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  UE-Home → History → Online Empire 21 → Interview-Übersicht → Doro-Interview last update: 18.03.2024, 21:42:28  

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Anno 1984 erscheint von der Düsseldorfer Newcomerband WARLOCK eine Platte namens »Burning The Witches« und ein Teenager namens Stefan Glas verliebt sich auf der Stelle unsterblich in deren blonde Frontfee Doro Pesch.
20 Jahre später sitzen sich die beiden gegenüber und ihr Talk geht über mehrere Runden: Immerhin hat Doro gerade ihr schon länger angedachtes Klassikprojekt »Classic Diamonds« vollendet, unter denen sich auch einige Schätze aus der Vergangenheit befinden, die in neuem Glanz erstrahlen und für eine Menge Gesprächsstoff sorgten.

Es haben schon etliche Bands mit Klassikorchestern mehr oder minder erfolgreich zusammengearbeitet. In Deinem Fall war es allerdings ein langer Weg dahin.

Auf der "Fight"-Tour sprach mich Thorsten Sickert, der Manager der Bochumer Konzerthalle "Zeche", und ein Kollege an, daß sie eine besondere Idee hätten, die sie gerne mit mir umsetzen würden: Sie wollten ein Benefizkonzert für Tiere in Not veranstalten, bei dem bekannte Musiker Metalklassiker zusammen mit einem Orchester spielen würden. Ich fand die Idee super, da ich sehr tierlieb bin und selbst einen Papagei besitze, der übrigens Englisch und Deutsch reden kann - zumindest wenn er Lust hat... Auf jeden Fall sagte ich meine Teilnahme bei diesem Benefizkonzert zu. Bei unserer ersten Probe für die Show entstand schon das Arrangement für ›All We Are‹ und ›I Rule The Ruins‹. Einen Tag später spielten wir das Konzert in der Bochumer "Zeche", das mir irre gut gefallen hat. Es ist unbeschreiblich wie die Fans bei diesem Konzert abgegangen sind! Es war eine superstarke Stimmung - fast besser wie ein normales Konzert. Im Vorfeld hatte ich Bedenken, daß die Orchestermusiker abgehoben oder stockkonservativ sein würden. Doch das völlige Gegenteil war der Fall: Das "Classic Night Orchestra" besteht aus jungen Menschen aus der ganzen Welt, die sich sehr gut auch mit Metal identifizieren konnten und wir verstanden uns supergut. Auf jeden Fall sind Teile der Show in Bootlegqualität auch auf der letzten Doro-DVD »Für immer« zu sehen.
Da wir solch' tolles Feedback von den Fans bekamen, spielten wir im April diesen Jahres zwei komplette Klassikshows, wieder in der Bochumer Zeche sowie in Holland. Auch hier war die Stimmung super. Ich glaube, es waren mehr Kuttenträger anwesend und es wurde mehr gebangt als bei einem normalen Heavykonzert.
Das hat mich dann letzten Endes davon überzeugt, daß wir wirklich eine solche Platte machen sollte. Zunächst dachte ich, daß alles in zwei bis drei Monaten zu bewerkstelligen sei, doch mittlerweile dauert es schon sieben Monate und es ist immer noch nicht alles fertig. Aber es ist eine einmalige Sache, die ich natürlich richtig machen möchte. Ich ging also gewissermaßen mit einem Cello schwanger.

Ein Teil der Aufnahmen habt Ihr im Studio des ehemaligen BAP-Gitarristen Klaus Heuser vorgenommen. Wie seid Ihr dort gelandet?

Die Orchesteraufnahmen fanden im "Studio 301", das früher mal "Studio N" hieß, einem riesigen Studio in Köln, statt und der dortige Tontechniker Thorsten Rentsch hat schon öfter im Studio von Klaus gearbeitet. Daher hat er uns vorgeschlagen, mal bei Klaus anzufragen. Ich bin sehr froh, daß er zugesagt hat, da mir die Atmosphäre in seinem Studio super gefallen hat: Eine solche Kombination aus High-End-Technik und gemütlichem Flair habe ich noch nie zuvor erlebt. Bei früheren Aufnahmen hatte ich immer das Bedürfnis, aus dem Studio zu flüchten, weil ich mich einfach unwohl fühlte, doch im Studio von Klaus konnte ich ohne Ermüdungserscheinungen 20 Stunden am Stück singen.

