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"Doom Over Vienna V"-Festival

Wien, Escape Metalcorner

06.11.2010

Auch wenn das Wetter am Nachmittag dieses Novembertages alles andere als der herrschenden Jahreszeit gerechtwerden konnte, stand am Abend intensiv-herbstliche Stimmung auf dem Programm. Die Burschen von "Soundwall Entertainment" hatten nämlich zur fünften Ausgabe des "Doom Over Vienna"-Festivals geladen, und da war Erscheinen selbstredend Pflicht. Das Festival selbst scheint in der Zwischenzeit zu einer echten Szene-Institution geworden zu sein, denn trotz Parallelveranstaltungen in der "Szene" (THERION), wie auch im "Gasometer" (AS I LAY DYING) ist das "Escape" schon zum Zeitpunkt meines Eintreffens gut gefüllt.

MAEL MÓRDHA-Liveshot

Mit den Iren MAEL MÓRDHA steht beim Betreten des Clubs auch schon die erste Band auf den Brettern, wobei ich hier bewußt den Begriff "Opener" vermeide, denn man hat allen Formationen nahezu die gleiche Spielzeit gewährt, um dem erwartungsvoll erschienenen Publikum ausreichend Material präsentieren zu können. Das Quintett von der grünen Insel macht seine Sache mehr als nur beeindruckend, und so ist die Stimmung im Saal schon beim zweiten Song ›Wind Of 1000 Winters‹ verdammt gut. Sänger Roibéard Ó Bogail erinnert mit seinem Outfit zwar ein klein wenig an diverse Pagan/Folk-Bands, während das blau/oxydrote Corpsepaint (das die gesamte Band aufgetragen hat) eher an die Jungs von TURISAS denken läßt. Direkte musikalische Vergleiche zu ziehen fällt bei dieser Truppe aber dennoch sehr schwer, denn die Tracks wirken in Summe zum Großteil sehr eigenständig. Hinsichtlich der lyrischen Darbietung muß aber doch der Name PRIMORDIAL (mit denen MAEL MÓRDHA übrigens im Jahr 2005 eine Split-CD eingespielt haben) erwähnt werden, denn so wie ihre Landsleute behandeln auch MAEL MÓRDHA die Geschichte ihrer Heimat und lassen uns unter anderem mit ›Doom Of The Races Of Eire‹ und ›Gaedhilic Twillight‹ ungemein tiefgründige Exzerpte davon hören. Insgesamt gesehen agiert der Fünfer auf sehr hohem Niveau, ihr "Gaelic Doom" verfehlt seine Wirkung nicht, und auch der Sound kommt ausgewogen aus den Boxen. