Y-Files-Datasheet |
Contents: Steve Mann-''Portrait''-Artikel |
Date: 07.12.1994 (created), 03.05.2022 (revisited), 07.06.2024 (updated) |
Origin: post-UNDERGROUND EMPIRE 7 |
Status: unreleased |
Reason: medium missing |
Task: revitalize |
Comment: Mittlerweile ist UNDERGROUND EMPIRE 7 komplett online, so daß wir uns nun den Beiträgen zuwenden, die bereits für die Nachfolgeausgabe entstanden waren. Da diese nie erscheinen sollte, blieben diese Texte bislang unveröffentlicht; lediglich einige wurden für die frühen Online-Ausgaben verwendet. Daß aber wir auch nach UNDERGROUND EMPIRE 7 fleißig waren, zeigen diese Artikel, die nun auf diesem Weg veröffentlicht werden; darunter befinden sich allerdings auch einige Fragmente, die in ihrem unvollständigen Zustand wiederbelebt werden, um einen möglichst genauen Eindruck davon zu vermitteln, wie UNDERGROUND EMPIRE 8 hätte aussehen sollen.
Dies war die erste Story, die ich für die "Portrait"-Serie, der erst viele Jahre später im Online-Universum wieder aufgegriffem wurde, gemacht hatte. Es ist nicht zu übersehen, daß hier das "Cult Complete"-Konzept zugrundelag, aber eben etwas abgewandelt wurde. So lag der Fokus hier nicht auf einer Band, sondern einem Künstler, aber die Platten dienten als Leitlinie durch das Interview, das im Stuttgarter "Longhorn" stattfand. Steve Mann hatte ich dank Frank Bornemann kennengelernt, der damals nämlich gerade eine Platte in Franks "Horus Sound Studio" produzierte, als ich dort zu Besuch war, und das Resultat zeigt, daß die Entscheidung richtig war, ihn auszuwählen - nicht nur, weil Steve sich geduldig meinem Fragenmarathon stellte. Sehr schade, daß dieser Artikel fast 30 Jahre im UE-Archiv schlummern mußte. Das ursprüngliche Konzept sah übrigens vor, daß zur optischen Umsetzung mit einem Bilderrahmen gearbeitet werden sollte - eben einen solchen, in dem man ein Portrait aufhängen würde. Ich hatte damals schon einige Entwürfe gemacht, von denen ich den schlüssigsten wiederbelebt habe, so daß er nun hier zu sehen ist: So wäre die Story also eröffnet wordem, wenn es eine weitere Printausgabe des UNDERGROUND EMPIRE gegeben hätte. Heuer habe ich für den Start der Story allerdings das etwas vereinfachte Designkonzept übernommen, das ich entwickelte, als es den ersten Online-"Portrait"-Artikel gab.
P.S.: Ich hatte mir in der Datei noch ein paar zusätzliche Fragen notiert, die ich Steve noch auf postalischem Wege nachreichen wollte, was dann aber nie geschah - weil UNDERGROUND EMPIRE 8 nie geschah. Dennoch sollen sie an dieser Stelle nun stehen: So wollte ich Steve noch auf Details zu seinem "Frida Park"-Studio befragen und zum anderen diese beiden Fragen loswerden:
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Supervisor: Stefan Glas |
Ein Streifzug durch das Leben eines Musikers hat stets seine ganz eigenen Reize. Denkt man über passende "Opfer" nach, so würde man spontan eher zu Namen von James Hetfield bis Tom Araya tendieren. Auf die Idee, Steve Mann zu "durchleuchten", käme wohl kaum jemand. Eher im Gegenteil, denn viele müßten sich wohl eher fragen, von wem denn da gerade die Rede ist. Doch nach Ablauf der bevorstehenden Zeilen wird bei Euch allen der Groschen gefallen sein, denn unser 90-minütiger Big Talk brachte eine Menge Fakten zutage, die nicht nur die Karriere von Steve abstecken, sondern zugleich auch ein Stück der Geschichte des Heavy Metals plastisch machen. Um auch die Story sehr handgreiflich zu machen, hatte ich alle "Steve Mann-Releases" zu dem Interview mitgebracht, um sie Steve nach und nach vor die Nase zu halten. Beginnen wir mit der Erkenntnis, die ich bereits erlangt hatte, als ich Steve vor etwa vier Jahren kennenlernte, daß er einer der nettesten und zugleich talentiertesten Musiker dieses Erdball ist.
Okay, Steve, was sollten wir über Dich persönlich wissen?
Ich denke, ich beginne am besten mit meiner musikalischen Ausbildung! Ich wuchs in einer sehr musikalischen Familie auf. Meine Mutter spielte Violine, mein Vater Slide- und Hawaiigitarre, und mein Bruder spielt Kirchenorgel und Baß. Ich begann mit klassischen Klavierstunden als ich sieben Jahre alt war, mit zehn Jahren startete ich mit Akustikgitarre, und als Fünfzehnjähriger entdeckte ich Eric Clapton. Vier Jahre zuvor hatte ich bereits meine erste Band zusammen mit meinem Bruder, der Leadgitarre spielte, und ich war der Drummer. Das Schlagzeug gab ich jedoch wieder auf, weil ich mich zu melodischeren Instrumenten hingezogen fühlte. Tja, und eben jene Begegnung mit Eric Clapton brachte mich dazu, Leadgitarre zu spielen.
Es war also Eric Clapton, der Dich letztendlich zur härteren Musik brachte!
Ja, er war der Erste, der mich wirklich total heiß auf Musik gemacht hat. Ich hörte das DEREK AND THE DOMINOS-Doppelalbum (Eine Band, die Eric Clapton 1970 gegründet hatte, aber nur ein Album machte und sich nach wenigen Monaten wieder auflöste. - sg), und es bließ mich einfach weg! Ich liebte diese erdige, bluesige Gitarre, und ich wußte, daß das die Musik ist, die ich auch machen wollte.