Es ist auffällig, daß die klassischen Arrangements sehr unterschiedlich ausgefallen sind. Mal sind die klassischen Instrumente sehr dominant, mal sehr dezent und gelegentlich mutet es für mich eher soundtrackmäßig an.

Das mag daran liegen, daß drei verschiedene Personen die Songs arrangiert haben: Einer war unser Keyboarder und -Gitarrist Oliver Palotai. Er ist studierter Musiker und bislang konnte er seine Fähigkeiten nicht wirklich bei uns einbringen. Daher hat es mich gefreut, daß er bei »Classic Diamonds« zum Zug kommen konnte, vor allem weil er mich sehr gut kennt und daher die Zusammenarbeit sehr einfach war. Außerdem haben Thorsten Sickert, der wie erwähnt den Stein ins Rollen gebracht hat und letztendlich der Produzent der Platte wurde, sowie Arndt Böhme, der Dirigent des "Classic Night Orchestras" mitgearbeitet. Da beide ehemalige Kuttenträger und Headbanger sind, fanden wir auch schnell eine gemeinsame Linie. Alle drei haben von den Songs kleine Demos gemacht, die sie mir vorgespielt haben, so daß ich dann meine Vorstellungen einbringen konnte. So entstand das komplette Konzept für die jeweiligen Songs, die wir dann mit dem Orchester umgesetzt haben.

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»Classic Diamonds« bedeutet für Dich auch einen Trip zurück in Deine Jugend. War es schwierig, Songs wie ›All We Are‹ anzurühren, die für Deine Fans in den Plattenversionen quasi in Stein gemauert sind und neue Versionen zu erschaffen?

Im Gegenteil: Es hat mir viel Spaß gemacht, denn einige Songs wie beispielsweise ›Metal Tango‹ sind richtiggehend gewachsen. Außerdem war es klasse, mit einem ganzen Orchester an den Songs zu arbeiten und nicht nur mit einem kleinen Keyboard. Unterm Strich hat es eine Menge Spaß gemacht und ich denke, das hört man auf der Platte. Einige Vorgehensweisen haben wir allerdings beibehalten: Als wir damals ›All We Are‹ aufgenommen hatten, haben wir unsere ganzen Kumpel ins Studio geschleppt, um den Chor einzusingen, und erst dann hat der Song richtig geknallt. Also haben wir auch diesmal mit einem möglichst großen Chor für ›All We Are‹ gearbeitet.

Konntest Du also befreiter an die alten Songs rangehen als damals bei den ersten Aufnahmen?

Nicht wirklich, denn es waren einfach völlig andere Versionen der Songs und ich wollte es so gut wie möglich machen, damit es den Fans gefällt. Wir haben die ganze Sache sehr ernstgenommen; so sehr daß wir im Nachhinein sogar einige Orchesterparts nochmal neu eingespielt hatten und es war keine einfache Sache, nochmal 40 Musiker ins Studio zu zitieren. Für mich ist jede neue Platte superwichtig und wenn ich unzufrieden mit etwas bin, dann finde ich nachts keine Ruhe und kann nicht schlafen. Eine Platte zu machen ist immer eine Mischung aus Euphorie und Qual; wie eine kleine Geburt.

Als WARLOCK-Fan der ersten Stunde war ich enttäuscht, daß sich keine ganz alten WARLOCK-Stücke auf der Platte befinden.

Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen ›I Rule The Ruins‹, ›All We Are‹ und ›Für immer‹ standen von vorneherein fest, weil wir sie für das damalige Event schon arrangiert hatten. Folglich waren nur noch neun Plätze offen. Außerdem muß man bedenken, daß sich sicherlich nicht jeder Song für eine Klassikumsetzung anbietet und ich konnte mir Songs wie ›Metal Racer‹ oder ›Signs Of Satan‹ in einer solchen Verpackung absolut nicht vorstellen. Ich glaube, daß ›Burning The Witches‹ hätte funktionieren können. Allerdings hat Rudy Graf diese Nummer geschrieben und manchmal muß man sich Genehmigungen einholen, wenn man Songs umarrangiert, so daß ich beschlossen hatte, nur Songs zu verwenden, die ich selbst geschrieben habe.

Letztendlich hat sich die Entscheidung als richtig erwiesen, da besagter Rudy Graf just einige Schwierigkeiten verursacht hat: Er versuchte mittels einer einstweiligen Verfügung den WARLOCK-Gig in Wacken verbieten zu lassen. Seine Begründung: Er habe WARLOCK gegründet und noch vor drei Jahren, eine neue WARLOCK-CD veröffentlicht - die allerdings außer ihm wohl noch niemand zu Gesicht bekommen hat...
Doch zurück zur aktuellen Platte: Doro, wie hast Du die endgültige Songauswahl vorgenommen?

