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Es gibt Gruppen, die man auf Schritt und Tritt begleitet, deren Demos man sich bestellt, sich über die Nachricht freut, daß sie einen Deal unterschrieben haben, alsdann dem Debut entgegenfiebert und auch weiterhin ihre Karriere verfolgt. Gruppen, mit denen man gewissermaßen zusammen aufwächst. Dies war für mich im Falle ELOY keinesfalls möglich, denn schließlich gründete Frank Bornemann jene Band als man im Hause Glas ganz stolz darauf war, daß der Sprößling gerade "sauber" geworden war.
Die Geschichte von ELOY läßt sich in drei Phasen aufteilen: die erste umfaßt die Zeit von Bandgründung bis zur ersten Auflösung nach dem Release der vier Alben »Eloy« (1971), »Inside« und »Floating« (beide 1973), sowie »Power And The Passion« (1975). Mit neuer, sich während des zweiten Bandabschnitts ändernder Besetzung, wiederbelebt, veröffentlichten ELOY zwischen 1976 und 1984 neun Alben [»Dawn« (1976), »Ocean« (1977), das Doppel-Livealbum »Eloy Live« (1978), »Silent Cries And Mighty Echoes« (1979), »Colours« (1980), das »Planets«/»Time To Turn«-Konzeptwerk (1981 und 1982), »Performance« (1983) und schließlich »Metromania« (1984)]. Erneut trennten sich ELOY, um 1988 von Frank Bornemann zusammen mit dem Keyboarder Michael Gerlach in Duoformation ein weiteres Mal gestartet zu werden. Seither sind weitere vier Alben entstanden {»Ra« (1988), »Destination« (1992), »The Tides Return Forever« (1994) und »Ocean 2 - The Answer« (1998) [ebenso sollen die beiden Compilations »Chronicles I & II« nicht vergessen werden (die jedoch nicht nur eine "Best Of" darstellen, sondern die alten Stücke in neuen Einspielungen präsentieren)]}.
Daß Frank Bornemann, der schon ein Vierteljahrhundert mit der Musikszene verwachsen ist und darüber hinaus seit Jahren mit seinem eigenen Verlag neue Talente fördert, viel zu erzählen hatte, versteht sich von selbst! So lernen wir ihn in der nächsten Minuten als einen echten Kenner der Szene, passionierten Musiker und darüber hinaus als phantasievollen, kreativen und zugleich tiefsinnigen Menschen kennen.

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Was sind für Dich die Highlights aus der "Frühphase" von ELOY?

Wenn Du unter Highlights die Zeiten verstehst, in der die Band den meisten Erfolg und die besten Plazierungen hatte, dann lagen sie zwischen 1976 und 1982. In diesem Zeitraum von sechs Jahren, was in unserer schnellebigen Zeit ganz beträchtlich ist, konnte sich die Band etablieren und damals war jedes Album in den Charts.
Das kam natürlich nicht von heute auf morgen, sondern wir hatten bereits 1969 als Nachspielband begonnen und Anfang der Siebziger probiert, unsere eigene musikalische Identität aufzubauen. Mit den ersten Platten befanden wir uns auf dem Weg dorthin, wobei ich nicht sagen würde, daß damals das Profil der Band schon stand. Aber man konnte schon hören, daß es sich um ELOY dreht. Wir machten jedes Jahr ein Album und gingen auf Tour, wodurch wir uns eine Basis und einen gewissen Fankreis erspielten.
Richtig aufgebrochen ist es 1976 mit dem Album »Dawn« und es deutete sich an, daß die Band es packen könnte, in Deutschland ganz nach vorne zu kommen. Genau das war immer mein Traum gewesen: Ich sagte immer, daß es für eine Band möglich sein muß, ohne den Blick auf England oder Amerika zu richten und dort Riesenerfolge zu feiern, es in Deutschland zu packen, was natürlich nur mit guter und eigenständiger Musik zu schaffen ist. Das ist letztlich aufgegangen, denn wir waren die erste deutsche Band, die die Top 20 geschafft hatte. Diese musikalische Synthese aus atmosphärischen Collagen, symphonischen Elementen und rockigen Strukturen hatte damals eine enorm große Akzeptanz. Man muß jedoch sagen, daß die Siebziger von einer gewissen Aufbruchstimmung geprägt waren, die international schon etwas früher begonnen hatte. In England fand dieser kreative Ausbruch mit Bands wie GENESIS, JETHRO TULL, PINK FLOYD oder THE WHO schon Ende der Sechziger statt. Man machte Konzeptalben, bewegte sich weg von einfachen Rock'n'Roll Songs und versuchte, die Musik in ihren Möglichkeiten zu expandieren. Damals hatte der Markt und das Publikum die Toleranz und die Strukturen, um dies zuzulassen, was heute überhaupt nicht mehr möglich ist, allein schon weil das Radio blockt. Man kann heute nicht versuchen, mit einer Zehnminutennummer über die Medien eine musikalische Innovation durchzusetzen. Damals spielten die Radiostationen solche langen Stücke und begrüßten sie als Innovation. Gruppen, die durch besondere Kreativität und großen Einfallsreichtum auffielen, wurden unterstützt. Dadurch konnte damals eine sehr kreative Ära entstehen, von der wir, glaube ich, heute noch profitieren. Das Highlight für uns war sicher, daß wir uns als deutsche Band, ohne international schon akzeptiert gewesen zu sein, in Deutschland durchgesetzt haben. Das war ein großer Erfolg und damit haben wir, sag' ich mal, so etwas wie einen historischen Impact erworben, der uns heute gestattet, daß wir weitermachen können, weil immer noch ein großes Interesse existiert und es noch eine Menge Leute gibt, die uns einiges zutrauen. So haben wir die Freiheit, heute Dinge zu tun, die anderen vielleicht nicht möglich sind.
In dieser Zeit von 1976 bis 1982 machten wir epische Konzeptwerke, die meist in Science Fiction- oder Fantasy-Geschichten umgesetzt wurden, die zugleich auf das aktuelle gesellschaftliche Weltgeschehen Bezug nahmen. Das hat uns damals ausgemacht und war der Kern unserer Aussage. Es gab in dieser Zeit mehrere Besetzungswechsel. Damit Du die Frage danach nicht stellen mußt, werde ich gleich den Grund dafür erläutern. Wenn in einer Gruppe einer solch' starken kreativen Herausforderung Rechnung getragen werden soll, dann geht das nicht ohne Verschleiß ab oder aber man entwickelt sich auseinander und geht verschiedene Wege. Wenn man nicht zu einer Zweckgemeinschaft werden soll, ist es sinnvoll, daß man sich am geeigneten Punkt trennt. Das Weiterleben der Band hängt stark davon ab, daß diejenigen, die die stilistische Identität verkörpern, in der Band bleiben. Bei uns war das stets so, daß ich die Band immer weitergeführt habe, weil ich die musikalischen Akzente am stärksten gesetzt habe und zudem das Privileg hatte, der Sänger der Band zu sein.

