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Michael Schenker-Logo

An Arbeitseifer und Ambition mangelte es dem Herrn zwar ohnehin noch nie, phasenweise durfte man während der letzten Dekaden aber doch ein wenig skeptisch sein, ob uns denn auch mal wieder frisches Material vorgelegt würde. Speziell in den 90er und 00er Jahren schien es, als ob er sich nach seinem abermaligen Einstieg bei UFO und den daraus resultierenden Perlen »Walk On Water«, »Covenant« und »Sharks« vorwiegend auf Compilation- und Live-Alben beschränken würde. Der Großmeister an der Flying V brachte zwar sehr wohl auch Scheiben mit unterschiedlichsten Kooperationspartnern auf den Markt, restlos begeistern konnte Michael Schenker seine Fans damit aber auch nicht. Das ist jedoch inzwischen alles Schnee von gestern, denn selbst notorische Zweifler und Ignoranten dürften mitbekommen haben, daß der gute Mann seit einigen Jahren wieder gehörig loslegt und in regelmäßigen Abständen für frisches "Fan-Futter" sorgt.
So durfte man sich seit 2010 über mehrere Studio- und Live-Alben des Michael Schenker's TEMPLE OF ROCK genannten Unternehmens freuen, ehe es 2018 mit »Resurrection« das erste Studioalbum unter dem Banner MICHAEL SCHENKER FEST zu beklatschen gab. Diesem ging ein Livealbum voran, auf dem es der gebürtige Niedersachse geschafft hatte, ein Konzert mit allen Sängern, die jemals auf Studioalben der MICHAEL SCHENKER GROUP zu hören waren, auf die Bühne der "International Forum Hall" in Tokio zu bringen.

Michael Schenker-Headline

Die Idee wie auch die Umsetzung fand weltweit Gefallen, und auch die Kollegenschaft war keineswegs abgeneigt, sich weiterhin daran zu beteiligen. So folgte nach dem erwähnten ersten "FEST"-Album im letzten Jahr mit »Revelation« ein nicht minder bejubelter Nachfolger. Da das Konzept auch auf der Bühne blendend funktionierte, wurde das MICHAEL SCHENKER FEST in den letzten Jahren auch immer für Festivals engagiert.
Es steht also fest, daß der gute Mann seit einiger Zeit schon einen abermaligen Frühling erleben darf, und von daher ist es auch nur wenig verwunderlich, daß im Januar 2021 mit »Immortal« ein weiteres Studioalbum von Michael Schenker in die Läden kommt. Allerdings eines, auf dem zum ersten Mal seit dem 2003 in Umlauf gebrachten »Arachnophobiac« auch das berühmte MSG-Logo prangt.
Warum das so ist und jede Menge weitere wissenswerte Details zu »Immortal« erklärte uns Michael Schenker am Telefon, als wir ihn eines Nachmittags in seinem Domizil an der britischen Südküste erreichten.

Hallo Michael, ich hoffe es geht Dir gut!

Oh ja, danke. Klar könnte einiges noch besser laufen, aber es ist eben so, daß nicht mehr alles "normal" ist.

Damit hat die ganze Welt zu kämpfen. Welche besonderen Schwierigkeiten kamen denn auf Dich durch die Pandemie zu?

Eine ganze Menge. Ich will mal bei den Konzerten anfangen. Ich weiß zwar natürlich, daß ich da kein Einzelfall bin, aber es fühlt trotzdem sehr seltsam an. Weißt Du, wir hatten Megashows gebucht, unter anderem in Japan. Wir sollten dort eine fünfstündige Show an mehreren Abenden hintereinander absolvieren. Diese Shows waren geplant wie unsere MICHAEL SCHENKER FEST-Auftritte, aber eben noch umfangreicher und dazu noch mit einer speziellen MSG-Show in der aktuellen Besetzung. Na ja, hoffen wir eben, daß sich die Sache 2021 realisieren läßt.

Michael Schenker-Photo

Verständlich. Immerhin wurde nicht auch noch das Veröffentlichen von Tonträgern beeinflußt, ansonsten würden wir heute eventuell gar nicht über »Immortal« sprechen können...

Mach' Dir mal keine Sorgen. Das hätten wir auf jeden Fall gemacht! Auch wenn uns das Virus gehörig hineingepfuscht hat und das Album im "Normalfall" wohl anders ausgefallen wäre.

Das klingt ja spannend. Dazu muß ich unbedingt mehr wissen. Zunächst einmal, warum denn plötzlich wieder das MSG-Logo auf dem Cover verewigt ist?

Kein Thema. Dazu muß ich jedoch ein wenig ausholen. Hast Du Zeit?