Vieles geschah nach dem Lustprinzip: Wir haben etliche Songs ausprobiert und die meisten haben richtig Spaß gemacht. Wenn eine Nummer allerdings keinen Spaß gemacht hat, dann haben wir sie aus dem Programm gestrichen.
Außerdem wollte ich unbedingt meiner '98er Platte »Love Me In Black« Gerechtigkeit geschehen lassen: Ich hatte drei Jahre an der Platte gearbeitet und es war superenttäuschend, daß »Love Me In Black« fast nirgendwo erschienen war. Die Neunziger waren echt hart! Daher habe ich jetzt die Gelegenheit genutzt, um den Titeltrack und ›Tausend Mal gelebt‹ nochmal neu ins Rampenlicht zu stellen und sie einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Zudem war »Love Me In Black« ein wenig Industrial-angehaucht, was mir im Nachhinein nicht so sehr gefallen hat, so daß mir die Klassikvarianten viel besser gefallen.

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Es ist auffällig, daß Du viele balladeske Songs ausgewählt hast.

Ich habe einfach meine Lieblingssongs ausgewählt und ich mochte Balladen schon immer sehr. Nicht umsonst waren auf den letzten Doro-Alben »Calling The Wild« und »Fight« fünf beziehungsweise vier Balladen zu finden. Darüber hinaus klingen ruhige Stücke zusammen mit Orchester besonders schön.

Was »Classic Diamonds« von vergleichbaren Produkten unterscheidet, ist die Verwendung von Akustikgitarren, die eine ganz eigene Klangfarbe ins Spiel bringen. Wie kam es dazu?

Als ich zu Klaus ins Studio kam, um die Overdubs einzuspielen, hatte ich eigentlich im Sinn, daß wir mit Heavygitarren arbeiten würden. Doch wir mußten schnell feststellen, daß die E-Gitarren das Orchester nahezu komplett überdeckt und überflüssig gemacht hätten. Daher haben wir dann eher die Celli die Heavyparts übernehmen lassen, was einfach super klang und nicht weniger hart war. Daher haben wir auf Akustikgitarren umgesattelt, weil man sie am besten mit dem Orchester in Einklang bringen konnte.
Wir haben viel experimentiert und es war gewissermaßen ein "learning by doing", da wir Schritt für Schritt herausfinden mußten, was bei welchem Song am besten funktioniert. Ich bin froh, daß Klaus bei einigen Songs Gitarrenparts übernommen hat, da er wunderschön gefühlvoll spielt.
Unterm Strich haben mir gerade die spanischen Gitarren wie bei ›Undying‹ besonders gut gefallen, die man auf einer Heavyplatte niemals einsetzen würde. Außerdem habe ich mich richtiggehend in Celli verliebt, mit denen ich auch in Zukunft gerne auf meinen normalen Platten arbeiten würde.

 

Wie Doro im Gespräch schon erwähnt hat, fand ein Teil der Aufnahmen zu »Classic Diamonds« im Studio des ehemaligen BAP-Gitarristen Klaus "Major" Heuser statt, den wir ebenfalls vors Mikro baten.

Klaus, wie hast Du als Nicht-Metaller die Metal-Ikone Doro erlebt?

Sie war am Anfang sehr unsicher, ob sie denn das richtige tue. Doro redet unheimlich viel von ihren Fans und sie hat immer überlegt, was ihre Fans dazu sagen würden. Sie wollte zunächst unbedingt typische Metalgitarren auf der Platte haben, doch letzten Endes ließ sie sich umstimmen, hauptsächlich mit Akustikgitarren zu arbeiten und stattdessen die Gitarrenriffs beispielsweise von Celli spielen zu lassen. Genau das macht die Platte interessant: Man hört Heavymusik und kein einziges Heavyinstrument erklingt.

Außerdem hast Du auch einige Parts auf der Platte eingespielt.

Ich war natürlich immer im Studio anwesend und da ich selbst Musiker und Produzent bin, kann ich nun mal einfach besser Musik machen als Kaffee zu kochen. Ich kann mich vielleicht ein paar Tage zurückhalten, aber dann möchte ich mich einbringen, so daß es irgendwann fast so ist, als würde es sich um ein eigenes Produkt handeln.