Ich hatte schon immer ein Faible dafür, nach den Hintergründen eines Bandnamens zu suchen. Was ist der Background des Namens "Eloy"?

Der Name "Eloy" hat wirklich eine bestimmte Bedeutung: Er wurde aus dem Buch "Die Zeitmaschine" von H. G. Wells aufgegriffen. In dem Buch geht es darum, daß die Hauptperson mit einer Zeitmaschine ins Jahr 802071 reist und dort eine zweigespaltene Gesellschaft antrifft. Eine Gruppe lebt nach einem nuklearen Disaster über der Erde und die andere unter der Erde, wobei beide Gruppen auf ihre Weise degeneriert sind. Die Gruppe über der Erde hat jegliche Alltagspflichten abgelegt und existiert einfach nur, während die andere Gruppe zu Menschenfressern verkommen ist. Sie versorgen die oben lebende Gruppe, locken sie jedoch durch akustische Signale in ihre Höhlen und schlachten sie ab. Diese Situation trifft der Zeitreisende an und er gibt dem oben lebenden Volk, das "Eloi" heißt, sozusagen einen völlig neuen Start. Er weckt deren Bewußtsein, gibt ihnen eine neue Identität und aktiviert deren Gesellschaftsbewußtsein neu. "Eloi" verkörpert für mich den Aufbruch vom Status Null in eine Zukunft, die einen Start für die gesamte Gesellschaft bedeuten soll. Hier genau liegt die Paralellität, denn wir hatten damals eine schlafende deutsche Szene, in der Rockbands nur nachspielten, aber keine oder höchstens sporadisch eigene Werke veröffentlichten. Es mußte einfach etwas passieren! Ich konnte mich als Musiker nicht damit abfinden, daß man als deutscher Musiker grundsätzlich als Musiker zweiter Klasse agieren mußte und auch als solcher abgestempelt wurde. Ich wollte etwas bewegen, habe mich als Wegbereiter begriffen und wollte mich mit ELOY durchbeißen. Ich habe bei dem Wort lediglich das "i" durch ein "y" getauscht, um es als Parabel zu Wells' Geschichte zu markieren.

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Ihr habt über 17 Jahre nach Veröffentlichung, für »Ocean« Gold verliehen bekommen. Wie ist es zu erklären, daß dies nach solch' einer langen Zeit noch passieren konnte?

Das hängt damit zusammen, daß wir immer auf irgendeine Weise aktuell geblieben sind. Man sagt, daß ELOY zeitlose Musik machen, was sich darin sicherlich bestätigt. Es gibt für einen Musiker keinen schöneren Lohn, als wenn du eine Platte aufnimmst, die nicht schon nach einem halben Jahr out ist, sondern bei der man das Gefühl hat, daß die Musik ewig lebt. Man spricht bei »Ocean« von einem Kultalbum. Unsere Musik ist nicht von der Stange, sondern es steckt mehr darin und so kann es auch nach vielen Jahren noch passieren, daß man einen solchen Status erlangt. Und ich würde sogar so weit gehen, daß ich prognostiziere, daß »Ocean« nicht das einzige vergoldete ELOY-Album bleiben wird, weil all' unsere Platten immer noch "laufen". Ich vermute aus dem Bauch heraus, daß es »Silent Cries And Mighty Echoes« als nächstes wird. Klar, sie sind soundlich in die Jahre gekommen, aber deswegen haben wir »Chronicles« gemacht, weil ich die Stücke für tolles Material halte. Also haben wir die Stücke mit den Instrumenten und dem Equipment von damals neu eingespielt, aber mit den Aufnahmemöglichkeiten von heute. Damals gab es eben noch nicht die gigantischen soundlichen Mittel heutiger Tage, so daß ein Kontrast entsteht wie zwischen einem Schwarz-Weiß-Film gegenüber einem Cinemascope. Auch wenn wir, was heute ungeheuer beliebt ist, die alten Aufnahmen auf CD remastert hätten, dann hätte z. B. die Snare immer noch geklungen, wie wenn ein Wellensittich kotzt. Und so besteht auch ein gewaltiger Unterschied zwischen »Chronicles« und den Originalaufnahmen.

Ich war von der Geschichte zu »Planets«/»Time To Turn« sehr beeindruckt. Es geht darin um einen paradisischen Planeten namens "Salta", dessen Bewohner, die Ikareer, im Goldenen Zeitalter leben. Der Prolog zu »Planets«/»Time To Turn« beschreibt den Niedergang von Salta und seinen Bewohnern, die Kriege entfachen und den Planeten immer mehr ausbeuten und zerstören. In diesem entstandenen Chaos wird Ion, die Hauptfigur von »Planets«/»Time To Turn«, quasi als Hoffnungsträger geboren. Ihr zeichnet dabei ganz unzweifelhaft eine Parabel zur Geschichte der Erde!

