UNDERGROUND EMPIRE 7-Datasheet |
Contents: PHANTOMS OF FUTURE-Interview |
Date: 25.03.1993 (created), 24.07.2021 (revisited), 22.01.2022 (updated) |
Origin: UNDERGROUND EMPIRE 7 |
Status: published |
Task: from paper to screen |
Availability: original printed issue sold out! Several earlier issues still available; find details here! |
Comment: Das PHANTOMS of FUTURE-Interview war echt schick gestaltet, so daß es mir bis heute richtig gut gefällt - auch wenn es in der HTML-Version nicht nachzubauen war. So hatte ich das Bandlogo hochkant gestellt - und zwar in diesem Schrifttypus, der nun auch hier zu sehen ist, obgleich die Band auf ihren Platten eine Solid-Schrift verwendet hatte. Aber die mittige weiße Linie gab der Sache nochmal einen eigenen Pfiff. Dabei war vom Logo die Worte "PHANTOMS" und "of" in einem Grauraster unter den Text gelegt, während nur das Wort "FUTURE" oben "rauskuckte. Direkt rechts neben "FUTURE" war dann der Interviewtitel in einer etwas geschwungenen Schrift ebenfalls vertikal verlaufend zu lesen. Und nochmal weiter rechts, den Bereich der beiden rechten Spalten einnehmend war jenes Photo zu sehen, das auch heute als Aufmacher für die Story dient. Deweitern gab es vier Livephotos im Verlauf des Artikels zu sehen, zu denen ich heute noch weitere gefügt habe, um die optisch aufwendige Show der Band zu dokumentieren. Außerdem gibt es am Ende der Story noch ein weiteres Promophoto. Zumindest bei einer Sache haben wir uns am Original orientiert, denn auf den Covern ihrer Alben, die bis zu diesem Zeitpunkt veröffentlicht worden waren, hatte die Band das "OF" immer etwas kleiner dargestellt, was wir sowohl im gedruckten Artikel als auch in der heutigen Online-Version entsprechend gestaltet hatten. Zweifelsohne waren die PHANTOMS of FUTURE das künstlerisch spannendste und musikalisch hochwertigste, was Urgestein Hannes in seiner Karriere gemacht hat. |
Supervisor: Stefan Glas |
Genug von dieser Metalscheisse! Wo bleibt die Abwechslung? Da ist diese Band die absolute Alternative - PHANTOMS of FUTURE - originell, verdreht, berauschend, verwirrend, abwechslungsreich, verrucht, stimulierend, verrückt und rundum einfach geil!
Okay, ich geb's ja zu - bei der Besprechung der PHANTOMS of FUTURE-Scheibe im letzten Heft hab' ich mich krampfhaft verbal hin- und hergewunden und im Endergebnis doch nichts ausgesagt. Aaaaaber dann sah ich die Band live, und mir ging ein ganzer Lichterwald auf. Sofort verspürte ich in mir den ultimativen Trieb, diese Phantome mit einem Interview heimzusuchen. Dieser Gedanke ließ mich einfach nicht mehr los, und als die PHANTOMS of FUTURE nach Veröffentlichung ihrer »Chapter III - The Trance Album«-Scheibe wieder on the road gingen, stand ich in der ersten Reihe und streckte den Finger! Sänger Hannes und Gitarrist Dr. Krid (im bürgerlichen Leben heisst der Typ nebenbei Dirk) erbarmten sich meiner und stillten mein Verlangen.
Hannes, wie kommt man von dem simplen Punk/Hardcore mit einschichtigem Gesang der idiots zur Extravaganza Magna á la PHANTOMS of FUTURE?