Was gibt es über die Zeit vor LIAR zu sagen, die Deine erste professionelle Band waren.
Ich spielte lediglich in einer weiteren Band vor LIAR, die sich FAST BUCK nannte und in den ganzen Pubs rund um London auftrat. FAST BUCK war eine ziemlich interessante Band, denn Scott Gorham, der dann zu THIN LIZZY ging, war der zweite Gitarrist, Charlie Harper spielte Baß, der anschließend zu UK SUBS, einer der frühen Punkbands, ging. Es war eine gute Band, die schwerpunktmäßig Covers spielte. 1977 kamen dann LIAR ins Rampenlicht.
Und hier ist deren erste Scheibe »Straight From The Hip«...
Wow, lange nicht mehr gesehen! Ich habe diese Platte nämlich selbst nicht mehr.
Was fällt Dir zu diesem Teil ein?
Tierisch betrunken... Ja, wir alle tranken damals eine ganze Menge. Außerdem erinnere ich mich daran, daß wir auf der zweiten Tour nach dem Release von »Straight From The Hip« UFO supporteten. Ich hörte damals zum ersten Mal Michael Schenker und war einfach total von den Socken! LIAR waren eine großartige Band, und es ist eine Schande, daß sie zum falschen Zeitpunkt gegründet wurden. Es war nämlich genau ein Jahr vor der großen Punkexplosion, und plötzlich wollte kein Mensch mehr etwas von Rockmusik wissen. Ich glaube, wir kriegten nie die Chance, die die Band verdient hatte, aber es war eine tolle Band, besonders Sänger Dave Burton war überragend. Ich weiß überhaupt nicht, was er heute macht.
Es folgte »Set The World On Fire«, und obwohl nur ein Jahr zwischen beiden Platten lag, klang sie deutlich straighter und härter als »Straight From The Hip«, welche noch eher rock'n'rolligen, bluesigen Hard Rock präsentierte.
Ich glaube, daß dies am allermeisten am Produzenten John Alcock lag, der damals gerade zwei recht erfolgreiche THIN LIZZY-Alben produziert hatte. Weil wir aufgrund der Punkwelle keinen Erfolg in Europa hatten, versuchten wir, etwas amerikanischer zu klingen, und engagierten John Alcock, dessen Produktionsstil sehr amerikanisch gefärbt war. So klang »Set The World On Fire« etwas härter, hatte voluminösere Harmonien, während auf den bluesigen Touch verzichtet wurde. Das ursprüngliche Konzept von LIAR sah eigentlich so aus, daß die Band wie STATUS QUO mit aufwendigeren, größeren Harmonien klingen sollte.
Wußtest Du, daß »Set The World On Fire« auch als Picture Disc veröffentlicht wurde?
Oh ja, aber wußtest Du, daß diese Picture Disc die erste in England, ja ich glaube sogar in ganz Europa war?!?
Wirklich? Das war mir neu! Was gibt es eigentlich zu den sonstigen musikalischen Betätigungsfeldern der LIAR-Musiker zu sagen. Ich konnte nur herausfinden, daß Drummer Clive Broogs zwei Platten mit den GROUNDHOGS eingespielt hatte.
Ja, Clive kam von den GROUNDHOGS und war zuvor bei EGG. Der Basser Dave Taylor spielte bei EDDISON LIGHTHOUSE, die einen Hit namens ›Love Grows‹ hatten. Dave Burton hatte zuvor lediglich bei Lokalbands in Birmingham gesungen, und Paul Travis hatte zuvor ein Soloalbum aufgenommen. Was die Leute heute machen, weiß ich leider nicht. Wir hatten zwar 1982 versucht, die Band zu reformieren, aber sie hatten zu diesem Zeitpunkt schon alle Familien gegründet, so dieser Versuch fehlschlug, und so viel ich weiß, haben sie heute nichts mehr mit Musik am Hut. Ich habe jedoch leider den Kontakt zu ihnen verloren.
Was sagst Du eigentlich zu den Covers von LIAR? Ziemlich nette Orangenhaut bei »Straight From The Hip«...
Ja, und zwar verdammt viel Haut! Ich mag das Cover, weil es Dich dazu nötigt hinzuschauen, zweimal hinzuschauen. Das Cover ist gut, weil es so geschmacklos ist. Das Cover von »Set The World On Fire« jedoch habe ich von Anfang an gehaßt!
Kannst Du uns sonst noch etwas über LIAR verraten?
Ja, wir hatten ein drittes Album aufgenommen, das nie veröffentlicht wurde. Wir hatten es für BEARSVILLE aufgenommen, die auch schon »Set The World On Fire« herausgebracht hatten, aber es gab eine Menge Streß mit der Firma, denn Paul Fishkin, der uns gesignt hatte, verließ gerade zu diesem Zeitpunkt die Firma. So wurde unsere dritte Platte nicht veröffentlicht, was mir echt leid tut, denn sie war ein echter Killer! Ich habe das Teil auf Kassette und höre es heute noch und wünsche mir immer noch, daß es veröffentlicht worden wäre. Nach diesem Tiefschlag lösten sich LIAR auf. Wir hatten das Pech, zwischen zwei Perioden zu fallen. Der alte Hard Rock war out, und alle wollten nur noch Punk hören, die New Wave Of British Heavy Metal jedoch hatte noch nicht begonnen. Wenn ich heute zurückblicke, denke ich, daß es, wenn wir es vielleicht geschafft hätten, ein weiteres Jahr durchzuhalten, plötzlich eine ganz andere Story gewesen wäre.
NWoBHM ist ein gutes Stichwort, denn nach dem Split von LIAR bist Du zu TYTAN gewechselt!
Eigentlich kamen zuerst LIONHEART...
Aha, das war mir nicht bekannt, denn das LIONHEART-Album wurde erst 1984 veröffentlicht, während »Blind Men & Fools« von TYTAN schon 1982 erschien.