Richtig, "Salta" ist einfach das Wort "Atlas" rückwärts gelesen. Die Geschichte von »Planets«/»Time To Turn« ist mittlerweile über eineinhalb Jahrzehnte alt und damals sah die Welt noch etwas anders aus als heute. Jedoch denke ich, daß wir mit dieser Beschreibung der aktuellen Realität sehr nahe gekommen sind. Es zeichnete sich schon damals ab, daß wir einmal in einem ökologischen Gau oder einer gesellschaftlichen Sackgasse enden würden und es gab gewisse Endzeitgefühle. Damals waren sicher die Chancen, den Lenker rumzureißen, noch besser, weshalb die Geschichte gegen Ende einen positiven Unterton und eine ebensolche Auflösung erhält. Heute wird vielerorts bezweifelt, ob diese Wendung überhaupt noch möglich ist, selbst wenn wir es wollten. »Planets«/»Time To Turn« war für mich damals ein Album, das gemacht werden mußte, weil die Band immer den Zeitgeist reflektieren wollte. Ich war der Meinung, daß dazu eine ganz konsequente Aussage nötig sei. Jedoch kann man als Band nicht nur über Katastrophen und gesellschaftliche Disaster sprechen, sondern man muß auch unterhalten. Daher war mein Ansatz gewesen, eine möglichst interessante Geschichte zu bringen, die aber für jeden sofort dahingehend identifizierbar ist, daß wir dabei über jene Dinge sprachen, die zur damaligen Zeit auf unserem Planeten passierten. Diese Geschichte sollte musikalisch umgesetzt werden und so ist »Planets«/»Time To Turn« entstanden, ein Album, welches heute noch Gültigkeit hat.

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Kommen wir nun zur "Neuzeit" von ELOY! Wie kam es 1988 zur zweiten ELOY-Reunion?

Solche Splits sind mir in bezeichnender Weise mehrfach passiert. Zum ersten Mal passierte es Ende 1975, als sich die Band, wie ich bereits erläutert habe, eine gewisse Akzeptanz erspielt hatte und kurz vor dem Durchbruch stand, wie ich es damals empfunden hatte. Um es richtig zu packen, wollten wir uns einen Manager nehmen, aber dieser Manager hat genau das Gegenteil bewirkt: Er hat die Band auseinandergenommen. Ich hatte persönlich einen Disput mit dem Manager. Er hatte sich die Band unter den Nagel gerissen und weil er viel Geld hatte, konnte er es sich leisten, sich sozusagen "ein paar Musiker zu halten". Ich wollte mir jedoch meine Überzeugung, meine Ideale nicht abkaufen lassen, zumal ich derjenige war, der die musikalische Vision von ELOY hatte. Der Geschäftsführer unserer damaligen Plattenfirma setzte großes Vertrauen in mich und gab mir die Chance, die Band neu aufzubauen, obwohl er ebenso die anderen vier Musiker mit dem Manager hätte nehmen können.
Also kam ich mit einer neuen Band wieder, die sich immerhin bis Ende 1979 gehalten hat. Zu diesem Zeitpunkt stellte ich zusammen mit Matze (der Spitzname von Basser Klaus-Peter Matziol - Red.), der heute wieder mit uns auf der Bühne steht, ein neues Line-up zusammen. Wir hatten damals zwei ganz große Positionen zu besetzen, denn Drummer Jürgen Rosenthal war immerhin auch unser Texter, der sowohl »Ocean« als auch »Silent Cries And Mighty Echoes« getextet hatte. Außerdem hatten wir mit Detlev Schmidtchen einen Keyboarder zu ersetzen, der in der Musikszene verdammt starke Aktien hatte. Daher war ein Neustart für uns sehr anstrengend gewesen, so daß wir uns mit drei statt mit zwei Leuten verstärkten. Dadurch wurde ELOY zum Quintett, was mir größere Freiheiten bescherte. Auch dieses Quintett war sehr erfolgreich, brach aber Ende 1984 komplett auseinander, nicht etwa weil wir uns zerstritten hatten, sondern weil wir einfach verschlissen waren. Wenn man sich ewig unter einen solchen Druck setzt, sich solche Ziele steckt und sich so fordert, wie das bei ELOY immer der Fall gewesen war, dann läßt man Federn. Hinzu kam noch, daß die Band in ihrem Konzept durch mich definiert wurde und daher für die anderen Musiker nur ein gewisser Spielraum übrig blieb, der sich mit dem Konzept vertragen mußte. Außerdem hatten wir einen Plattenvertrag, der uns dazu verpflichtete, jedes Jahr eine neue Platte zu veröffentlichen und zu touren, so daß starke Musikerpersönlichkeiten irgendwann auf die Idee kommen, daß sie auch mal etwas anderes probieren wollten. Das ist genau 1984 eingetreten; also gingen wir lieber rechtzeitig in Frieden auseinander, statt uns zu streiten. Da zudem gerade der Plattenvertrag ausgelaufen war, wollte ich ELOY beenden, zumal ich die Idee hatte, mein eigenes Studio, das HORUS STUDIO aufzubauen und mich als Produzent verdingen wollte.
Dennoch hatte ich noch ein paar Songs rumliegen und irgendwann traf ich Michael Gerlach, mit dem ich dermaßen gut harmonierte, daß ich ihm vorschlug, zusammen Musik zu machen, ohne zu diesem Zeitpunkt schon an ELOY zu denken. Also haben wir zusammen experimentiert - ohne Band, was natürlich nur durch die moderne Technologie möglich gewesen war. Der Grund, daß ELOY überleben konnte, lag darin, daß wir unsere Song-Lay-outs ohne andere Musiker machen konnten. Wir waren beide Produzenten und 1988 erschien »Ra« eigentlich nur aus Spaß. Plötzlich ging das Album in die Charts und wir konnten auf diesen Erfolg nicht reagieren. Wir konnten nicht live spielen, wir konnten keine Öffentlichkeitsarbeit betreiben, weil wir in unseren anderen Aktivitäten gebunden waren.
Diese Akzeptanz hat uns dermaßen motiviert, daß wir beschlossen weiterzumachen, weil uns die Sache natürlich auch großen Spaß machte. Jedoch konnten wir nicht so schnell einsteigen, weil wir sackweise andere Verpflichtungen hatten, so daß es bis 1992 dauerte, bis wir wieder ein Album zusammen hatten. Also erschien »Destination«, das aufzeigte, daß ich in diesen vier Jahren viel Heavy Metal und Hard Rock gemacht hatte, was sich auf das Album reflektierte, so daß wir vergleichsweise sehr modern wurden. Dann folgte das »Chronicles«-Projekt, das uns wieder an das erinnerte, was wir mal gemacht hatte. Obwohl »Destination« ein gutes Album ist, waren wir auf halbem Wege, uns zu verlaufen, weil auf »Destination« vieles, was ELOY früher ausgemacht hatte, ein wenig aufgegeben wurde, etwas versandete. Durch »Chronicles« trat auch Matze wieder in unser Blickfeld und es hat dermaßen Bock gemacht, mit dem Mann zu arbeiten, daß wir uns fragten, wie wir jemals mit einem anderen Bassisten arbeiten konnten. Wir fragten ihn, ob er wieder fest einsteigen wolle und Matze sagte zu. Da Matze stark im Konzertgeschäft involviert ist, brachte er die Idee auf, daß wir zum Jubiläum wieder auf die Bühne gehen sollten und nahm die ganze Organisation in seine Hände. Zu dritt konnten wir zwar im Studio problemlos arbeiten, aber für die Konzerte brauchten wir natürlich ein komplettes Line-up. Deswegen hatte ich zunächst unseren alten Drummer Fritz Randow angerufen, weil ich dachte, daß ihm der Stuhl zusteht, aber er hatte gerade bei dem Schlagzeughersteller PEARL einen Job angenommen, so daß er verhindert war. Nun ja, ich hatte schon immer eine Riesenlust verspürt, mit Bodo Schopf zusammenzuspielen, was sich bis dato aber noch nicht ergeben hatte. Er fühlte sich für die Aufgabe herausgefordert, weil er wußte, daß er sich bei uns kreativ ausleben kann und so haben wir einen fantastischen Schlagzeuger bekommen. Wir hätten natürlich auch zu viert die Sache anpacken können, aber nur mit Abstrichen. Also benötigten wir jemanden, der Gitarre und Keyboards spielt und vielleicht sogar noch ein wenig singt. So kamen wir auf Steve Mann, den ich durch die Studioarbeit kannte und der zugleich zu M.S.G.-Zeiten ein Kollege von Bodo gewesen war. Er war sowohl musikalisch als auch menschlich genau der Mann, den wir in der Band haben wollten. Beim Gesang mußten wir dann feststellen, daß wir auf den letzten Alben mit Stimmenoverdubs ohne Ende gearbeitet hatten, weil ich nicht im Traum daran gedacht hätte, die Sache nochmal live umsetzen zu müssen. Da kam uns die Idee, Backingsängerinnen zu nehmen und so traten Susanne Schätzle und Bettina Lux in unser Leben. Die beiden klangen zusammen so toll, daß wir die anfänglichen Versuche, mich zusammen mit den anderen männlichen Musikern singen zu lassen, sofort aufgaben, da ich erstaunlicherweise mit den beiden Mädels zusammen besser klang.