Hannes: Dirk und ich haben etwa 1984 sehr experimentell begonnen. Damals waren etwa 200 Bands in einem riesigen Kulturzentrum, und so haben wir mit verschiedenen Musikern rumexperimentiert. Diese Leute kamen aus ganz unterschiedlichen Musikrichtungen und teilweise haben auch Leute mitgewirkt, die überhaupt keine Musiker waren. Wir hatten da beispielsweise einen Künstler, einen Photographen, der auf der Gitarre irgendwelche Geräusche produziert hat. Es war einfach der Spaß daran, etwas anderes zu machen! Aus Jux nannten wir uns HOESCH COMBO. Aus dieser experimentellen Phase sind PHANTOMS of FUTURE hervorgegangen. Anfangs waren ständig verschiedene Leute dabei. Doch nach und nach hat sich das Projekt gefestigt, und es machte uns immer mehr Spaß, und daher haben wir regelmäßiger geprobt, so daß wir die PHANTOMS gründeten. Der Name kam zustande, weil wir alle Nachtmenschen sind und uns eigentlich nur nachts getroffen haben, so daß wir das Wort "Phantoms" als geeignet empfanden; "Future" kam dazu, weil es solche Musik, wie wir sie machten, damals noch nicht gab. Zwei Jahre spielte ich in beiden Bands, merkte dann aber, daß ich mich hier besser verwirklichen und ausdrücken kann, so daß ich mich für die PHANTOMS entschied.
Ich habe anfangs immer "Phantoms Of The Future" gesagt, bis ich irgendwann merkte, daß da nirgends ein "the" war. Warum? Die grammatikalisch korrekte Version müßte dieses "the" enthalten!
Dirk: Das ist Slang! Wenn Du nach Amerika gehst, würde dort niemand das "the" sagen. Wir achten auch bei den Texten darauf, daß wir Straßensprache und kein Oxford-Englisch verwenden. Viele sagen aber wirklich "Phantoms Of The Future", obwohl andererseits viele nur PHANTOMS sagen, weil ihnen der komplette Name zu lang ist. Vielleicht sollten wir uns "POF" nennen...
Euer Motto lautet: "Bei PHANTOMS of FUTURE ist alles erlaubt; es muß nur verrückt genug sein!". Richtig?
Hannes: Wir haben gar kein Konzept! Wir versuchen, uns so ehrlich wie möglich darzubieten, wie wir fühlen, wie wir denken. Was wir auf der Bühne zeigen, das sind einfach wir!
Dirk: Für uns gibt es nichts Verrücktes, weil wir einfach so sind, wie wir uns auf der Bühne benehmen. Klar - auf der Bühne wird alles intensiver dargestellt, damit es auch die Leute in den hinteren Reihen sehen können.
Hannes: Wir haben alle schon ziemlich viel erlebt; waren schon bei mindestens 15 Psychiatern, haben schon achtmal den Magen ausgepumpt gekriegt aufgrund exzessiven Lebens. Jeder hat immer sein Ding durchgezogen - jenseits der Gesellschaft. Wir wollten immer uns selbst verwirklichen und uns nicht anpassen. Das ist das Lebensgefühl, das wir ausdrücken wollen und das sich in der Musik widerspiegelt, daß man seine Kreativität und seinen eigenen Geist fördert und nicht verkümmert wie viele andere. Viele sind einfach nur noch Roboter, die gar nicht mehr merken, was gut für sie ist. Dirk und ich meditieren viel, beschäftigen uns mit Esoterik und übersinnlichen Dingen, sind naturverbunden und versuchen, auch etwas für den Körper zu tun.
Dirk: Wir sind keine Band, die sich auf Tour nur endlos Drogen reinziehen. Wir dosieren Drogen insoweit, wie wir damit umgehen können. Du kannst sicher sein, daß wir auf der Bühne völlig clean und nüchtern sind, weil man nur so eine Tour durchstehen und jeden Abend das Publikum überzeugen kann. Wenn du zugedröhnt auf der Bühne stehst, bist du nicht mehr du selbst und bringst vieles aus dir raus, was nicht zu dir, sondern zu der Person, die neben dir steht, gehört. Diese Person hat man immer neben sich stehen, auch wenn man sich darüber nicht bewußt ist. Es wird durch zu hohen Drogenkonsum sehr viel Negatives nach außen gekehrt, und das ist Scheiße!
Hannes: Unsere Musik entsteht, indem wir uns irgendwann abends treffen und einfach drauflos spielen. Einer fängt an, und die anderen geben ihren Teil dazu. So entstehen unsere Stücke. Bei uns kommt nie jemand mit einem fertigen Stück. Daran sieht man, daß die Musik ehrlich ist, denn jeder spielt das, was er fühlt, was aus seinem Bauch dazukommt. Unsere Musik lebt davon, daß wir so verschiedene Charaktere sind - auch menschlich. Es ist manchmal wirklich schwierig, alle vier Meinungen unter einen Hut zu kriegen.