Und so warst Du der Mann für die speziellen Fälle.

Ich habe bei ›Let Love Rain On Me‹ die Steel Guitar eingespielt. Außerdem habe ich bei ›Metal Tango‹ eine Mandoline beigesteuert, wovon Doro allerdings erst im Nachhinein etwas erfahren hat.
Wer nur auf einer E-Gitarre das Gitarrespielen gelernt hat, hat Probleme auf einer Akustikgitarre einen richtigen Ton rauszukriegen. Eine E-Gitarre ist viel einfacher zu spielen und wenn man dann noch einen Verzerrer anwirft, hört kein Mensch mehr, wenn man unsauber spielt. Ich mußte allerdings von meinen Eltern aus beides gleichzeitig lernen: Ich hatte Unterricht auf klassischer Gitarre und habe zusätzlich elektrische Gitarre gespielt.
Meine größten Vorbilder sind zwar Bluesgitarristen wie Eric Clapton, aber ich bin allen Stilrichtungen gegenüber offen und zudem ist mir Heavy Metal nicht fremd: Ich habe Platten von IRON MAIDEN und bin mit Eddie Van Halen aufgewachsen - gilt der schon als Heavygitarrist? Auch bei BAP gab es immer viele verzerrte Gitarren.

Wie kam es eigentlich dazu, daß Du Doro Tür und Tor zu Deinem Studio geöffnet hast?

Ich habe mir den Traum erfüllt, ein eigenes Studio zu haben. Natürlich mache ich hier nur, worauf ich wirklich Lust habe. Daher ist es mir vor allem wichtig, daß ich die Leute nett finde. Im Nachhinein hat sich meine Entscheidung als richtig erwiesen, denn das Projekt hat mir richtig Spaß gemacht.

Wir brauchen aber dennoch nicht damit zu rechnen, daß Deine nächste Platte ein reinrassiges Metalalbum wird?

Ganz so möchte ich es nicht formulieren: Ich selbst würde nie eine Metalplatte machen, denn zum Musikmachen gehört immer das Herz dazu, und das schlägt bei mir für andere Sachen. Ich nehme gerade meine Soloplatte auf, die englischsprachigen Rock enthalten wird und auf der man eine Berliner Sängerin hören wird, die ich zufällig kennengelernt habe und die mich total begeistert hat. Ich machte in der Vorbereitungsphase für die Platte die erschreckende Erfahrung, daß wir mittlerweile durch das, was wir tagtäglich eingetrichtert bekommen, ziemlich versaut sind: Ich habe jahrelang von Plattenfirmen gehört, wie meine Musik oder wie meine Produktionen klingen müssen, daß ich überhaupt nicht mehr wußte, was ich selbst gut finde. Ich mußte also wieder meine alten Lieblingsplatten und meine alten Aufnahmen rausholen, um zu erkennen, was mir selbst gefällt und wie demzufolge meine Soloplatte klingen soll.
Allerdings würde ich sehr gerne mal eine Metalband produzieren. Diese Band muß jedoch den Mut haben, alte Zöpfe abzuschneiden und neue Wege zu beschreiten.


Stefan Glas

 

Auf der Platte haben viele Musiker mitgewirkt, aber Du hattest auch einige "Metalpromis" als Gäste: Kai Hansen hat ein Solo beigesteuert, und ›Breaking The Law‹ singst Du im Duett mit Udo Dirkschneider. Davon gab es sogar eine Version, bei der Udo den balladesken Anfangsteil gesungen hat. Warum wird diese Version nicht auf die Platte kommen?

Udo hat gebeten, daß wir meinen Gesang für den Eröffnungsteil verwenden und ihn dann erst beim Duettpart ins Spiel bringen. Ich persönlich fand Udos Anfang toll, aber natürlich habe ich seinen Wunsch respektiert.
Mit Kais Beitrag gab es ein kleines Problem: Da sein Solo lange nach dem vereinbarten Termin noch nicht angekommen war, rief ich ihn an. Kai war völlig verwirrt: "Was soll das heißen, Du hast noch nichts bekommen? Und ich dachte, Du rufst an, weil Du mein Solo so toll findest." Auf jeden Fall ist sein Paket auf dem Postweg abhanden gekommen. Wir hoffen, daß es noch rechtzeitig ankommen wird, so daß wir es noch einbauen können, bevor die CD gepreßt werden muß.
Auf jeden Fall macht es immer eine Menge Spaß, mit anderen Musikern zusammenzuarbeiten, gerade wenn man sich wie im Falle von Udo schon so lange kennt.

Du betonst immer, wie wichtig Dir Deine Band ist, doch auf der anderen Seite sind auf Deinen Platten immer wieder viele andere Musiker zu hören. Gerade auf »Calling The Wild« hat Deine Band nur sehr wenig eingespielt. Auch auf »Classic Diamonds« ist sie kaum zum Zug gekommen. Warum dürfen Deine Jungs im Studio so wenig machen?

Du solltest nicht vergessen, daß wir »Fight« komplett als Band eingespielt haben. Bei »Classic Diamonds« lag ohnehin eine spezielle Situation vor, die ich schon erklärt habe, so daß nur Oliver voll involviert war. Das Songwriting mache ich zu einem gewissen Teil ohnehin alleine oder aber ich komponiere zusammen mit einem der beiden Gitarristen Joe oder Oliver. Die neue Einmarschhymne für Regina Halmich habe ich mit Nick geschrieben. Nick bietet sich ohnehin sehr viel an und bringt ständig neue Ideen, während Johnny überhaupt keine Songs schreibt.
Bei den Studioaufnahmen spielt natürlich auch die Kostenfrage ein Rolle. Wenn wir die komplette Band einfliegen und in Hotels einquartieren würden, dann würde das den Finanzrahmen sprengen. Andererseits ist Joe ohnehin nicht der Typ, der gerne monatelang im Studio rumhängt und jeden Tag stundenlang an etwas bastelt. Ihm macht es mehr Spaß, live loszulegen. Oliver hingegen hat dieses akribische Arbeiten bei »Classic Diamonds« sehr gelegen: Er ist sogar mit Thorsten Sickert zusammengezogen, so daß die beiden möglichst intensiv an der Platte arbeiten konnten.
Manche Sachen sind Bandangelegenheit, während ich andere Dinge teilweise alleine organisieren muß. Letztendlich muß ich immer so jonglieren, daß es alles funktioniert. Es ist auf jeden Fall wahnsinnig schwierig, die ganze DORO-Maschinerie am Laufen zu halten.

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Da die Klassikscheibe viel mehr Zeit verschlungen hat als ursprünglich geplant war, wird sich sicherlich auch die nächste "richtige" Doro-Scheibe verzögern. Hattest Du überhaupt Zeit, daran zu arbeiten?

Ich habe schon ein paar Songs komponiert und hatte sogar überlegt, die ein oder andere davon für »Classic Diamonds« zu verwenden. Doch ich glaube, es war gut, nur alte Stücke in der Klassikversion aufzubereiten und die neuen Nummern für die nächste Platte zurückzuhalten. Mit Sicherheit werde ich erst gegen Ende des Jahres die Zeit finden, um wieder an der nächsten Platte zu arbeiten. Selbige wird eine ganz reguläre Heavyplatte werden, denn »Classic Diamonds« wird ein einmaliges Projekt bleiben. Allerdings könnte ich mir durchaus vorstellen, daß ich einiges, was ich hierbei gelernt habe, einfließen lassen werde: Wenn es beispielweise zu einem Song paßt, würde ich gerne wieder mit Celli arbeiten, in die ich mich richtig verliebt habe. Diesbezüglich werde ich mich selbst überraschen lassen.

In Wacken fand eine Doro-Show mit Orchester statt. Wie wird im Vergleich dazu die Tour aussehen?

Das Orchester in Wacken umfaßte etwa 45 Musiker, während auf der Tour wahrscheinlich nur 30 Orchestermusiker dabeisein werden. Außerdem hatten wir natürlich etliche Gäste wie Udo Dirkschneider oder Blaze Bayley, was auf der Tour natürlich nicht der Fall sein kann. Ebenso hat die WARLOCK-Show nur in Wacken stattgefunden. Für die Tour suchen wir uns spezielle Venues aus wie beispielsweise alte Burgen oder Kirchen, so daß der äußere Rahmen paßt. Wir haben uns noch nicht entschieden, welches Orchester wir auf Tour mitnehmen werden, aber es sollte dem "Classic Night Orchestra" ähnlich sein: Die Musiker müssen richtig Bock auf dieses Projekt haben und nicht einfach nur ihren Job erledigen. Es müssen einfach Leute sein, die den Rock'n'Roll-Lifestyle verstehen, und - überspitzt formuliert - bereit sind, für ein besseres Taschengeld 20 Stunden am Tag zu arbeiten. Man darf nicht vergessen, daß die jeweiligen Veranstalter nicht viel mehr Geld lockermachen werden, als wenn wir nur mit der fünfköpfigen Band ankommen würden.