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War der Titel »The Tides Return Forever« eine Metapher für die stetig wiederkehrende Band ELOY?

In gewisser Weise schon, wobei ich dies mehr auf die Musik bezogen hatte. Als ich hörte, wie die Musik ausfallen würde, hatte ich das Gefühl, daß wir wieder da sind, wo wir einmal gestanden haben - mit den erwähnten zeitlichen Updates. Weil ich das so empfand, sollte ein Titel gefunden werden, der dazu Bezug nimmt!

Auf »The Tides Return Forever« befinden sich mit ›Fatal Illusions‹ und ›The Last In Line‹ bedrückende zeitkritische Statements. Sind wir wirklich am Ende des Stammbaums angelangt oder wird es doch noch eine ›Generation Of Innocence‹ geben, die eine bessere Lebensauffassung haben wird, auf die Natur Rücksicht nehmen wird, so daß ein neues Goldenes Zeitalter ermöglicht wird?

Ich denke, daß es eine einzige Chance gäbe, wenn eine zukünftige Generation es schafft, dieses ganze Erbe, diesen ganzen Müll konsequent abzulegen und einen neuen Schritt zu machen. Ob es diese Chance wirklich gibt, weiß' ich nicht; dran glauben möchte ich gerne. Man ist immer zwischen Wunschdenken und Wahrscheinlichkeitsrechnung hin und her gerissen. Das schwingt sicher in meinen Texten mit. In ›Generation Of Innocence‹ spreche ich die Generation an, die jetzt kommt, die nichts für die aktuelle Situation kann und der ich nur zurufen möchte, "Um Gottes Willen! Packt's an, denn wir kriegen's nicht mehr aus dem Quark. Dazu ist meine Generation viel zu verfilzt, viel zu infiziert von diesen alten Werten."

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Was fasziniert Dich so sehr an Jeanne d'Arc? Schließlich drehen sich zwei Deiner aufwendigsten Werke der ELOY-Neuzeit ›Jeanne d'Arc‹ und ›Company Of Angels‹ komplett um ihre Person.