Ja, die Platten erschienen in einer anderen Reihenfolge, aber LIONHEART wurden bereits 1980 gegründet!
Laß' uns dennoch zuerst über TYTAN sprechen! Die Band hatte zu Lebzeiten mit der »Blind Men & Fools«-Maxi nur einen Release, während das »Rough Justice«-Album post mortem veröffentlicht wurde! Es gab da ein kleines Verwirrspiel mit den Bandfotos von TYTAN, denn auf »Blind Men & Fools« sieht man ein Gruppenfoto von allen fünf Musikern, während auf »Rough Justice« nur Einzelshots von Kal Swan, Steve Gibbs und Kevin Riddles zu sehen waren und Les Binks plus Simon Wright als Drummer sowie Du plus Dave Harrison als Gitarristen mit der Bezeichnung "our friends" erwähnt wurden. Wer durfte sich also zu den offiziellen Mitgliedern von TYTAN zählen?
Ja, das ist eine gute Frage, denn ich bin mir nicht mal sicher, wie es sich genau verhält. Okay, soweit ich mich erinnere, war ich damals bei LIONHEART und kam zu TYTAN, mit denen ich das Album aufnahm und eine Tour spielte. Ich war also nie ein hundertprozentiges Vollmitglied bei TYTAN, und als ich zu LIONHEART zurückging, wurde ich von Dave Harrison ersetzt. Daher wurden wohl nur die drei ständigen Mitglieder von TYTAN auf »Rough Justice« abgebildet, während der Rest nur erwähnt wurde. Aber damals als »Blind Men & Fools« erschien, waren wir alle noch wie eine richtige Band zusammen. Aber ich muß gestehen, daß ich nicht mal wußte, daß »Rough Justice« erschienen war, bis ein Freund es mir Jahre später erzählte. Ich habe bis heute noch kein Exemplar der Platte.
Laß' uns doch mal etwas über die einzelnen Musiker von TYTAN sprechen. Kal Swan sang nach TYTAN auf den Alben von Kuni und Mark Edwards und gründete dann LION und später BAD MOON RISING. Wie denkst Du über diese Bands?
Ich traf Kal einmal als ich mit MSG in Los Angeles war. Er arbeitete damals mit LION, aber leider habe ich nie etwas von ihnen gehört, außer daß ich weiß, daß Kal ein großartiger Sänger ist. Uns ging es bei unserem Treffen allerdings nicht so sehr ums Business, sondern wir tranken einfach ein paar Bier und plauderten über die alten Tage. Wir nahmen uns damals fest vor, uns mal wieder zu treffen, aber das hat leider nicht geklappt, so daß ich LION nie gehört habe. Daß er heute eine Band namens BAD MOON RISING hat, war mir überhaupt nicht bekannt.
Eine ebenso interessante Person ist Kevin Riddles, der auf dem legendären ersten ANGEL WITCH-Album gespielt hatte! Er war ebenfalls bei einem Projekt namens MAX AND THE BROADWAY METAL CHOIR tätig...
Ja, da war ich ebenfalls dabei! Es war ein Typ von New York, der das Projekt gestartet hatte. Ich habe seinen richtigen Namen vergessen, denn wir nannten ihn einfach nur "Mad Max" (Er heißt Max Gelt. - sg). Wir spielten eine Show, und das war's. Es war total verrückt! Kevin war als Pfaffe verkleidet. Ich und Jan Cyrka, der zweite Gitarrist, mußten Pyjamas tragen. Die beiden Backgroundsängerinnen hatten zum Ausgleich so gut wie nichts an, was der ganzen Aktion etwas Pep verlieh. "Mad Max" hatte die verrückte Idee, eine Heavy Metal-Superband zusammenzustellen, aber es kam nur zu diesem einen Showcase, zu dem er alle nur erdenklichen Plattenfirmen eingeladen hatten. Mitten in der Show sprang er rückwärts vom Schlagzeugpodest und brach sich das Bein, brachte aber dennoch auf einem Stuhl sitzend die Show zu Ende. Anschließend mußte er drei Wochen ins Krankenhaus, und zugleich war der Schlußstrich unter MAX AND THE BROADWAY METAL CHOIR gezogen. Ich habe zu Hause noch ein Video, um das alles zu beweisen...
Was war mit Steve Gibbs? Ich konnte nichts über ihn herausfinden!
Ja, mit Steve ist es etwas kompliziert. Ich traf seinen Bruder bei einem Konzert hier in Deutschland, und er ließ mir Grüße von Steve ausrichten, und ich erfuhr, daß er ziemlich krank ist, so daß er schon lange keine Musik mehr macht. Vor TYTAN spielte Steve bei einer NWoBHM-Band namens EIGHT IS EIGHT, die in England eine recht beachtliche Anhängerschaft hatten. Wir hatten beide sehr gut harmoniert, denn Steve war einer von den Gitarristen, die einfach aus dem Bauch heraus spielen und nie an ihrem Part herumfeilen. Ich dagegen arbeite immer sehr intensiv an meinem Part, und unsere beiden Stile paßten hervorragend zusammen. Zudem sahen wir sehr ähnlich aus, so daß wir nahezu wie Brüder wurden. Wenn ich das Bild von »Blind Men & Fools« betrachte, kann noch nicht mal ich uns beide voneinander unterscheiden, aber ich hoffe, daß ich der da links bin, denn er sieht besser aus...
Wer war eigentlich der ursprüngliche TYTAN-Drummer, denn auf »Rough Justice« liest man ebenfalls zwei Namen, nämlich Simon Wright, der später mit AC/DC spielte, und Les Binks, der bei JUDAS PRIEST auf »Stained Glass«, »Killing Machine« und »Unleashed In The East« der Drummer war.
