie nur einen Tag später am gleichen Ort über die Bühne gehen: Da waren nämlich RUSH in der Festhalle zu Gast, und anschließend war kein einziger Seelenretter zu erspähen. Dabei sind RUSH wahre Götter, die erwartungsgemäß an diesem Abend ein himmlisches Event auf die Bühne zauberten. Und das ist wahre Blasphemie, denn es heißt doch "Du sollst neben mir keine anderen Götter haben". Eine ausverkaufte Halle voll mit RUSH-Anhängern - da hätten die seelenrettenden Damen und Herren doch alle Hände voll zu tun gehabt, oder..?

The Rettungsboot of Rock!

Stefan Glas

P.S.: Unser sommerliches Cover schmückt als Kontrapunkt ein eher düsteres Werk der Französin Alexandra V. Bach namens "My Gift Of Silence", das übrigens vom gleichnamigen Song von BLACKFIELD inspiriert wurde. Auf Alexandras Homepage könnt Ihr weitere Werke begutachten, die unter anderem schon Bands wie KAMELOT, ALKEMYST, OPERATIKA oder AGADIO als Cover gedient haben.

 
 
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