Ich verspüre ein sehr starkes Gefühl für die historische Person Jeanne d'Arc, denn ich denke, daß sie in der Weltgeschichte einmalig ist. Wenn man bedenkt, daß sie nur 19 Jahre alt geworden ist und mit welcher Überzeugung und konsequenten Haltung sie ihren Weg gegangen ist, dann ist das für unsere heutige Generation ein unvorstellbarer Vorgang, den man sich von einem modernen Menschen nicht vorstellen kann. Einen solchen Weg kann man nur gehen, wenn man durch und durch von etwas überzeugt ist, wenn man eine sehr, sehr spirituelle und religiöse Einstellung hat. Man kann mit allem pokern, aber nicht mit dem eigenen Leben und daß ihr Einsatz so weit gegangen ist, hat mich völlig fasziniert. So sehr, daß ich nach dem Song ›Jeanne d'Arc‹ das Gefühl hatte, meine Hausaufgaben noch nicht anständig gemacht zu haben. Daher mußte ›Company Of Angels‹ entstehen, weil die Sache für mich noch nicht erledigt war. Ich wollte ein richtiges Requiem für Jeanne d'Arc schreiben und hatte mir überlegt, die Story nicht aus der Sicht eines Erzählers zu schildern, sondern ihre Gefährten und ihre Armeen in den Mittelpunkt zu stellen. Ich mußte dieses Werk einfach schreiben und machte mir selbst die Auflage, dieses Stück in einer angemessenen Weise umzusetzen. Daher stellte ich es in den Mittelpunkt meiner Arbeit für »The Tides Return Forever«. Jetzt habe ich das Gefühl, als sei die Arbeit so einigermaßen bewältigt und daß ich meiner selbstgestellten Aufgabe ein bißchen gerecht geworden bin. Wenn ich ein wenig dazu beigetragen habe, wieder an Jeanne d'Arc zu erinnern, dann hat sich diese Anstrengung auch von der moralischen Seite her gelohnt. In diesem Fall kann man die musikalische und die ideelle Herausforderung nicht voneinander trennen, denn dieses Werk geht ein ganzes Stück weiter als die Musik, die ich sonst mache, bedeutet eine völlig andere Dimension für mich.

Woher kriegst Du die genialen Gastmusiker, die auf Euren Platten mitwirken? Allen voran möchte ich da nach Miriam Stockley fragen, die in ›Company Of Angels‹ Jeanne d'Arc singt. Wenn ein Engel eine Stimme hat, dann muß sie so klingen wie die von Miriam!

Ich fang' mal mit Jocely B. Smith an, die den ›The Tides Return Forever‹-Inferno singt. Ich hatte ein Vision davon, wie dieser Part klingen sollte und ich sprach Jocely an, weil ich wußte, daß sie das singen kann. Bei ›Company Of Angels‹ war es viel anstrengender. Ich wollte dieser 19jährigen Jeanne d'Arc eine Stimme verleihen, ohne daß man heute weiß, wie sie ausgesehen hat, da es nicht mal ein Gemälde gibt, das sie zeigt. Wir hatten viele Sängerinnen im Studio, die fantastisch singen konnten, aber eine klang zu alt, die andere zu ausgebildet, die nächste hatte nicht diesen jugendlichen, naiven Charme; wenn sie die Spiritualität hatten, dann waren sie zu theatralisch. Ich bin schier verrückt geworden! Da kam Peter Beckett zu mir und sagte mir, daß es in London eine Sängerin gibt, die das singen kann, was ich mir vorstelle: Miriam Stockley. Leider Gottes war sie zur der Zeit die gefragteste Sängerin in ganz London und so war es unglaublich schwer, überhaupt Kontakt zu ihr zu knüpfen. Peter hat den Part mit Miriam aufgenommen und hat sie regelrecht darauf getrimmt, so zu klingen, wie man sie in ›Company Of Angels‹ hören kann, denn Miriam ist eine Sängerin, die superb in eine Rolle reinschlüpfen kann. Wir hatten mit wirklich großen Sängerinnen gearbeitet, aber sie waren's einfach nicht. Ich suchte nach dieser einzigen Frau auf diesem Planeten, die Jeanne d'Arc für einige Sekunden wieder eine Stimme gibt. Ich konnte da nicht eine beliebige Stimme reinklatschen. Damit hätte ich meinen ganzen Anspruch ad absurdum geführt. Ich hätte ein Sakrileg begangen, wenn ich Jeanne d'Arcs Stimme nicht angemessen umgesetzt hätte! Lieber hätte ich den ganzen Part gestrichen!

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Hättest Du Dir bei Bandgründung träumen lassen, daß Du 25 Jahre später immer noch mit ELOY aktiv sein würdest?

Ich hätte mir das in keinster Weise vorgestellt! Ich hatte eher gedacht, daß ich ein paar Jahre Musik machen würde und dann der Traum vorbei wäre und für mich das Erwachsenenleben beginnen würde. Doch ich wurde von der Wirklichkeit eingeholt. Ich mußte feststellen, daß man Musik nicht zeitlich begrenzen kann. Man kann nicht aufhören, kreativ zu sein! Vor allem dann, wenn Du Dich immer wieder an Deinen eigenen Ideen berauschst. Wenn Du eine tolle Idee hast, dann kannst Du sie nicht einfach in die Ecke schmeißen, sondern Du wirst darauf zugehen, auch wenn es Arbeit bedeutet, auch wenn es Kraft kostet!

Kreativität ist also eine Droge für Dich!

Ja, kann man sagen. Wenn ich mal eine Pause mache, dann nur, weil mir der ganze Alltagsstreß über den Hut geht, so daß ich mich mal davon lösen muß. Aber ich komme immer wieder zu dem Punkt zurück, daß ich wieder aktiv werden muß!

Es gibt rein anatomisch gesehen das Problem, daß der Stimmapparat mit zunehmendem Alter immer weniger flexibel wird. Ebenso hast Du in den letzten Jahren sicher nicht wie ein junger Musiker jeden Tag stundenlang mit der Gitarre geübt. Gibt es für Dich stimmliche Probleme oder aber sind hier und da Deine Fingerfertigkeiten etwas eingerostet gewesen?