Zu dieser Liste mußt Du noch einen weiteren Namen addieren, nämlich Dave Dufort, der ebenfalls wie Kevin bei ANGEL WITCH gespielt hatte. Kevin und Dave blieben nach dem Split von ANGEL WITCH zusammen und gründeten TYTAN. Als ich zu TYTAN kam, empfand ich den Stil von Dave sehr seltsam, um es mal vorsichtig auszudrücken und vertrat die Überzeugung, daß wir nichts erreichen können, wenn die Rhythmusgruppe nicht absolut tight ist. Die Band stimmte zu, denn eigentlich war Dave nur bei TYTAN, weil er und Kevin gute Freunde waren. Also brachte ich Les Binks ins Gespräch, den ich schon lange Zeit kannte, mit dem ich schon 1976 in einer Band gespielt hatte und der auch mal eine Zeitlang bei LIONHEART ausgeholfen hatte. So kam Les zu uns und spielte die Maxi und das Album ein. Les verließ die Band dann jedoch wieder, Simon Wright kam zu TYTAN und spielte zwei der Songs ein, die auf »Rough Justice« zu hören sind, aber leider kann ich mich nicht mehr erinnern, welche Songs es waren. Simon spielte dann auch auf der folgenden Tour..., nein, warte! Es war nicht Simon, sondern schon wieder ein neuer Mann namens Tony, ähm Tony Irgendwas (Der Name lautete Tony Boden - sg). Ja, wir spielten eine Tour mit den TYGERS OF PAN TANG, und eben dieser Tony spielte die Tour. Es war also insgesamt vier Drummer bei TYTAN! Es war echt kompliziert mit dieser Band!
TYTAN kamen eigentlich nie so recht aus dem Quark und blieben stets eine Insiderband. Welche Gründe siehst Du im Rückblick dafür?
Ein Problem war sicher die Plattenfirma KAMAFLAGE, die von DJM MUSIC vertrieben wurden. KAMAFLAGE war einfach zu klein, und ihnen fehlten die Möglichkeiten, eine Band richtig zu promoten. Wären TYTAN bei einer größeren Firma gewesen, hätte können durchaus etwas mehr passieren, denke ich. Soweit ich weiß, gingen KAMAFLAGE pleite und zogen TYTAN praktisch mit. Aber ich denke, es spricht sehr für TYTAN, daß nach deren Auflösung immer noch genügend Interesse bestand, so daß »Rough Justice« dennoch erschien. Zu der Zeit als TYTAN sich auflösten, war ich jedoch schon wieder bei LIONHEART. Wie ich schon sagte, hatten wir 1980 mit LIONHEART begonnen und spielten im "Marquee" in London und all den Clubs in England, in denen auch alle anderen NWoBHM-Bands auftraten, aber leider konnten wir keinen Deal abschließen. So folgte irgendwann eine Periode, in der LIONHEART völlig passiv waren, und genau zu diesem Zeitpunkt rief mich Kevin Riddles an und fragte, ob ich mit TYTAN das Album einspielen möchte. Weil wir gut miteinander auskamen, baten sie mich, fest bei TYTAN einzusteigen. Ich ging darauf ein, jedoch mit dem Hinweis, daß LIONHEART immer noch Priorität für mich hätten. Nach den Aufnahmen und der Tour mit TYTAN ging ich zurück zu LIONHEART, und ab diesem Zeitpunkt begann es, besser für LIONHEART zu laufen.
Wenn ich Dich recht verstanden habe, nahmen TYTAN ein komplettes Album auf, wobei vorab nur drei Songs in Form der »Blind Men & Fools« Maxi veröffentlicht wurden!
Ja, zu diesem Zeitpunkt waren die Aufnahmen komplett abgeschlossen, und wir mixten die drei Songs für »Blind Men & Fools«. KAMAFLAGE veröffentlichten die Maxi, während wir den Rest des Albums fertig mixten. Lediglich zwei Songs waren nicht komplett, für die Simon Wright als neuer Schlagzeuger dann noch die Drums einspielen mußte. Das war etwa sechs Monate nach dem Release von »Blind Men & Fools«.
Du hast von LIONHEART als einer typischen NWoBHM-Band gesprochen, während die einzige LIONHEART-Platte »Hot Tonight« sehr auf der AOR-Schiene lag. Klangen LIONHEART zu Beginn anders als 1984 auf der Platte zu hören war?
Das lag mal wieder am Produzenten. Wir waren viel heavier und NWoBHM-orientiert, aber unser Manager Nigel Thomas dachte, daß es das Beste für uns sei, uns Richtung Amerika zu orientieren. So wurde Kevin Beamish unser Produzent (der sich einen Namen als Produzent von REO SPEEDWAGON gemacht hatte - sg). Ich mag nicht so sehr, was er getan hat, denn er hat der Band die Energie und die Power genommen. Ich denke nicht, daß er der passende Produzent für uns gewesen war. Um ehrlich zu sein, ich war damals etwas enttäuscht über »Hot Tonight«.
War das LIONHEART Line-up zu Beginn der Achtziger identisch mit der Besetzung von »Hot Tonight«?
Im ersten LIONHEART-Line-up spielten Dennis Stratton und ich Gitarre, die Drums spielte Frank Noon, der der erste DEF LEPPARD-Schlagzeuger war, Rocky Newton spielte den Baß, und unser Sänger war Jess Cox von den TYGERS OF PAN TANG. Es stellte sich heraus, daß er nicht zu uns paßte, und so kam Reuben Archer zu uns, der wiederum gegen Bob Hawthorne ausgetauscht wurde, welcher anschließend zu Bernie Marsdens SOS ging, und schließlich kam Chad Brown zu uns, der auf »Hot Tonight« zu hören ist.
Für einen Außenstehenden mutet LIONHEART ein wenig wie eine Retorten-All-Star-Band an! Wie habt Ihr damals zusammengefunden?