Flashback zu den ganz frühen WARLOCK-Tagen: Ich kann mich noch gut erinnern, daß Du nach »Burning The Witches« in einem Interview gesagt hattest, daß Du beginnen willst, Gitarre zu lernen, um selbst Songs komponieren zu können. Wie gut ist die Gitarristin Doro mittlerweile?

Ehrlich, hab' ich das gesagt? Na ja, über die Gitarristin Doro decken wir besser das Mäntelchen des Schweigens... Ich kann ein wenig Baß spielen, aber das Gitarrenlernen ist nie großartig in die Gänge gekommen. Ich kann Klavier spielen, so daß ich die Balladen am Klavier komponiere. Die meisten Ideen singe ich jedoch direkt auf einen Walkman.

Du hast lange Zeit in Amerika gelebt, doch mittlerweile dürfte Dein Hauptwirkungskreis wieder Deutschland beziehungsweise Europa sein. Wo fühlst Du Dich wohler?

Ich habe immer noch eine Greencard und deswegen muß ich mich mindestens sechs Monate in Amerika aufhalten, um die Karte nicht zu verlieren. Das ist natürlich extrem schwierig, weil es in Europa momentan so gut abgeht.
Ich habe sehr gerne in New York gewohnt, doch seit dem World Trade Center-Attentat hat sich alles geändert. Ich steige seither immer mit Bauchschmerzen in ein Flugzeug. Mein letzte Wohnung lag direkt gegenüber vom World Trade Center, doch ich bin mittlerweile nach New Jersey umgezogen. Doch ich bin sehr gerne in Europa, vor allem weil hier Länder hinzugekommen sind, in denen wir früher nie waren. Ich habe daher neue Freunde gefunden und habe das Gefühl, daß ich dort ein wenig zu Hause bin. So habe ich beispielsweise in der Tschechei eine Band namens SEVEN kennengelernt, mit der ich Songs geschrieben und aufgenommen habe.
Ich habe mich früher in Amerika immer befreit und glücklich gefühlt, was aufgrund des neuen politischen Klimas mittlerweile einfach nicht mehr der Fall ist.
Musikalisch ist in Amerika eher Nu Metal als traditionelle Klänge angesagt, aber dennoch können wir uns in dieser Hinsicht nicht beschweren: Wir waren gerade erst bei einem Festival in Cleveland, wo es super abgegangen ist. Auf jeden Fall freue ich mich darauf, daß wir höchstwahrscheinlich gegen Jahresende mit Alice Cooper in den USA touren werden.

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Auf PRO7 lief vor einiger Zeit die "Comeback Show", die Dich gerne als Kandidat gehabt hätten. Warum hattest Du Dich gegen eine Teilnahme entschieden?

Hast Du die Sendung gesehen? Ich kann nur sagen, daß ich heilfroh war, daß ich nicht mitgemacht habe. Es war grauenvoll: Da saßen irgendwelche kleine Pippi-Mädchen, die irgendwelche Sendungen moderierten, in der Jury und haben die Musiker runtergemacht. Da waren zwar kaum Künstler dabei, die mir persönlich gefallen haben, aber es waren doch immerhin Musiker, die irgendwann mal etwas erreicht hatten, und es war einfach entwürdigend wie mit ihnen umgesprungen wurde.
Ich hasse ohnehin große Teile des aktuellen Fernsehprogramms und stehe den Fernsehsendern sehr kritisch gegenüber, weil ich über die Jahre einige negative Erfahrungen gemacht habe: Ich wurde öfter in eine Sendung eingeladen und es wurde vorab abgesprochen, daß ich zu einem bestimmten Thema etwas sagen sollte. Als dann in der Sendung saß, ging es plötzlich um ein ganz anderes Thema. Kurz: Viele Fernsehsender versuchen mit allen nur erdenklichen Mitteln, daß die Zuschauer etwas geboten kriegen, was allerdings meist auf Kosten der Leute geht, die bei diesen Sendungen mitmachen.
Auf den ersten Blick schien das Konzept der PRO7-Sendung ganz interessant. Man wollte mich damit locken, daß es eine Musikshow sei und man zukünftig wieder mehr Musik ins Fernsehen bringen wolle. Das klang natürlich toll. Als ich jedoch ein wenig mehr über die "Comeback Show" gehört hatte, sagte ich als gebranntes Kind sofort ab. Dennoch hat sich die zuständige Dame am Telephon richtig ins Zeug gelegt, mich zu überzeugen: Ich könne vor einem Millionenpublikum singen, woraufhin ich nur entgegnete, daß mir mein Publikum lieb und teuer sei und ich kein anderes möchte. Dann fragte sie mich, ob ich nicht mal wieder einen Top 10-Hit haben möchte und ich sagte nur, daß ich bei dem nicht mitmachen wolle, was sich auf diesen Positionen tummelt. Wir haben fast eine Stunde telephoniert und irgendwann hat die Dame die Welt nicht mehr verstanden. Zum Schluß sagte ich ihr dann noch, daß ich nach wie vor Platten aufnehmen würde und regelmäßig touren würde, so daß ich wohl kaum in eine "Comeback Show" passen würde. Nur weil man nicht im Fernsehen oder Radio ist, ist man als Künstler ja lange noch nicht tot!