Ja!

Das ist gut. Ich auch. Also, grundsätzlich könnte auf jedem meiner Alben auch das MSG-Logo draufstehen, schließlich bin ich als Person und als Musiker darauf zu hören. Allerdings habe ich es in den letzten Jahrzehnten bewußt getrennt gehalten, mit wem ich was unter welchem Banner veröffentliche. Auch bei den Auftritten habe ich bewußt darauf verzichtet. Ich dachte, das würde weder TEMPLE OF ROCK noch dem FEST gegenüber gerecht sein. Bei »Immortal« sah die Sache aber von Anfang an anders aus. Es war nämlich schon länger geplant, wieder ein Album als MSG aufzunehmen, und ich war auch schon einige Monate mit Ronnie Romero einig, daß er als Sänger darauf zu hören sein wird. Doch dann kam eben diese Pandemiegeschichte, und ein großer Teil unseres Plans mußte verworfen werden.

Da Ronnie schon als Gastsänger auf dem letzten FEST-Album mitgewirkt hat, war es irgendwie vorhersehbar, daß er wieder mit dabei ist. Mit ihm als neuen MSG-Sänger konnte man aber nun doch nicht rechnen, weil er ja nun nicht gerade als untätiger Kerl gilt.

Ja, der Ronnie. Ein Hans-Dampf-in-allen-Gassen! Und ich kannte ihn bis vor ein paar Jahren gar nicht. Es war Michael Voss, der den Kontakt hergestellt hat. Von seinem Gesang war ich auf Anhieb begeistert, und ein feiner Kerl ist er ebenso.

Schon, aber bist Du sicher, daß es nicht zu diversen Terminkollisionen kommen kann, schließlich ist Ronnie ja auch noch für...

Ach nein. Ritchie Blackmore gibt mit RAINBOW ja nur ganz selten Konzerte, und auch von seinen unzähligen anderen Aktivitäten hätte ich noch nicht mitbekommen, daß er mit jemand anderem längerfristig auf Tour wäre. Es wird sich schon organisieren lassen, daß wir Ronnie nicht teilen müssen. [lacht] Ich finde es ja wirklich spannend, zum ersten Mal mit Ritchie einen Sänger direkt zu teilen. Ich meine, wir kommen aus derselben Ära und haben beide bereits erfolgreich mit Graham Bonnet, Joe Lynn Turner und Doogie White gearbeitet. Ich schätze Ritchie als Gitarristen sehr und denke sogar, daß eine gewisse Seelenverwandtschaft zwischen uns existiert.

Und jetzt habt Ihr beiden - und einige andere auch - den momentan wohl umtriebigsten Chilenen im gesamten Rockbusiness am Mikro. Warum hat Ronnie denn eigentlich nicht alle Songs eingesungen? Das hätte das MSG-Logo irgendwie stimmiger wirken lassen...

Auch das dauert ein wenig, bis ich Dir das erzählt habe. Los ging es damit, daß ich zum fixierten Zeitpunkt nicht wie üblich mit meinem AMG zu Michael Voss nach Greven ins Studio düsen konnte. Zwar gab es schon bald die Möglichkeit, zumindest über eine Autofähre nach Holland und dann mit der Karre weiter zu Michael zu fahren, doch bereits das fühlte sich ungewohnt und anders an. Nicht zuletzt, weil ich ja dann in Deutschland offiziell in Quarantäne, und somit für einige Tage zur Untätigkeit gezwungen war. Dasselbe Spielchen mußte ich bei meiner Rückreise ins UK und bei einem weiteren Aufenthalt in Deutschland wieder mitmachen. Ich war 2020 insgesamt viermal in Quarantäne! Wenn das mal nicht eigenartig ist, was bitte dann? Noch schlimmer war aber, daß, als wir dann im Studio mit den Arbeiten endlich loslegen konnten, es Ronnie aus denselben Gründen überhaupt nicht mehr möglich war zu kommen. Okay, dachten wir uns, warten wir eben ein wenig. Da sich die Geschichte aber in Spanien dermaßen verschlechterte, daß der arme Kerl die nächsten Wochen noch nicht einmal in ein Studio in seiner Wahlheimat durfte, wurde es langsam, aber sicher ein wenig komisch. Ein Glück, daß wir zumindest übers Telefon kommunizieren konnten. Er hatte dann auch nichts dagegen, als wir ihn davon in Kenntnis setzten, daß er nicht der einzige Sänger auf dem Album sein wird.

Daß Michael Voss auch am Mikro zu hören sein würde, war den Fans wohl klar. Doch wie kam es zu den Kooperationen mit Ralf Scheepers und Joe Lynn Turner?