Wir wurden bei unserer Gründung wirklich von SOUNDS als die erste NWoBHM-Supergruppe bezeichnet! Ja, Dennis kam von IRON MAIDEN, Jess von TYGERS OF PAN TANG, Rocky und Frank kamen von WILDFIRE, aber ich kann mich nicht mehr recht erinnern, wie wir zusammenkamen. Ich weiß nur noch, daß Jess mich anrief, weil ich eine Audition bei TYGERS OF PAN TANG hatte. Ich kriegte zwar den Job nicht, sondern John Sykes, aber Jess behielt meine Telephonnummer, und eines Tages rief er mich an und sagte, daß er gerade mit Dennis eine neue Band gegründet habe und ob ich nicht mal vorspielen möchte. Ach ja, jetzt erinnere ich mich auch wieder, daß Dave Dufort der erste LIONHEART-Drummer war, dem ich später wieder bei TYTAN begegnete.
Deine Aussage zu »Hot Tonight« hat mich stark erstaunt, denn ein Freund von mir, der ein absoluter AOR-Liebhaber ist, schätzt die Platte als eine der AOR-Jahrhundertwerke ein, und ich sehe das ähnlich!
Das ist einfach Geschmacksache! Ich persönlich liebe AOR; ich liebe Bands wie FOREIGNER, TOTO oder BOSTON. Das Problem bei »Hot Tonight« bestand darin, daß es anders war, als es uns vorschwebte. Wir wollten eigentlich die Gitarren heavier, und die ganze Geschichte sollte etwas rauher klingen. Aber als AOR-Album, schätze ich, ist »Hot Tonight« wirklich gut, denn die Songs sind ziemlich gut. Es beeindruckt mich, daß es Leute gibt, die es als AOR-Klassiker sehen. Weißt Du, man steht diesen Sachen meist so nahe, daß man unfähig ist, sie losgelöst zu analysieren.
Auch mit LIONHEART wollte es nicht so recht losgehen, denn »Hot Tonight« blieb der einzige LIONHEART-Release!
Richtig, wir nahmen nur dieses eine Album für CBS auf. Oh ja, LIONHEART waren wirklich eine komplizierte Angelegenheit. Es steckten eine Menge Businessgeschichten dahinter. Unser damaliger Manager Nigel Thomas hatte eine Menge Sachen laufen, und von den meisten wußten wir nichts. Wir waren damals sehr viel jünger und verstanden einfach nicht, was alles im Background von LIONHEART abging. Wir spürten immer, daß irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht, aber nichts desto trotz war LIONHEART eine großartige Band! Ich kann Dir verraten, daß wir momentan versuchen, LIONHEART zu reformieren. Chad, Rocky und ich arbeiten schon seit einiger Zeit in meinem Studio daran, neues LIONHEART-Material auf Band zu bannen. Wir sind davon überzeugt, daß wir mit der Band in Japan gute Chancen haben könnten. SONY MUSIC ENTERTAINMENT haben die »Hot Tonight«-CD im letzten Jahr in Japan veröffentlicht und das hat unsere Faszination für LIONHEART wiedererweckt, denn wir hatten immer den Eindruck, daß wir mit LIONHEART einfach in der Luft hängengelassen worden waren. Es war schließlich eine reine Business-, bzw. Plattenfirmenangelegenheit, weshalb LIONHEART nicht weiterleben konnte. Als nun die CD in Japan veröffentlicht wurde, begannen wir wieder mit LIONHEART zu arbeiten und hoffen nun, daß wir die Aufnahmen bis Ende Januar abgeschlossen haben. Es besteht bereits Interesse für einen Release in Japan, so daß wir hoffen, daß es dieses Mal besser klappt!
Dann erzähl' uns doch mal exklusiv und aus erster Hand, was wir von den neuen LIONHEART hören werden.
Ich wünschte, ich hätte ein Tape dabei, dann hättest Du können reinhören! Also werde ich versuchen, etwas dazu zu sagen. Wir haben inzwischen vier Songs fertig gemixt, und für mich ist es das beste Material, das wir bislang aufgenommen haben. Weißt Du, heute stehen die Zeichen total anders. Wir wußten zwar schon damals, was wir wollten, aber wir waren von so vielen anderen Leuten abhängig. Ich habe mittlerweile mein eigenes Studio namens "Frida Park", und so können wir das umsetzen, was uns vorschwebt. Für mich klingt es viel powervoller als die alten LIONHEART - eben so wie wir die alten LIONHEART hätten gerne klingen lassen. Zudem empfinde ich die Songs als deutlich besser.
Was war der Punkt, an dem sich LIONHEART damals auflösten?
Es war wohl als unser Manager kam und sagte, daß er aufhören würde und daß unser Deal geplatzt sei. Wir versuchten eine Zeitlang, einen neuen Deal zu kriegen, aber wir mußten wieder ganz unten anfangen. Wir waren enttäuscht, fühlten uns im Stich gelassen, und das hat uns unseren ganzen Schwung genommen, weil die Arbeit von vier Jahren umsonst gewesen sein sollte. Es war so, als hätte uns jemand den Boden unter den Füßen weggezogen, und wir landeten dabei auf dem Rücken.
Chad, Rocky und Du waren auch bei dem Projekt THE EUROPEAN TEAM beteiligt. Kannst Du Dich noch daran erinnern?
Nein, haben wir da wirklich teilgenommen?
Logo, ich habe hier den Beweis: Auf dem Coverfoto der damals entstandenen Maxi »Sports Alive« sieht man Euch alle drei!
Oh mein Gott, wirklich! Da sind wir. Mann, das ist eine Überraschung! Wie nennt sich die Platte sich? THE EUROPEAN TEAM? Das habe ich noch nie gesehen!
Der Anlaß zu diesem Benefiz-Projekt war das Unglück bei dem Endspiels des Fußball-Europapokals der Landesmeister von FC Liverpool gegen Juventus Turina am 29. Mai 1985 in Brüssel im Heysel-Stadion, bei dem es vor dem Spiel zu Ausschreitungen kam, bei denen 36 Menschen starben. Ihr seid auf der Platte als LIONHEART aufgeführt, so daß ich davon ausgehe, daß die Band zu diesem Zeitpunkt noch existiert hat!