Dirk: Komischerweise vertragen wir uns dennoch viel besser als die meisten Bands, mit denen wir bisher getourt haben. Die haben sich während der Tour oft total zerstritten. Bei uns gibt es zwar auch oft Zoff, aber es geht immer gut aus, und wir ergänzen uns gegenseitig wieder. Das ist auch in einer Partnerschaft oder Beziehung wichtig, daß man immer wieder einen gemeinsamen Nenner findet. Das ist bei uns gegeben, auch wenn es nicht immer einfach ist, denn mit Cre, Roadies und Tontechnikern sind wir zusammen acht Leute, die immer miteinander auskommen müssen.
Hannes: Was wir noch mit der Musik ausdrücken wollen, ist, daß wir uns in dieser knallharten Realität unsere eigene Traumwelt aufbauen. Man merkt live, daß diese Traumvorstellung oder Trance, wie die Platte auch heißt, von den Leuten aufgenommen wird und daß sie weggetreten sind. Es fangen an Fantasien zu spielen und...
Dirk: Es ist uns schon öfter aufgefallen, daß die Leute weggetreten sind, und wir uns auf der Bühne von Stück zu Stück mehr in einem Traumzustand befinden. Deshalb haben wir diesen Begriff "Trance" gebraucht.
Hiermit habt Ihr meine nächsten sieben Fragen schon beantwortet... Ihr habt gerade gesagt, daß Eure Musik ganz spontan entstehen. Außerdem verwendet Ihr viele Kleininstrumente...
Hannes: Wir schneiden die Sessions immer mit und hören uns dann die Bänder an, um zu sehen, was uns gefällt und woran wir weiterarbeiten wollen. Die Klangeffekte sollen die Stimmung des Stückes näherbringen sollen, wie Filmmusik auch. ›Outaspace‹ von der neuen CD könnte genausogut eine Filmmusik von einem Steven King-Film sein.
Dirk: Wenn man sich die neue Platte anhört, kann man raushören, daß wir versucht haben, Liveatmosphäre auf der Platte zu schaffen. Wir haben auf sehr viel Technik verzichtet und alles sehr hausbacken produziert. Es ist alles so gestaltet, daß wir es auch auf der Bühne so rüberbringen können.
Hannes: Wir haben diesesmal alles pur aufgenommen. Wir haben bei den beiden ersten Platten viel mehr Overdubs gemacht. Wir stehen immer noch zu den beiden alten Platten, aber die Neue wirkt ehrlicher und intensiver! Wir haben jetzt Livecharakter auf Tonträger. Wir hatten zum ersten Mal Paul Grau als Produzenten, der schon mit KRAFTWERK, RAUSCH oder PLAN B gearbeitet hat, und er hat das gefördert. Er hat uns mehrmals live angesehen und gesagt, daß wir live so viel Energie und Power haben, daß wir nur das, was wir live bringen, auf Platte rüberbringen müssen!
Dirk: Er war der erste, der wirklich verstanden hat, was wir wollten. Wir hatten bei den ersten beiden Platten Tontechniker am Mischpult sitzen, die sich damit nicht beschäftigt haben. Sie wußten nicht, was wir wollten, und daher wurden die beiden Platten sehr unterschiedlich produziert, weil wir auch sehr viel rumprobiert haben. Bei der dritten Platte haben wir alles auf den Punkt gebracht. Dabei hat uns Paul Grau nicht vorgeschrieben, was wir zu tun haben, sondern er hat alles so aufgenommen und abgemischt, wie wir es wirklich wollten. Wir mußten teilweise beim Abmischen gar nicht dabei sein, sondern er hat oft Sachen allein gemischt, und wir kamen hinterher dazu, und es war klasse! Er hat einfach das notwendige Fingerspitzengefühl, vielleicht auch deswegen, weil er schon mit verschiedenen intensiveren, experimentellen Gruppen wie EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN gearbeitet hat, bei denen sich Tontechniker und Produzent zu Beginn die Mühe machen müssen, sich mit der Band zu beschäftigen.