Mit Joe hatte ich schon in der Vergangenheit mehrfach zusammengearbeitet und wußte, daß er ein kooperativer Kerl ist. Da Michael in letzter Zeit wieder mehr mit ihm in Kontakt war, hatte er auch seine aktuelle Handynummer parat. Binnen weniger Tage war nicht nur der Deal vereinbart, sondern auch Joes Beitrag erledigt. Er war besonders vom Basictrack und der Grundstruktur von jener Nummer beeindruckt, die dann zu ›Sangria Morte‹ wurde. Dieser Song liegt ihm ganz besonders am Herzen. Okay, damit hatten wir Joe Lynn Turner auf dem Album. Es folgten die üblichen Telefonate mit Ronnie, wie sich die Lage verändert hätte, ob es ihm gut gehe und wann er denn Zeit hätte... Hast Du denn noch Zeit?

Sicher, warum?

Weil es auch zur Zusammenarbeit mit Ralf Scheepers einiges zu erzählen gibt. Ich muß zugeben, daß mir sein Name zwar geläufig war, ich mich bislang aber noch nicht wirklich mit seiner Kompetenz als Sänger beschäftigt hatte. Als mir Michael dann aber eines Tages eine Instrumentalversion von ›Drilled To Kill‹ vorstellte, war mir zwar klar, daß wir einen echten Heavy Metal-Vokalakrobaten brauchen würden. Ein Glück, daß meine Frau einen ziemlich guten Überblick zum aktuellen Szenegeschehen hat, denn die Idee Ralf zu engagieren, geht auf ihre Kappe. Ich fragte zwar zunächst ein wenig verdutzt, wie wir das denn wieder organisieren sollten, doch Michael hatte einmal mehr die passenden Kontaktdaten parat. Da Ralf sich als langjährigen MSG-Fan zu erkennen gab, dauert es im Endeffekt auch nicht lange, bis er auch seine Parts liefern konnte und wir die entsprechenden Songs fertigstellen konnten. Was fehlte noch? Genau, Ronnie! Irgendwann mal war es dann aber tatsächlich endlich soweit, und er hatte nicht nur die Zeit, sondern auch sämtliche Ressourcen zur Verfügung, um seine Tracks einzusingen. Du kannst Dir wohl in etwa vorstellen, wie froh ich war.

Ich nehme an mit den Kollegen an den Instrumenten ist es auch so ähnlich gelaufen?

Oh ja, auch da haben sich im Laufe der Zeit immer mehr Leute vorgestellt, um mitmachen zu dürfen. Feine Geschichte, das muß ich schon zugeben. Ich meine Steve Mann, Barry Sparks und Schlagzeuger Bodo Schopf waren klar. Auch Simon Philipps am Schlagzeug, weil er zur erweiterten GROUP zählt und seit langen Jahren immer wieder mit uns gespielt hat. Als sich dann aber auch noch Brian Tichy meldet, ob er denn als alter Fan bei uns nicht auch einen Beitrag liefern könnte, war ich doch perplex. Ich meine, der Kerl kann bei allen der ganz Großen im Business einsteigen, und das jederzeit. Ich bin definitiv stolz darauf, Brian auf der Scheibe zu haben! Das gilt logischerweise auch für den nicht minder talentierten Derek Sherinian, der sich bei ›Drilled To Kill‹ in die Gästeliste eingetragen hat und mich zum "Instrumentalduell" herausgefordert hat. Ob es jemals dazu kommen wird, daß wir uns auch auf der Bühne ein solches Duell liefern können, weiß zwar kein Mensch. Ihr könnt' aber sicher sein, daß es sich in einem solchen Fall um ein Erlebnis handeln wird, das Ihr Euer ganzes Leben lang nicht vergeßt!

Das trifft wohl auch auf Deinen Auftritt mit MICHAEL SCHENKER FEST beim "Bang Your Head!!!"-Festival 2019 zu. Klar war es eine ganz besondere Sache, und wir alle haben das FEST entsprechend zu feiern gewußt. Warum aber habt Ihr gerade diesen Gig ausgewählt, um ihn als Livedokument festzuhalten?

