Y-Files-Datasheet |
Contents: FATES WARNING-Interview |
Date: 21.09.1993 (created), 27.11.2011 (revisited), 27.10.2024 (updated) |
Origin: METAL HAMMER |
Status: published |
Task: from paper to screen |
Availability: original printed issue possibly still available, check here! |
Comment: Siehe da - das "Wacken Open Air", als es noch in den Kinderschuhen steckte: Damals fungierten FATES WARNING neben Doro als Headliner und griffen im hohen Norden zum Telephonhörer, um über den Status Quo zu referieren. Hierbei handelte es sich um ein Interview, das aufgrund seines Timings ungewöhnlich war: Üblicherweise werden Bands in den großen Magazinen parallel zur Veröffentlichung eines neuen Albums interviewt, doch meinereiner hatte so lange genervt, um ein Plätzchen für dieses Interview zu bekommen, weil es in Sachen FATES WARNING dringenden Klärungsbedarf gab - eben echte Neugierde und ein unter den Nägeln brennendes Thema statt Product Placement als Grund für ein Interview. Daß Jim damals gerade seine Soloplatte veröffentlicht hatte - nebenbei bemerkt eine der besten Instrumentalplatten aller Zeiten! - war zudem ein Argument, das ich ins Feld führte, um das Okay für diese Story zu erhalten. |
Supervisor: Stefan Glas |
Aufgelöst? Oder doch nicht? Keinen Deal mehr? Oder doch nicht? Seit Monaten kocht die Gerüchteküche um FATES WARNING wie der Kessel der drei Hexen aus Macbeth! Ray Alder und Jim Matheos machten beim Open Air in Wacken reinen Tisch.
Wie war das denn nun? Die Gerüchte über die Auflösung von FATES WARNING hielten sich so penetrant, daß sie schon fast nicht mehr ersponnen sein konnten, und jedem Dementi folgte sofort eine neue Hiobsbotschaft. Ray holt aus, "Es ist in der Tat erstaunlich, zumal wir noch nicht mal dran gedacht hatten, uns aufzulösen! Nach der Veröffentlichung von »Parallels« gingen wir in Amerika zwei Monate auf Tour. Anschließend hätten wir, wie vertraglich zugesichert, ein weiteres Video drehen und in Europa touren sollen. Jedoch konnten METAL BLADE dies nicht verwirklichen, so daß wir es für den besten Schachzug hielten, uns von ihnen zu trennen. Wir waren damals sehr aufgebracht darüber, denn wir hatten schon lange nicht mehr in Europa getourt und wollten unbedingt wieder dort spielen." Jetzt wissen wir also definitiv Bescheid! Immer noch aktiv, jedoch derzeit ohne Deal! Hier hakt sich Ray sofort wieder ein, "Oh ja! Wir waren sehr aktiv! Wir haben eine Menge neuer Songs fertig. Als wir das Angebot erhielten, bei diesem Open Air mitzuspielen, stimmten wir erfreut zu, denn es war uns eine willkommene Abwechslung. Zudem gab es uns die Möglichkeit, mal wieder bei Euch zu spielen und so gleichzeitig neues Material vorstellen zu können. Wir haben ›Shelter Me‹ gespielt, einen langsamen und sehr melodischen Song, der davon handelt, daß jeder irgendwann einen Menschen braucht, dem er sich zuwenden kann und dem er vertrauen kann. Außerdem spielten wir ›Pale Fire‹, ebenfalls ein sehr persönlicher Song, der etwas härter und schneller ist und metaphorisch die Schwierigkeiten beschreibt, wenn man versucht, ein Ziel im Leben zu erreichen."