Hannes: Was will die Band ausdrücken? Das hat er verstanden, wurde aber vorher nie richtig verstanden! Weil das damals so angesagt war, wurde die erste Platte etwas auf düster, die zweite Platte auf Kunst getrimmt. Die Band sollte ein Kunstobjekt sein, und deshalb klingt die Platte auch so glatt, so daß die Energie der Band verlorenging. Wenn ich beim Singen mal geschrien hatte oder andere Extreme wurden per Equalizer einfach abgeschnitten.
Dirk: Nach »Loco Poco« mußten wir uns anhören, daß wir eine intellektuelle Band seien oder daß wir zu abgehoben seien. Wir machen keine intellektuelle Geschichte, sondern wir beschäftigen uns einfach etwas mehr mit dem Leben. Das fehlt mir bei anderen Bands ein wenig, aber das hat nichts mit intellektuellem Gehabe zu tun, und wir wollen uns deswegen nicht hervorheben. Wir spielen mit allen möglichen Bands zusammen und verstehen uns mit allen Leuten. Wir wollen keine Grenzen schaffen. Wir sind ganz normale Musiker, die sich mit der ganzen Sache etwas beschäftigen.
Hannes: Wir geben in den Texten und der Musik sehr viel von uns selber preis! Wir stecken da sehr viel Gefühl hinein.
Dirk: Wir machen Rock'n'Roll auf einer ganz anderen Ebene. Ich denke, es war Zeit, daß eine Band versucht, Rockmusik etwas anspruchsvoller zu gestalten. Es ist total schön zu sehen, daß wir bei ganz verschiedenen Hörern ankommen und daß bei Livegigs das Publikum sehr gemischt ist. Ich finde es wichtig, daß sich die Grenzen zwischen den verschiedenen Musiksparten geöffnet haben.
Hannes: Man kann mit Musik Grenzen öffnen, auch kulturell; das kann sogar so weit gehen, daß das Verständnis von Menschen verschiedener Kulturen und Religionen untereinander verbessert wird. Ich denke, Musik ist dafür ein starkes Ausdrucksmittel!
Dirk: Außerdem arbeiten wir mit Performance. Wir haben seit der »Loco Poco«-Tour Adam Escher dabei. Er war früher am Dortmunder Stadttheater und ist gelernter Schauspieler. Zuerst wollten wir es nur für ein Stück ausprobieren, aber mittlerweile ist er festes Mitglied. Mit ihm zusammen können wir die Musik visuell besser umsetzen.
Okay, laßt mich nochmal versuchen, meine ursprüngliche Frage zu formulieren! Wie kommen diese ganzen Soundeffekte durch die Kleininstrumente dazu? Genauso spontan wie die Songs entstehen oder überlegt Ihr Euch, wenn Ihr einen Song fertig habt, wo welches Instrument hinpassen würde?
Hannes: Die nehm' ich sofort bei der Session mit rein. Ich habe im Proberaum über hundert verschiedene Kleininstrumente und Effektteile und lasse mich vom Song inspirieren, was passen könnte. Wie eine Eingebung!
Eure Musik! Was isses? Independent? Wave? Avantgarde? Ich denke, es steckt von allen Musikrichtungen etwas drin!
Hannes: Es ist der PHANTOMS-Sound, es ist unsere Musik, ohne, daß das überheblich klingen soll! Wie Du schon gesagt hast - es ist alles drin. Wir schauen aber nicht gezielt, daß wir möglichst viele Elemente vermischen, sondern es entsteht einfach! Im nächsten Song können Charleston oder Twist drin sein, vielleicht, weil jemand von uns einen alten Film aus den Zwanzigern geschaut hat und das Lebensgefühl aus dieser Zeit noch im Kopf hat, so daß er dadurch inspiriert, eine Melodie zu spielen beginnt und die anderen einfach dazu einsteigen.
Dirk: Viele Lieder entstehen aufgrund von Dingen, die man erlebt hat. Die Gitarrenriffs zu den beiden Balladen ›Identity‹ und ›Waiting For The Storm‹ fielen mir zu Hause ein, als ich gerade meinen Sohn bekommen habe. Das ist eine Zeit, in der man sich mehr fürs Leben öffnet und etwas ruhiger wird. Deshalb sind es zwei ruhige Songs geworden. Ich habe mit der Akustikgitarre auf dem Sofa gesessen, und die Ideen kamen einfach so aus mir heraus. Später hab' ich die Ideen mit den Jungs bearbeitet.