Ja, LIONHEART existierten damals noch, aber wie wir schon gesagt haben, ging es nach der Veröffentlichung von »Hot Tonight« immer mehr bergab mit der Band.
Deine nächste Station nach LIONHEART waren die reformierten MSG, die sich nun McAULEY SCHENKER GROUP nannten, wo Du, Rocky und Bodo Schopf spielten.
Ich schätze, das waren die glücklichsten Tage meines Lebens. Zum einen war Michael schon immer einer meiner Lieblingsgitarristen gewesen, und die Möglichkeit, mit ihm zusammenarbeiten zu können, war einfach phänomenal. Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis miteinander, denn ich wollte nie mit ihm konkurrieren, und er war froh darüber. Ich glaube, er vertraute mir, daß ich ihn nicht ausstechen wollte, keinen Konkurrenzkampf mit ihm im Sinn hatte, sondern einfach nur mit ihm kooperieren wollte. Wir haben viele Stunden im Proberaum zusammengesessen und Gitarrenparts ausgearbeitet. Ich habe dabei sehr viel gelernt, denn seine Technik ist einfach erstaunlich, so daß sich mein Gitarrenstil während dieser Zeit ungeheuer entwickelt hat. Außerdem kam ich durch MSG nach Hannover und hatte dort eine großartige Zeit, so daß ich mich dort niederließ. Mittlerweile habe ich dort mein eigenes Studio aufgebaut und außerdem eine wunderbare Freundin gefunden. Ja, ich mag Deutschland wirklich, und ich versuche verzweifelt, Eure Sprache zu lernen, aber Ihr habt einfach zu viele Varianten des Wörtchens "the"!
Erzähl' uns doch mal etwas über Michael Schenker, über den man eigentlich immer mehr zu seinen Alkohol- und Drogenproblemen gehört hat, als über seine wirkliche Persönlichkeit!
Ich lernte ihn als sehr stillen und scheuen Menschen kennen. Er wußte immer sehr genau, was er wollte, aber ich glaube, er konnte nie richtig kommunizieren. Meine eigene Interpretation dazu sieht so aus, daß seine Kommunikation durch sein Gitarrenspiel verlief. Sein Spiel ist so emotional, weil er nicht so besonders mit den Menschen sprechen konnte. Ich glaube, daß er so auch seine Alkoholprobleme bekam, denn der Alkohol half ihm vermutlich, über seine Introvertiertheit, seine Schüchternheit hinwegzukommen. Als ich ihn kennenlernte war er total clean, aber ich sah ihn später auch, als er wieder zu trinken begonnen hatte, und ich stellte fest, daß er dann zu einer total anderen, gelegentlich sehr seltsamen Person wird. Um ehrlich zu sein, ich halte Michael für ein Genie, und solche Leute sind in irgendeiner Hinsicht immer etwas seltsam, und Michael ist keine Ausnahme.
Warum wurde diese Formation von MSG nach den beiden Alben »Perfect Timing« und »Save Yourself« in den Ruhestand geschickt?
Darüber gibt es mehrere Geschichten. Ich glaube, folgende kommt der Wahrheit vermutlich am nächsten: MSG waren im Grunde in Amerika beheimatet, denn Robin und Michael waren dorthin gezogen, und auch das Management hatte seinen Sitz in den Staaten. Der Rest der Band jedoch lebte weiterhin in Deutschland, und irgendwann wurde es einfach schwierig, uns immer wieder nach Amerika zu fliegen. Also beschloß man wohl irgendwann, daß es besser sei, die Band eher offen zu halten und mit Gastmusikern zu arbeiten. Wenn Du mich fragst, war es die völlig falsche Entscheidung, denn dies war der Anfang von Ende von MSG! Eine andere Version der Geschichte lautet so, daß Michael unsere Sternzeichen und Geburtsdaten wissen wollte und durch unsere Horoskope herausfinden wollte, ob wir in die Band passen würden, wobei sich herausstellte, daß ich und Bodo nicht passen würden. Ich weiß jedoch nicht, ob das stimmt oder nicht.
Wir wissen, wie sich MSG weiterentwickelten. Es erschien lediglich noch eine Akustikscheibe, und mittlerweile spielt Michael bekanntlich wieder bei UFO.
Ja, aber ich habe gehört, daß er zur Zeit wieder nach Musikern für eine neue MSG sucht...
Nach MSG hast Du Dich so langsam aber sicher immer mehr auf Deine Produzentenkarriere konzentriert. Kannst Du ein paar Bands nennen?
Ich begann meine Produzententätigkeit in England mit den Bands TORA TORA und SHOGUN. In Deutschland habe ich zahllose Bands produziert. Da waren z.B. LETTER X oder THUNDERHEAD, die ich co-produzierte. Ich muß jedoch zugeben, daß ich mich kaum noch an irgendwelche Namen erinnere.
Als aktiver Musiker hast Du mit einigen recht namhaften Produzenten gearbeitet, wie z.B. Will Reid Dick zu TYTAN-Zeiten oder, wie schon erwähnt, Kevin Beamish bei LIONHEART. Haben sie Dich inspiriert, animiert auch selbst als Produzent tätig zu werden?
Nein, die Produktionsgeschichte kam total zufällig zustande. Ich begann irgendwann als Engineer zu arbeiten, weil ich einfach nicht damit zufrieden war wie viele Engineers arbeiteten. Ich hatte schon lange in meinem Homestudio gearbeitet, so daß es keinen Grund gab, nicht einfach meinen Horizont zu erweitern und mich auch als Engineer zu versuchen. Das war ein bewußter Schritt, und irgendwann fing ich auch an zu produzieren, weil immer mehr Bands kamen und mich auch zu produktionsbezogenen Dinge zu befragen. Irgendwann baten mich Bands, mit denen ich schon als Engineer gearbeitet hatte, sie zu produzieren und so begann ich einfach, als Produzent zu arbeiten, um mich überraschen zu lassen, was passieren würde. Ich habe jedoch nie einen Entschluß dazu gefaßt, sondern es passierte einfach.