Gott sei Dank nie! Dazu muß man auch sagen, daß ich kein solcher Gesangsvirtuose bin, der ständig in höchsten Höhen rumkreischt und seine Stimme bis zum Äußersten strapaziert. Dann müßte ich natürlich höllisch trainiert sein. Für die Sachen, die ich singe, brauche ich das nicht. Im Gegenteil, manchmal habe ich nach Phasen, in denen ich länger nicht gesungen hatte, festgestellt, daß es dann sogar viel besser läuft. Zum Teil ist es sogar der Fall, daß ich heute Sachen schaffe, die ich früher nie konnte. Gitarre spiele ich zu Hause immer wieder. Zwar sicher nicht so ernsthaft, aber doch genügend, um nicht einzurosten.

Ich stelle mir gerade bildlich vor, wie ein Frank Bornemann, der nach zehn Jahren wieder auf die Bühne gehen will, seine Plattensammlung durchstöbert und sich seinen eigenen Part wieder von seinen alten Platten raushören muß. Was für ein Gefühl ist das?

Das ist ein verrücktes Gefühl! Man weiß zwar im Grunde noch, wie der Song ging, aber plötzlich stellt man fest, daß man Lücken hat. Das gilt besonders für die Soli. Gerade z. B. bei ›Poseidon's Creation‹, das ich wirklich unglaublich oft gespielt habe, mußte ich mir das Solo wieder raushören. Das ist in der Tat eine putzige Geschichte! Auf der anderen Seite habe ich mir schon überlegt, hier und da ein anderes Solo zu entwickeln, das vielleicht sogar besser wäre als das Original. Dennoch habe ich das unterlassen, weil ich glaube, daß die Leute das gar nicht wollen. Man sollte einen Song in seiner Authentizität belassen und daher haue ich mir die Sachen wieder drauf, wie sie damals waren. Was ich Neues zu sagen habe, setze ich in neuen Songs um!

Mit Deinem Verlag METROMANIA und mit Deiner Arbeit als Produzent hattest Du Dich nach dem ELOY-Split von 1984 ganz eindeutig auf Hard Rock- und Heavy Metal-Bands spezialisiert, obwohl ELOY sicherlich nie als eine solche zu bezeichnen waren.

Es ging mir einfach um handgemachte Musik. Es war auch damals schon ein Trend zu erkennen, daß viel mit Computern gearbeitet wurde, daß vieles aus der Retorte stammte. Die letzte Bastion des Rock'n'Roll war Heavy Metal und Hard Rock. Also habe ich mich dort am ehesten zu Hause gefühlt und mich dort engagiert. Zudem hatte ich gewisse Berührungspunkte mit dieser Musik, da ich früher schon die SCORPIONS und FARGO, aus denen dann VICTORY wurden, produziert hatte.

Wenn man heute über die Rockszene der Siebziger spricht, so kommt grundsätzlich das Stichwort "Drogen" auf's Tablett. Was kannst Du als Musiker, der selbst schon in den Siebzigern aktiv war, zu diesem Thema sagen?

Ich möchte mal den Musiker aus den Siebzigern sehen, der keine Drogenerfahrung hatte... Die Siebziger-Jahre-Droge kennt jeder: Damals hat jeder Haschisch geraucht und wir natürlich auch. Jede Zeit hat ihre Begleiterscheinungen und rückblickend muß ich sagen, daß "unsere" Droge sicher unbedenklicher war, als jene Mittel, die heute aktuell sind. Jedoch muß ich betonen, daß ich selbst kein gutes Verhältnis zu Drogen habe. Ich lehne Drogen ab, weil sie dich verändern und davon halte ich nichts. Ich denke, man kommt seinem eigenen Kern am nächsten, wenn man sich von solchen Dingen komplett löst. Man wird reifer und wir gehen heute andere Wege! Wobei ich sagen muß, daß eine der schlimmsten Drogen ohne Frage der Alkohol ist - und zwar auch in der Musikbranche. Man redet vom Haschischrauchen und weiß der Teufel was noch, aber den Alkohol hat man immer ignoriert und unterschätzt. Das Zeug hat einen Joe Cocker fast ruiniert; bei Janis Joplin hat man vom Fixen gesprochen, aber daß sie Alkoholikerin war, davon hat man nie geredet. Alkohol ist eine wirklich kreuzgefährliche Drogen; meiner Erfahrung nach die gefährlichste, mit der ich je konfrontiert wurde. Ich bin seit über zwanzig Jahren im Musikbusiness und habe nie einen Musiker kennengelernt, der an der Nadel hing, aber ich kenne ungeheuer viele, die Alkoholprobleme haben.

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Auf »Ocean 2 - The Answer« habt Ihr einen kleinen Wink in die Siebziger-Kiffer-Richtung getan: Auf dem Sticker mit den Tourdates auf der CD-Box schimmert ein Hanfsymbol durch...

Die Idee stammte von der Plattenfirma und mir war's recht gewesen, den Gag für eine CD-Auflage zu bringen, obwohl meine Kiffertage schon sehr lange vorbei sind.

Was hat Dich dazu bewogen, für ein solches Kultalbum wie »Ocean« einen zweiten Teil in Angriff zu nehmen?