Hannes: Ich war beispielsweise auf Barbedos in der Karibik und sah wie die Schwarzen auf ihren Kalimbas spielen. Ich hab' mir dann Kalimbas mitgebracht, und außerdem kamen mir am Strand Ideen, die sicherlich durch die dortige Gegend beeinflußt wurden und die ich gleich auf einen Walkman gesungen habe. So fließen ganz andere Eindrücke in die Musik mit ein. Es ist international, was wir machen. Wir sind nicht auf einen Standort fixiert.
Von den Texten her seid Ihr genauso vielschneidig. Laß' mich mal ›Heavy Breather‹ rausgreifen. Der Text wendet sich gegen Leute, die obszöne Anrufe tätigen und wirkt auf mich sehr ernsthaft. Wenn Du Dir beim Livegig zwei Gummibusen umhängst und den Song mit den Worten, "Dieser Song wendet sich gegen perverse Männer, die Kinder und Frauen per Telefon belästigen!" ansagst, ziehst Du den Text auf die Ebene des Klamauks!
Hannes: Wer meine Mimik sieht, wird verstehen, wie der Text gemeint ist. Aber dadurch, daß alles so exzentrisch ist, verstehen manche Leute wirklich nicht, was wir aussagen wollen.
Dirk: Es ist sehr viel, das ein Zuschauer zu verkraften hat. Neulich kamen Leute zu mir und sagten, daß sie einfach rausgehen mußten, weil sie es nicht ausgehalten haben. Die Leute müssen alles erst einmal verarbeiten. Deshalb haben wir bei der neuen Show drauf geachtet, nicht zu viel zu machen, sondern alles häppchenweise rüberzuschieben. Ich denke schon, daß wir anstrengend sind, weil alles so häufig wechselt, mal ist es ironisch, dann wieder total hart, dann depressiv, etc.
Hannes: Wir wollen natürlich solche Reaktionen provozieren! Mal sind die Leute schockiert, ein anderes Mal fasziniert und begeistert. Manchmal brauchen die Leute 45 Minuten, bis sie mitgehen können, weil sie erst alles verdauen müssen, und beim letzten Song ist dann die Hölle los.
Dirk: Unsere Texte sind so unterschiedlich, weil wir alles verarbeiten, was wir im Alltag erleben. Wir verarbeiten auch sehr viele Sachen aus dem Unterbewußtsein, weshalb es für viele nicht alltäglich klingt.
Hannes: ›Morbid Business‹ handelt von krankhaften Geschäftsmethoden. Kinderpornos oder wenn Kinder aus Krankenhäusern gestohlen werden, sie getötet werden, um daraus Kosmetik zu machen und den Müttern erzählt wird, daß Ihr Kind bei der Geburt starb. Also ein Text der sehr realitätsbezogen ist. Andere Texte wie beispielsweise ›Voices‹ handelt von übersinnlichen Dingen.
Das »Cruel Times«-Cover stammt von einem Film aus den zwanziger Jahren, und bei »Loco Poco« habt Ihr George Grosz' "Der Liebeskranke" von 1916 verwendet. Beide stammen also vom Anfang unseres Jahrhunderts. Zufall oder fasziniert Euch diese Zeit besonders?
Hannes: Es ist Zufall, daß beide Bilder fast aus der gleichen Zeit stammen, aber wir haben uns auch mit den zwanziger Jahren beschäftigt. Es gab damals auch schon "entartete Kunst" und revolutionäre Musik. Grosz war ein ziemlich abgedrehter Typ, der zur damaligen Zeit schon die Subkultur gezeigt hat. Das neue Cover stammt von dem Film "The Freaks", einem alten Film, in dem nur Behinderte mitspielen, unter denen aber ein unheimlicher Zusammenhalt herrscht. Diese Behinderten sieht man auf dem Bild wie in Trance tanzen.