Irgendwie scheint FATES WARNING der Fluch der ewig Angebeteten, aber gleichsam Ignorierten anzuhängen. Macht sich da auf Dauer nicht der Frust breit? "Etwas frustrierend ist es gewiß! Aber nicht so sehr, daß wir uns wirklich drüber aufregen würden", meint Ray, und Jim fügt hinzu, "Weißt Du, so lange die Ideen da sind, eine Weiterentwicklung zu erkennen ist und wir immer noch unseren Spaß dran haben, warum sollten wir aufgeben?" Ray bekräftigt, "Wir werden uns nicht verändern und auf irgendwelche Trends schielen. Zunächst einmal muß man sich als Musiker selbst zufriedenstellen. Sicherlich haben sich FATES WARNING über die Jahre unheimlich stark verändert, aber es war unsere natürliche Entwicklung. Es war immer FATES WARNING, und mit diesem Namen ist verbunden, daß sich nichts gleich anhört und daß es immer anders klingt als alles andere, das auf dem Markt ist! Ich denke, daß das neue Material melodischer ausgefallen ist, aber ebenso gibt es ganz neue Elemente in unserer Musik. Weißt Du, mit dem Erfolg ist das ohnehin so eine Sache. Viele Möglichkeiten, die uns sicherlich weitergeholfen hätten, hat man uns nie gegeben. Wir haben stets als Headliner gespielt und haben so primär die Leute erreicht, die ohnehin schon unsere Fans waren, während wir als Opener für einen großen Major-Act die Chance gehabt hätten, neue Fans hinzuzugewinnen."
Damit stellt sich natürlich die Frage, welche Ansprüche FATES WARNING an ein neues Label stellen und ob ein solches eventuell sogar in Sicht ist. "Wir stehen mit verschiedenen Firmen in Kontakt, aber man kann noch nichts Verbindliches sagen. Von einem neuen Label verlangen wir auf jeden Fall maximale Unterstützung! Weißt Du, METAL BLADE waren sehr gut zu uns, und ich mag alle Leute, die dort arbeiten. Aber ihre Möglichkeiten waren zu eingeschränkt. Es ist einfach das Geld, das die Majors haben und mit dem sie eine Band pushen. Wenn eine Band nur lange genug den Leuten aufgedrückt wird, dann wird sie populär, gleichgültig wie beschissen sie klingt!" Doch wie war das mit der Unsitte von vielen Majorfirmen, die zwecks besserer Vermarktbarkeit beim kreativen Prozeß ihre Finger im Spiel haben wollen? "Richtig, dieser Gedanke ist etwas beängstigend! Andererseits sind nicht auf Majors fixiert. Das wichtigste ist, daß wir totale künstlerische Freiheit haben. Wenn uns ein Label dies und hundertprozentige Unterstützung in Sachen Promotion und Touring zusichert, dann sollten wir keine Probleme miteinander haben!", schließt Ray optimistisch.
Da gerade Jims Soloalbum »First Impressions« erschienen ist, bot es sich natürlich an, zur Abrundung der Bilanzerhebung den Meister zu seinem Werk zu befragen. Schließlich war schon vor Jahren zu hören, daß Jim sich mit dem Gedanken eines Soloprojektes trug. "Die Aufnahmen stammen bereits von 1990, aber es war mir nicht so wichtig, die Platte sofort zu veröffentlichen. Wir nahmen anschließend »Parallels« auf, was natürlich Priorität hatte, und so ließ ich mir Zeit, ein Label zu suchen, um die Aufnahmen zu veröffentlichen." »First Impressions« ist ein ungewöhnliches Album, allein kreiert von Akustikgitarre, Cello und Violine. Zeigt sich da das andere Gesicht des Jim Matheos? "Eines von vielen! Ich habe so viele Einflüsse, und ich will alle herauslassen. Auf »First Impressions« kamen beispielsweise Klassik, New Age und Folk zu ihrem Recht!"
Genügend Gesprächstoff für viele Stunden hätte es noch gegeben, aber hier endet die Seite leider schon. So haben wir doch immerhin die Gewißheit, daß unser Kenntnisstand im Falle FATES WARNING endlich wieder auf Höhe der Zeit ist!
Photos: Dimo Safari