Weil die Atmosphäre in der Tat eine sehr spezielle war. Wir waren allesamt in bester Verfassung, und das Publikum war von Beginn an mit uns. Deshalb wird der Mitschnitt auch der Erstauflage von »Immortal« beigelegt sein. Es soll als besonderes Geschenk an meine Fans gesehen werden. Klar hätten wir auch auf andere Gigs zurückgreifen können, dieser Festivalauftritt hat mir aber einmal mehr gezeigt, wie treu mir meine Fans in Deutschland auch nach so langer Zeit geblieben sind. Dabei ist der Auftritt selbst nicht mal perfekt gewesen. Doch wir haben weder etwas nachbearbeitet noch etwas weggelassen. Warum auch? Der Abend war unglaublich, Band und Fans sind förmlich zusammengewachsen. Kleine Ungereimtheiten und Spielungenauigkeiten konnten die Magie an diesem Abend nicht stören! Es war ein unglaublicher und denkwürdiger Auftritt!

Michael Schenker-Photo

Apropos denkwürdig: So läßt sich auch die auf »Immortal« verewigte Version von ›In Search Of The Peace Of Mind‹ bezeichnen, die das Album abschließt.

Das sehe ich auch so! Zum einen, weil es mir ein Anliegen war, auf die Tatsache hinzuweisen, daß ich seit nunmehr 50 Jahren als Künstler aktiv bin. Und zum anderen, weil dieses Stück eben das allererste von mir komponierte ist, das jemals veröffentlicht wurde. Klar bin ich da stolz darauf, ist doch logisch, oder? Dabei hätte ich es mir ja noch nicht einmal träumen lassen, daß ich diese Nummer auch 50 Jahre danach immer noch spielen werde. Als ich mit den SCORPIONS diesen Song Anfang der 70er Jahr eingespielt und aufgenommen habe, war ich ein Teenager. Einer der sich in erster Linie für seine Gitarre interessierte. Hhhmm. Ja, einige Dinge im Leben bleiben einem einfach. [lacht] Daher war es mir wirklich eine Herzensangelegenheit, diese Nummer noch einmal einzuspielen und zu veröffentlichen. Im Prinzip ist das Album ein Tribut an diese Zeit. Deshalb steht ja auch "Michael Schenker 50th Anniversary" auf dem Cover. Auch der Titel selbst bezieht sich darauf. Songs wie der sind einfach unsterblich. Meine Künstlerkollegen und ich wissen es zu schätzen, wenn sich spätere Generationen immer noch für Songs begeistern, die Jahrzehnte vor ihrer Geburt entstanden sind.

Daß auch dafür eine ganze Schar an Gästen zum Mitmachen animieren hast können, verwundert nicht unbedingt.

Danke. Es war in der Tat nicht schwer, die Kollegenschaft davon zu überzeugen, sich zu beteiligen. Besonders gefreut habe ich natürlich darüber, daß ich es mit Michael und Simon geschafft habe, aus der Nummer ein wahres Epos werden zu lassen. Simons Fills und Breaks haben sehr viel dazu beigetragen. Als mindestens ebenso gelungen betrachte ich aber auch die Gesangsbeiträge. Nicht nur, weil sich Gary Barden, Ronnie Romero, Doogie White und Robin McAuley dabei wunderbar unterstützt und ergänzt haben, sondern auch, weil es mir zeigt, daß es auf jeden Fall auch weiterhin möglich sein wird, sowohl MICHAEL SCHENKER FEST als auch MICHAEL SCHENKER GROUP zu führen, ohne in eine Personalbredouille zu kommen.

Verstehe. Mir fehlt aber trotzdem noch ein Name...

Ja, ich weiß. Und er darf auch keineswegs vergessen werden. Graham Bonnet konnte aufgrund einer komplizierten und leider mit irgendwelchen Komplikationen verbundenen Schulteroperation nicht bei den Aufnahmen dabei sein. Er wird aber, sobald es ihm besser geht, wieder mit von der Partie sein. Vorausgesetzt natürlich, daß es bis dahin wieder Konzerte geben kann und darf...

http://www.MichaelSchenkerHimself.com/

Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Walter Scheurer

Photos: Matthias Rethmann

Michael Schenker im Überblick:
Michael Schenker – A Decade Of The Mad Axeman (Rundling-Review von 2018 aus Online Empire 74)
Michael Schenker – Immortal (Rundling-Review von 2020 aus Online Empire 85)
Michael Schenker – Online Empire 51-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2012)
Michael Schenker – Online Empire 68-Interview (aus dem Jahr 2016)
Michael Schenker – Online Empire 86-Interview (aus dem Jahr 2021)
Michael Schenker – News vom 14.08.1998
Michael Schenker – News vom 21.07.2011
Michael Schenker – News vom 28.08.2011
Michael Schenker – News vom 28.11.2011
Michael Schenker – News vom 19.12.2011
Michael Schenker – News vom 06.01.2012
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Playlist: Michael Schenker-Album »Universal« in "Jahrescharts 2022" auf Platz 3 von Walter Scheurer
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