Es war die für mich sehr überraschende, starke Resonanz auf die Band auch heute noch: Nach der Anniversary-Tour beschlossen wir, die Band im Internet zu präsentieren. Vor dem Internet-Zeitalter war es für mich überhaupt nicht erkennbar, was beispielsweise im Ausland in Sachen ELOY-Anhängerschaft passiert ist. Ich fand plötzlich heraus, daß es beispielsweise in Los Angeles einen ELOY-Fanclub gibt - obwohl unsere Platten in Amerika niemals veröffentlicht wurden. Von dieser weltweiten Anerkennung war ich sehr berührt.
Der Wunsch »Ocean« fortzusetzen, existiert schon sehr lange, doch die konkrete Idee, es wirklich zu probieren, kam zum ersten Mal bei einem Besuch in Frankreich auf: Ich war mehrfach in Orleans, da ich von der Stadt den Auftrag erhalten hatte, eine Jeanne d'Arc-Hymne zu komponieren.
Damals traf ich mit dem dortigen französischen ELOY-Fanclub zusammen, die erneut den Wunsch nach einer »Ocean«-Fortsetzung an mich herantrugen. Eigentlich wollte ich mich an »Ocean« nicht rantrauen, weil es ein sehr spezielles und kultiges Album ist. Zudem ist es gefährlich, ein Follow-up zu machen, wenn man nicht eine spezielle Vision hat. Ich muß ganz offen sagen, daß ich immer einen Bogen um das Album gemacht habe. Das »Ocean«-Textkonzept stammte von unserem Trommler Jürgen Rosenthal und wir hatten damals eine handfeste Kontroverse deswegen, weil ich prinzipiell gegen düstere Szenarien war.
Also habe ich mich in diese Materie vertieft und dabei gemerkt, daß ich inhaltlich zu dem Thema etwas neues beitragen kann. Der eigentliche Reiz lag für mich darin, daß die Zeit 20 Jahre weitergegangen war, so daß ich mit einem ganz anderen Blickwinkel und Lebenserfahrung auf die Thematik zurückkommen konnte. Es sollte auf keinen Fall esoterisch-spinnert ausfallen, sondern eine ganz persönliche Aussage haben. Daher habe ich über vier Monate an den Texte gearbeitet und für »Ocean 2 - The Answer« ein positives Konzept entwickelt, das sich ebenfalls mit den Fragen der Gesellschaft und des Seins auseinandersetzt, habe aber eine völlig andere Auflösung gefunden: Während Jürgens Konzept in der Apokalypse, dem totalen Untergang gipfelt, endet mein Konzept mit der Textzeile "The Day Of Revelation", einem positiven Finale.
Außerdem wollte ich musikalisch einen deutlichen Akzent setzen: »Ocean 2 - The Answer« sollte zwar produktionstechnisch modern ausfallen, jedoch aufgrund der epischen, konzertanten Songstrukturen nicht besonders modern sein. Es sollte einfach zugänglicher arrangiert werden, so daß man schneller in dem Film drin sein würde.
Wichtig war zudem, daß ich mit Matze einen starken Partner an der Seite hatte, der die erste »Ocean« mitgemacht hatte. Außerdem hatten wir eine Band zusammen, mit der es möglich war, den gleichen kreativen Spirit zu erlangen wie damals. »Ocean 2 - The Answer« war ein Experiment und eine unheimliche Herausforderung.
Beide Alben unterscheiden sich also deutlich; trotzdem passen beide »Oceans« zusammen - sie sind wie Yin und Yang.

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Dennoch ist »Ocean 2 - The Answer« nicht so eingängig ausgefallen wie »The Tides Return Forever«.

»The Tides Return Forever« ist zweifelsohne das leichtere Album und strenggenommen auch das modernere. Für einen Nicht-ELOY-Fan ist es selbstverständlich das einfacher zugängliche Album. »Ocean 2 - The Answer« ist das speziellere Album der beiden, aber das wäre schlimm, wenn dies nicht so wäre. Schließlich stach auch »Ocean« mit nur vier Nummern und dem extrem komplexen Konzept aus unserer Discographie heraus.

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Die Tour zu »Ocean 2 - The Answer« habt Ihr gigantisch aufgezogen, aber dennoch kein Livealbum bzw. -video dazu veröffentlicht.

Eine Tour in diesem Stil kostet immer ein Vermögen und man kann froh sein, wenn man mit einen blauen Auge rauskommt. Zudem wußten wir nicht, wie die Tour laufen würde und wir hatten erwartungsgemäß viele technische Schwierigkeiten. Ich mache ein Livealbum gerne, wenn ich weiß, daß die Band gut eingespielt ist und alles rundherum funktioniert. Ich hatte im Hinterkopf, einen Ü-Wagen zu bestellen, aber wir sind davon ausgegangen, daß es einen zweiten Teil der Tour geben würde, was leider nicht geklappt hat. Außerdem hätte ich gerne einige Gastmusiker wie Steve Mann dabeigehabt.

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Der Boxweltmeister Torsten May hat den Chor aus ›The Answer‹ als Einmarschhymne verwendet.

Das kam über Klaus Grundmann, den Marketingbetreuer von Thorsten May zustande: Klaus Grundmann leitet IP MULTIMEDIA, die Marketingfirma von BERTELSMANN und RTL, und betreut somit die Box-Events oder auch die Formel 1-Rennen. Außerdem ist er ein alter ELOY-Fan und so kam die Sache ins Rollen.

EMI hat gerade »Inside«, »Floating« und »Power And The Passion« wiederveröffentlicht.

Das sind jetzt endlich mal amtliche Re-Releases. Sie klingen relativ gut und die Booklets sind liebevoll gemacht. Von »Power And The Passion« habe ich selbst ›The Bells Of Notre Dame‹ neu gemischt - das hat richtig Spaß gemacht, die alten Bänder durchzuhören und endlich klingt der Song so, wie ich ihn immer wollte.

Etwas obskurer war hingegen die "Mülleimer-Verpackung", in der die erste ELOY-Scheibe vor einigen Jahren erschien...

Von dieser Wiederveröffentlichung wußte ich nichts. Ich mag das Album ohnehin nicht und denke, daß es für ELOY nicht relevant ist. Wenn der Mülleimer einigen Leuten Freude bereitet hat - bitte schön. Musikalisch war das erste Album Kraut und Rüben und es gab keine klare Linie. Für mich fängt die Band mit der nächsten Besetzung und »Inside« an.

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Wie wird es nun in Sachen ELOY weitergehen?