Dirk: Wir haben das Bild etwas verfremdet, weil wir es nicht so knallhart zeigen wollten. Ich finde es etwas schade, denn ich hätte gern die nackte Wahrheit gezeigt. Ich habe schon mit Behinderten gearbeitet und habe auch heute noch Kontakt zu ihnen. Ich beschäftige mich auch privat mit diesem Thema, und deshalb denke ich, konnten wir es uns erlauben, uns mit dem Film auseinanderzusetzen und ihn auch auf dem Cover zu zeigen. Wir haben den Kompromiß geschlossen, das Bild zu verfremden, weil wir mit knallharter Kritik gerechnet hatten.
Hannes: Wobei ich denke, daß auf dem Photo durch diese Bearbeitung der Trancezustand noch besser rauskommt. Aber so verschieden sind die Geschmäcker in der Band. Wir haben viel drüber diskutiert, wie wir das Cover gestalten sollten. Für uns ist die Band ein Full-Time-Job, und wir arbeiten sehr hart. Wenn man dann eine CD macht, ist das wie eine Art Buch, das man abschließt, und da sollte alles stimmen, eben auch das Cover!
Wie ist eigentlich das exzessive Touring, das Ihr an den Tag legt, möglich?
Dirk: Wir haben alle irgendwie mit der Musik zu tun. Hannes hat seinen Laden, ich gebe Gitarrenkurse, Paul arbeitet in unserem Musikverlag und macht das Booking. Daher muß niemand noch nebenher jobben, so daß er keine Zeit für die Musik hätte. Wir können uns also komplett der Musik widmen. Es läuft mittlerweile so, daß wir fast davon leben können. Es ist abzusehen, daß wir nächstes Jahr alle anderen Sachen werden abschließen können und daß dann nur noch die Band da ist.
Hannes: Wir würden deswegen aber nie irgendwelche Kompromisse eingehen! Wir ziehen unser Ding knallhart durch. Wenn es stattfindet, freuen wir uns natürlich, wenn nicht..., müssen wir eben weiter Gitarrenkurse geben...
Eure Liveshow ist mehr als beeindruckend! Kann man sagen, daß Eure Liveshows modernes Theater in Musikgewand sind?
Hannes: Umgekehrt! 80 Prozent Musik und 20 Prozent visuelle Untermalung! Aber unsere Shows enthalten auf jeden Fall Elemente des modernen Theaters.
Hannes steht durch seine exzentrische Show mit den vielen Maskeraden (Ich habe versucht, dies per Kamera zu dokumentieren; einige kleine Kostproben seht Ihr in diesem Artikel - Red.), seinen Soundeffekten und verschiedenen Stimmen deutlich im Vordergrund...
Hannes: Ich bin natürlich das Sprachrohr der Band. Der Sänger steht immer etwas mehr im Vordergrund! Ich kann mich frei bewegen und kann daher pantomime-mäßig mehr machen. Da ich die Texte schreibe, kann ich mir natürlich dazu passend die Mimik überlegen.
Solche Gesprächspartner machen einen Interviewer nahezu überflüssig. Man werfe ein Stichwort in den Raum, und schon erlebt man das Phänomen des verbalen Perpetuum Mobile. Auf jeden Fall haben die beiden bewiesen, daß man bei einer Antwort locker mit Adam und Eva beginnen und sich dann gepflegt bis zur Apokalypse vorarbeiten kann. Ich hatte bei diesem Interview definitiv nicht viel zu sagen, und es gelang mir kaum, eine Frage komplett in einem Zug zu stellen, aber es war ein tolles Interview, das viel Spaß gemacht hat und eine Menge hergab! So könnte es immer sein!
Eine königliche Band, die Ihr antesten müßt! Zu diesem Zwecke sei »Chapter III - The Trance Album« empfohlen. Wer schon immer ein Ohr für dem Metal benachbarte Bands hatte, wird bestimmt spontan phantom-mässig wegschweben. Ein Ereignis das Ihr Euch nicht entgehen lassen dürft, ist ein Livegig der Band! Da PHANTOMS of FUTURE echte Touraholics sind, kriegt sicher jeder die Möglichkeit, sich seinen Anteil abzuholen. Laßt sie Euch bloß nicht entgehen! PHANTOMS of FUTURE - die beste Droge seit es Milka gibt - versprochen!
Photos: Stefan Glas [Photo 2-5]