Trotzdem habt Ihr gerade zu ›Let Love Rain On Me‹ ein Video gedreht. Wie gut schätzt Du die Chancen ein, daß es wirklich laufen wird?

Im Ausland wird es mit Sicherheit gespielt werden, aber hierzulande kann man es wohl vergessen. Wir hatten schon zu WARLOCK-Zeiten so viele schöne Videos gedreht, die allenfalls mal nachts um 3 Uhr liefen. Ich glaube, lediglich Vanessa Warwick hat im "Headbangers Ball" zweimal eines unserer Videos gesendet. Überhaupt ist es interessant, wie sich bei den Sendern die Haltung zu Metalvideos verändert hat: Wenn wir früher einen Song im TV plazieren wollten, dann mußte es eine Ballade sein. Als wir nun für das aktuelle Video bei den Sendern vorgefühlt haben, kam die Antwort, daß es keinesfalls eine Ballade sein darf...

Du hast neulich ein weiteres Erlebnis in Sachen TV gemacht: Du bist beim "RTL Promi-Boxen" kurzfristig für Samantha Fox eingesprungen und hast gegen Michaela Schaffrath alias Gina Wild gekämpft. Und die einstige Porno-Queen hat nach Punkten gewonnen.

Wir waren damals auf Tour, kamen gerade von Rußland zurück und hatten noch etwa 50 Konzerte vor uns. Da erhielt ich einen Anruf von Daisy, die aus Düsseldorf stammt und mit der ich schon öfter zusammen trainiert hatte. Auf jeden Fall hatte sie Samantha Fox fürs "Promi-Boxen" trainiert und sie bat mich, an Sammys Stelle einzuspringen. Eigentlich wollte ich nicht, weil ich noch völlig fertig von der Tour war und die nächsten Dates schon anstanden, aber dann riefen mich im Stundentakt alle möglichen Leute an, um mich zu überreden, so daß ich mich umstimmen ließ - irgendwie paßte es gut zur "Fight"-Tour.
Doch im Nachhinein würde ich es garantiert nicht mehr machen. Man hatte zu mir gesagt, daß es ohnehin mehr Show als Ernst sei, was sich aber nicht bewahrheitete, denn einer der Boxer, Oliver Rudolph, mußte nach dem Kampf gleich mal mit gebrochener Nase ins Krankenhaus. Außerdem hatte ich den Eindruck, daß die Ringrichter doch eher Pornofans waren... Zumindest fand ich ihre Punktewertung unfair. Irgendwie wirkte es auf mich so, als sie damals schon geplant gewesen, Michaela als Moderatorin aufzubauen. Na ja - der eigentliche Kampf fand ohnehin nicht im Ring statt, sondern drehte sich darum, ob ich meine Haare auflassen darf oder nicht. Ich bestand darauf, daß ich die Haare auflasse und deswegen wurde stundenlang mit mir rumdiskutiert. Daher waren die Ringrichter ohnehin schon von Vorneherein von mir abgenervt...
Es war auf jeden Fall eine megastreßige Aktion, da wir am Tag zuvor unsere Show in der "Balver Cave"-Höhle für die DVD mitgeschnitten hatten. Dann mußte ich schon morgens um 8 Uhr ohne Schlaf an der Boxlocation erscheinen und nach dem Kampf ging es gleich weiter zum nächsten Konzert.