Ich muß gestehen, daß ich momentan einen kleinen Burn-out-Effekt haben, was nach einem solchen Album wie »Ocean 2 - The Answer« wahrscheinlich normal ist. Außerdem sind wir alle mit unseren anderen Projekten stark beschäftigt. Wenn es nochmal ein ELOY-Album geben wird, dann wird es sicherlich anders sein als alle anderen - und ich sage dieses "wenn" ganz bewußt, da ich wirklich nicht weiß, ob von ELOY nochmal etwas kommen wird.
Ich werde mich in nächster Zeit auf das Business konzentrieren. Ich habe in letzter Zeit viel im Studio gemacht und muß mich natürlich um GUANO APES und EAT NO FISH kümmern, die bei uns einen Verlagsdeal haben. Ich habe einen Produzentenverband gegründet und möchte in Zukunft die Musikszene etwas beleben. Daher will ich unser Artists-Development verstärken und möchte in dieser Musikszene, in der es nur noch darum geht, schnell erfolgreich zu sein, etwas positives bewirken. Business und Musikmachen sollte sich einfach wieder besser miteinander vertragen, denn dieses Verhältnis ist in letzter Zeit immer schlimmer geworden.
Die Industrie braucht sich nicht zu wundern und zu jammern, daß der Markt immer rezessiver wird und dann schließen sich wieder zwei Giganten aus Angst, ihnen könnte zu viel Repertoire wegbrechen, zusammen, nur damit sie wenigstens kosmetisch ihre Majorität behalten. Die sollten sich stattdessen Gedanken machen, warum das so ist! Ich glaube, man denkt viel zu wenig drüber nach, was man den Leuten vorsetzt. Wenn man den Musikgeschmack des Konsumenten durch gezielte schlechte Repertoirepolitik und furchtbares Signing so degeneriert, daß er sich nicht mehr ernsthaft für Musik interessiert, darf man sich nicht wundern, daß er sich irgendwann mit seichtem Geplätschere zufriedengibt.
Wir müssen wieder charismatische Profilkünstler kriegen, die eine langfristige Perspektive haben. Und im Moment geht alles ex und hopp - oder glaubst Du ernsthaft, daß eine der heutigen Eintagswürste in zehn Jahren ein Stadion füllen wird? Wenn die Dinosaurier mal abdanken, wenn Phil Collins aufhört und die mittlerweile sechszigjährige Tina Turner keine Platten mehr serviert - na dann Halleluja, dann können wir einpacken. Wer soll sie denn füllen? Puff Daddy etwa? Das kann man sich doch aus dem Kopf schlagen! Aber auf solches Rap- und Hip-Hop-Geblubber stürzt sich die Industrie. Damit kann ich überhaupt nichts anfangen, weil es in meinen Augen nichts mit Musik zu tun hat. Im Hintergrund rasseln irgendwelche Maschinen und Computer und alles hört sich gleich an. Sowas pusht die Industrie bis der Arzt kommt - glauben die ernsthaft, daß sich in fünf Jahren irgendjemand das noch anhört? Da bleiben vielleicht FANTA 4 als Kultclub übrig und die Myriaden von Eintagsfliegen werden verschwunden sein.
Aber Profilkünstler müssen nachwachsen und gefördert werden und man darf nicht rumkreischen, wo die erste Single ist und welches Video auf VIVA gespielt werden kann. Wenn ich mir dieses Bettnässer-Programm auf VIVA anschaue, diese Hohlrotation... Und VIVA 2 wird auch immer schlechter! Da muß etwas passieren, da muß gearbeitet und dagegengehalten werden! Das dürfen wir nicht so hinnehmen. Wenn die Bands sich nämlich gefrustet in ihren bürgerlichen Beruf zurückziehen, verlieren wir alle Talente, die wir haben. Dann können wir Stefan Raab machen lassen und sind endgültig auf dem "wattehattedudennda"-Niveau.

http://www.eloy.de/

eloy@bigfoot.de

Vorbereitung:
Thomas Mitschang + Stefan Glas

Interview & Bearbeitung:
Stefan Glas

Photos: Stefan Glas

ELOY im Überblick:
ELOY – Chronicles I (Rundling-Review von 1994 aus Underground Empire 7)
ELOY – Chronicles II (Rundling-Review von 1994 aus Underground Empire 7)
ELOY – Ocean 2 - The Answer (Rundling-Review von 1998 aus Y-Files)
ELOY – The Tides Return Forever (Re-Release-Review von 2012 aus Online Empire 50)
ELOY – Timeless Passages (Rundling-Review von 2003 aus Online Empire 15)
ELOY – Visionary (Rundling-Review von 2010 aus Online Empire 42)
ELOY – Underground Empire 7-Special (aus dem Jahr 1994)
ELOY – Y-Files-"Portrait"-Artikel (aus dem Jahr 1994)
ELOY – Metal Hammer 04/95-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 1995)
ELOY – Online Empire 3-Interview (aus dem Jahr 2000)
ELOY – Online Empire 46-"Eye 2 I"-Artikel: »The Legacy Box« (aus dem Jahr 2011)
ELOY – Online Empire 48-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2011)
ELOY – News vom 09.09.2009
ELOY – News vom 08.02.2011
Playlist: ELOY-Album »Ocean« in "Playlist Heavy 122" auf Platz 1 von Stefan Glas
Playlist: ELOY-Album »The Tides Return Forever« in "Jahrescharts METAL HAMMER 1994" auf Platz 6 von Stefan Glas
Playlist: ELOY-Album »The Tides Return Forever« in "Playlist Heavy, oder was!? 60" auf Platz 3 von Stefan Glas
Playlist: ELOY-Album »live @ Night Of The Prog 2011« in "Playlist Heavy 136" auf Platz 1 von Stefan Glas
Playlist: ELOY-Liveshow St. Goarshausen, "Night Of The Prog"-Festival 08.07.2011 in "Jahrescharts 2011" auf Platz 2 von Stefan Glas
siehe auch: Musik von ELOY in den Filmen "Geheimcode: Wildgänse" und "Der Commander"
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