Bedauerst Du eigentlich, daß die meisten Scheiben, auf denen Du mitgespielt hast, heute nahezu nicht mehr erhältlich sind?
Nein, denn es muß im Leben einfach immer vorangehen. Die Leute, die die Musik mögen, kaufen sie sich, wenn die Sachen erscheinen, und so dreht sich die Welt immer weiter, und neue Dinge ereignen sich. Ich glaube, ich würde es bedauern, wenn ich nicht immer wieder selbst neue Aufnahmen machen würde. Aber so beschäftigt mich momentan die Musik, an der wir gerade mit LIONHEART arbeiten, und weil die neuen Sachen so viel besser sind, belastet es mich nicht, daß die alten Aufnahmen nicht mehr erhältlich sind. Abgesehen davon - wenn die neuen Sachen erfolgreich werden, kannst du deinen Kopf darauf verwetten, daß urplötzlich auch die alten Sachen wieder erhältlich sein werden, denn in dieser Hinsicht reagieren Plattenfirmen sehr schnell.
»Blind Men & Fools« von TYTAN kostet heute in Sammlerkreisen um die 100 DM. Hättest Du Dir damals vorgestellt, daß Du gerade an der Geburt einer zukünftigen Rarität beteiligt bist?
Absolut nicht im Geringsten! Mir wurde das erst bewußt, als ich mit MSG in Amerika war. Wir hatten damals einen Day Off, und ein Mädchen kam am Pool zu mir und erzählte mir, daß das Album im Underground sehr begehrt und nahezu unmöglich zu kriegen sei. Als wir mit den Aufnahmen beschäftigt waren, spürte ich zwar, daß die Musik sehr gut ist, aber ich hätte mir nicht zu träumen gewagt, daß sie mal so populär werden würde.
Waren die stilistischen Sprünge, die Du in Deiner Karriere gemacht hast, vom Hard Rock von LIAR über den Metal von TYTAN bis hin zum eher AOR-orientierten Sound von LIONHEART nur eine Produzentensache, oder wie würdest Du sie im Rückblick erklären?
Es war zweifelsohne zu einem großen Prozentsatz produzentenabhängig, aber auch ich habe meinen Stil geändert. Ich gehöre zu den Menschen, die nahezu jede Art von Musik hört. Ich habe absolut keine Probleme von PANTERA zu Brahms zu wechseln. Das reflektiert sich auch in der Musik, die ich gemacht habe, die zudem immer vom entsprechenden Zeitgeist abhängig war.
Welcher Künstler, von Michael Schenker abgesehen, mit dem Du zusammengearbeitet hast, hat Dir am meisten imponiert?
Schwere Frage, denn es gab eine Menge Musiker, die mich echt beeindruckt haben. Ich glaube, von den Musikern, mit denen ich zusammengearbeitet habe, muß ich Bodo Schopf nennen, mit dem ich schon bei MSG gespielt habe und der auch nun auf der ELOY-Tour mit dabei ist, denn er ist für mich einer der absolut herausragenden Drummer der ganzen Szene weltweit. Aber ich könnte an dieser Stelle sicher noch eine Menge anderer Namen nennen!
Welche Scheibe war der beste Release, bei dem Du mitgespielt hast?
Ich glaube, es liegt irgendwo zwischen dem TYTAN-Album und »Save Yourself« von MSG. Hmmm, ja, ich würde mich letztlich für TYTAN entscheiden, denn ich liebe die Songs, ich liebe Kals Stimme. Die Platte war so jung, so frisch, und ich habe ein sehr gutes Gefühl, wenn ich daran zurückdenke. Aber »Save Yourself« käme dann gleich an zweiter Stelle.
Alle Deine Bands waren sehr melodisch. Ist die Melodie Dein Credo in der Musik?
Ja, absolut, hundertprozentig! Melodie ist das allerwichtigste für mich. Ich kann mit Bands, die keine Melodie zustandebringen, nichts anfangen!
Du bist eigentlich Gitarrist, mußtest im Verlauf Deiner Karriere aber mehr und mehr auch die Keyboards übernehmen. War das ein Problem für Dich?
Eigentlich nicht, aber ich bin nun mal ein Gitarrist. Keyboards habe ich immer nur gespielt, weil ich mußte. Ich spiele gern Keyboards, und beispielsweise im Studio macht es mir nicht im Geringsten etwas aus, aber live fühle ich mich immer zu angebunden. Daher genieße ich die ELOY-Tour, weil ich hier fast ausschließlich Gitarre spiele. Auch bei den neuen LIONHEART werde bestimmt 90 Prozent Gitarre spielen, aber wir haben die Idee einen zweiten Musiker zu integrieren, der wie ich Gitarre und Keyboard spielen kann, der sich aber auf die Keyboards konzentrieren und nur gelegentlich Rhythmusgitarre spielen wird.
Eigentlich hast Du, von Ausnahmen mal abgesehen, nur bei LIONHEART Songs geschrieben. Siehst Du Dich selbst als Songwriter oder eher als Musiker, der die Ideen anderer Songschreiber in die Tat umsetzt.
Ich sehe mich ebenfalls als Songwriter! Der Grund, weshalb ich beispielsweise bei TYTAN keine Songs geschrieben habe, war einfach, daß das gesamte Material schon fertig war, als ich zu der Band stieß. Bei MSG habe ich zum Beispiel mit Robin McAuley zusammen ›Anytime‹ geschrieben. Ja, ich mag es, eigene Songs zu schreiben und sie zu interpretieren.
Welche Band, MSG natürlich mal wieder ausgenommen, hat Dich wohl am bekannsten gemacht?
Ich glaube, daß ich das von SWEET sagen kann, denn ich spiele mittlerweile seit 1989 mit SWEET, und wir haben so viele Liveauftritte in dieser Zeit gegeben, daß es sich einfach herumgesprochen haben muß!