Hast Du Gina beziehungsweise Michaela auch persönlich kennengelernt oder habt Ihr nur die Fäuste gekreuzt?

Eigentlich nicht. Wir haben hinterher die Hände geschüttelt, aber Ihre Nase war angebrochen und ich glaube sie war etwas sauer auf mich. Auf jeden Fall hat quasi jeder "Promi" gesagt, der bislang teilgenommen hat und den ich getroffen habe, daß er nicht mehr teilnehmen würde. Ich bin zwar begeisterter Kampfsportfan und mache viele Sparringskämpfe, aber es war einfach eine komische Situation, weil man nicht zum Spaß gekämpft hat, weil es fürs Fernsehen stattfand und weil das Publikum entsprechend aufgeheizt wurde.

Du bist schon lange mit der Boxweltmeisterin Regina Halmich befreundet, die bei diesem Event Deine Gegnerin trainiert hat. Wie bist Du eigentlich in diese Boxszene "reingeschlittert"?

Ich lernte sie 1995 kennen. Ich war damals ein großer Fan von Thai-Boxen und ging nach Köln zu einer Boxveranstaltung. Da hörte ich über die Lautsprecher ›All We Are‹ und sah, wie Regina zum Ring marschierte. Nach dem Kampf traf ich mich mit Regina und sie outete sich als WARLOCK-Fan. Seit damals sind wir befreundet und laden uns immer gegenseitig zu unseren Konzerten beziehungsweise Kämpfen ein.

Ihr neue Einmarschhymne ist der letzte Song, an dem Du gerade noch im Studio basteltest. Wird Reginas Song ebenfalls Klassikparts enthalten?

Wir werden für Regina zwei Versionen machen: mit und ohne Orchester. Dann kann sie auswählen, welche Ihr am besten gefällt.

So muß man abschließend unterstreichen, daß »Classic Diamonds« eine wunderbare Platte geworden ist, die nahezu alle bisherigen Metal meets Klassik-Experimente in den Schatten stellt: Durch den Verzicht auf elektrische Gitarren erhalten die Songs einen ganz eigenen Flair und klingen noch größer als zuvor, so daß die Metal Queen Doro endgültig in den Rang einer Göttin aufgestiegen ist.

http://www.doropesch.info/

Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Stefan Glas

Photos: Stefan Glas [Photo 2 & 4]

Doro im Überblick:
Doro – Forever Warriors//Forever United (Rundling-Review von 2018 aus Online Empire 76)
Doro – Love Me In Black (Rundling-Review von 2000 aus Online Empire 2)
Doro – Love's Gone To Hell (Rundling-Review von 2016 aus Online Empire 67)
Doro – Raise Your Fist (30 Years Anniversary-Edition) (Re-Release-Review von 2014 aus Online Empire 58)
Doro – Raise Your Fist In The Air (Rundling-Review von 2012 aus Online Empire 52)
Doro – Strong And Proud - 30 Years Of Rock And Metal (Rundling-Review von 2016 aus Online Empire 68)
Doro – Warrior Soul (Rundling-Review von 2006 aus Online Empire 26)
Doro – Heavy, oder was!? 77-Interview (aus dem Jahr 2004)
Doro – Heavy 100-Interview (aus dem Jahr 2007)
Doro – Heavy 101-Interview (aus dem Jahr 2007)
Doro – Online Empire 12-Special (aus dem Jahr 2002)
Doro – Online Empire 21-Interview (aus dem Jahr 2004)
Doro – Online Empire 22-"Eye 2 I"-Artikel: »Classic Diamonds - The DVD« (aus dem Jahr 2005)
Doro – Online Empire 24-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2005)
Doro – Online Empire 27-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2006)
Doro – Online Empire 28-Interview (aus dem Jahr 2006)
Doro – Online Empire 29-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2006)
Doro – Online Empire 41-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2009)
Doro – Online Empire 44-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2010)
Doro – Online Empire 48-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2011)
Doro – News vom 22.10.2002
Doro – News vom 05.04.2007
Doro – News vom 23.08.2007
Soundcheck: Doro-Album »Fight« im "Soundcheck Heavy, oder was!? 65" auf Platz 38
Soundcheck: Doro-Album »Warrior Soul« im "Soundcheck Heavy 90" auf Platz 10
siehe auch: Split-CD von Doro mit KILLER (B) und OSTROGOTH (»MAUSOLEUM - The Official 20th Anniversary Concert Album«)
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