APULANTA
BITCH ALERT
Helsinki (Finnland), Nosturi
11.05.2001
Was hat das Nachtleben von Helsinki zu bieten? Diese Frage stellte ich mir neulich, als ich eine kurze Punktlandung in der finnischen Hauptstadt machen durfte.
Zum einen gibt es da die "Corner Bar", die einzige reinrassige Metalkneipe in town und zum anderen diverse andere Spelunken wie beispielsweise das "Nosturi" oder das "Semifinal", in denen harte Mucke nicht nur vom Band kommt, sondern livehaftig rausgerotzt wird.
Als ich mich im "Nosturi" einfand, um die beiden Helsinki-Acts APULANTA und BITCH ALERT zu begutachten, fragte ich mich jedoch, ob ich vielleicht im falschen Film gelandet sei: Der Durchschnittsbesucher dieses Konzertes war 13,73 Jahre alt und zu 70 Prozent weiblich... Und die Tatsache, daß HipHop als Aufwärmmusik gespielt wurde war gleichsam verdächtig... Dennoch hatte das finnische Jungvolk keine Probleme, bei AbBAs ›Money Money‹ mitzuschunkeln.
Mittlerweile war ich schon zum dritten Mal darauf hingewiesen worden, daß ich noch zu früh sei, um meinen Sohn abzuholen: Die Show hätte nämlich noch gar nicht angefangen. Die hatten bestimmt den Typ neben mir im STRYPER-Shirt gemeint: Der war nämlich mit Sicherheit da, um seine Tochter abzuholen...
Gegen halb Elf betraten die Punks BITCH ALERT endlich die Bühne und sofort stand eine große Frage im Raum: "Was ist nur aus dem Punk geworden?" Die Sängerin beglückte uns mit Plateauschuhen und bravem Kleidchen - da hat sogar Pipi Langstrumpf heute noch mehr Rebellionspotential. Da sie zudem gemeinsam mit ihren Kollegen mehr als gelangweilt auf der Bühne rumgestand, war es nicht verwunderlich, daß das Publikum vor sich hin trauerte. Anscheinend glaubte man die fehlende Action auf der Bühne durch riesige Effektboards, die jedoch nie genutzt worden, wettmachen zu können... Lediglich der Drummer von BITCH ALERT hatte seinen Spaß bei der Sache und grinste während der gesamten Show wie ein Bär. Ein anderes Accessoire paßte ebenfalls wie die Faust auf's Auge: Man hatte sich mit knallroten COCA COLA-Bechern bestückt, die überall auf der Bühne verteilt standen - hatte der Punk nicht mal eine poltische und sozialkritische Seite? Mann, da kann ich als Metaller Euch ja mehr über Punk erzählen!
Immerhin die Songlänge hatte gestimmt: In den 25-minütigen (!) Set paßten zwölf Songs - darunter auch ein Cover vom Kim Wildes ›Kids In America‹, das seltsamerweise als ›I'm Gonna Love It‹ angesagt wurde. Reichlich unverschämt war es jedoch, daß die Band die (unerklärlicherweise dennoch erklingenden) Zugaberufe mit einem Stinkfinger quittierte.
Ich konnte nur mit Mühe den inneren Drang, den Abgang zu machen, unterdrücken, um stattdessen in einem nahegelegenen Club 45 DEGREE WOMAN anzutesten - zudem hatte man mich über Tag in drei verschiedenen Plattenläden gewarnt, daß der Headliner grauenhaft sei.
Doch die Pausenmusik hielt mich zurück: Mein bereits erwähnter Nebenmann mit der gelb-schwarz-gestreiften Deko hatte nämlich offensichtlich einen Draht zum Soundmixer, so daß neben einem STRYPER-Song auch RATTs ›Lay It Down‹ durch die Boxen schepperte - wenngleich wir wahrscheinlich die Einzigen waren, die die Songs kannten. So verflog die Zeit bis zum Headliner sehr rasch.
Zum Glück war ich geblieben, denn die verdorrten Vorschußlorbeeren, die man APULANTA gestiftet hatte, erwiesen sich schnell als falsch. Die Band aus Helsinki wartete mit tanzbarem, satanischen Rocker-Punk auf, der sehr professionell aufgetischt wurde und die zuvor noch phlegmatische Menge in eine einzige wilde Furie verwandelte. APULANTA untermalten ihre Performance mit einer aufwendigen Lightshow und aggressivem Stageacting, so daß der Band war von meiner Warte aus eine echte Überraschung gelungen.
Daher tat es mir leid, als ich mich nach knapp einer Stunde aus dem Staub machen mußte. Doch als mich ein Dreikäsehoch von der Seite anmachte, ob ich ihm zwei Päckchen Kippen verkaufen könne, war das für mich das überdeutliche Signal, daß es Zeit war aufzubrechen, um die "45 Grad Frau" zu besuchen.
Photos: Stefan Glas
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Link zur Übersichtsbox für den beteiligten Musiker:Toni Juhana Virtanen | |||
© 1989-2025 Underground Empire |
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