Aha, aber nicht bis zu mir, denn ich mir war nicht bewußt, daß Du bei SWEET mitgespielt hast. Und ich dachte, ich hätte einigermaßen wasserdicht recherchiert...
[Lacht] Ich hab' Dich! Ich hatte mich auch schon gewundert, warum Du keine Fragen zu SWEET gestellt hast! Ja, ich habe in den letzten fünf Jahren nahezu jede Show mit Andy Scott's SWEET gespielt. Dann muß ich Dir noch etwas zu SWEET erzählen. Wir haben zum Beispiel im "Frida Park"-Studio ein SWEET-Album aufgenommen, was etwa 1991/'92 gewesen sein muß. Ja, es macht wirklich Spaß, mit SWEET die ganzen Oldies zu spielen, wobei SWEET für mich primär eine Möglichkeit ist, um rauszukommen und zu spielen. Es läuft alles sehr spontan. Andy teilt mir meist eine Woche vorher per Anruf die Livedates mit, und ich packe dann einfach meine Tasche, schnappe meine Gitarre und ziehe los, spiele ein paar Abende bis zum Umfallen und komme irgendwann wieder nach Hause. Ich liebe es einfach, live zu spielen, denn es macht unendlich viel Spaß!
Was haben Deine Eltern eigentlich dazu gesagt, daß der Sohnemann einfach nicht solide werden wollte und nur die Musik im Kopf hatte. Ich schätze als selbst aktive Musiker hatten sie da mehr Verständnis als andere Eltern!
Mein Vater hat nach dem Krieg selbst viele Gigs gespielt, und daher unterstützte er mich so gut er nur konnte. Soweit ich beurteilen kann, habe ich meine Eltern nicht enttäuscht, und ich hoffe, daß mein Vater vom Himmel aus herunterschaut und glücklich über das ist, was ich gerade mache!
Gab es für Dich auch mal echt miese Zeiten, in denen Du ziemlich am Hungertuch nagen mußtest?
Ich glaube, jeder Musiker hat die gleiche Geschichte, denn es ist nicht einfach, in diesem Business Geld zu machen. Aber wenn Du Dich dazu entschlossen hast, mußt Du dranbleiben und Dich auch durch die harten Zeiten beißen. Das war für mich damals, als wir Anfang der Achtziger LIONHEART flottkriegen wollten. Wenn es eine Zeit gab, in der ich kurz vorm Aufgeben war, dann war es eben diese Zeit zwischen 1981 und 1984. Aber ich wußte, was ich wollte, und so blieb ich einfach hart!
Gibt es also Zeiten, an die Du Dich lieber nicht zurückerinnerst?
Nein, denn ich gehöre zu den Leuten, die daran glauben, daß man mit allem, was man macht, etwas lernen kann. Es war oft hart oder gar mal ziemlich sch..., oder es gab Zeitpunkte, wo man eine völlig falsche Entscheidung getroffen hat. Aber - jede Erfahrung ist eine gute Erfahrung. Die einzigen Zeiten, die ich streichen würde, sind die, in denen ich es satthatte, zu Hause rumhing und nichts machte. Aber solange Du permanent auf das hinarbeitest, was Du erreichen willst, dann ist es okay!
Gibt uns doch mal ein kleines Resümee Deiner Musikerkarriere. Was hast Du als Quintessenz gelernt, die Du an jüngere Musiker weitergeben kannst?
Was ich sagen würde, ist folgendes: Wenn Du Dir sicher bist, daß es das ist, was Du definitiv tun möchtest, dann - go for it! Auch ich wurde als junger Musiker immer wieder gefragt, ob ich mir sicher sei, daß ich das wirklich tun möchte. Das Problem ist jedoch, daß Dir nie bewußt ist, wie hart es wirklich ist. Es ist echt sehr, sehr schwer, und es kann Dich wirklich dazu treiben, aufgeben zu wollen. Zu meiner Zeit war es eigentlich noch einfacher, denn es gab nicht so viele Bands, und es gab noch nicht die momentane Rezession. Aber, wenn Du immer noch sicher bist, dann mach' weiter und gib' niemals auf, das ist der einzige Weg. Wenn Du ausersehen bist, es zu schaffen, Du daran glaubst, es zu schaffen, dann wirst Du es eines Tages auch schaffen!
Noch ein kurzes Wort zu ELOY, mit denen Du gerade als Gitarrist die Jubiläumstour bestreitest. Wie fühlst Du Dich dabei, mit Leuten zu spielen, die schon seit 25 Jahren Musik machen und ein Stück Musikgeschichte geschrieben haben?
Oh, es ist eine große Ehre für mich! Es ist irgendwie neu für mich, denn ich bin kein gebürtiger Deutscher. Es ist noch etwas neuer für mich als für Leute, die die Musik schon seit langem kennen. Als ich zu dem Projekt stieß und begann, die Songs zu hören, sprach ich viel mit verschiedenen Leuten über ELOY, und mir wurde bewußt, welche Legende diese Band ist. Ich liebe die Musik, denn war ich schon immer ein Fan von spaciger, atmosphärischer Musik. Ich habe solche Musik schon immer gehört, aber hatte noch nie die Chance, auch mal solche Musik zu spielen, so daß es wirklich eine neue Erfahrung für mich ist. Ich kenne Frank Bornemann schon sehr lange, und er war immer ein guter Freund, so daß es einfach toll ist, mit ihm auf der Bühne zu stehen. Außerdem sind die Musiker alle Spitzenklasse, so daß es einfach Spaß macht, mit ihnen zu spielen.
Letzte Frage: Was haben wir vergessen?
Vermutlich habe ich stapelweise Sachen vergessen, aber ich glaube, ich habe Dir alles erzählt, an das ich mich noch erinnern kann. Es war eigentlich eher so, daß Du mich an Sachen erinnert hast, die ich mittlerweile vergessen hatte!
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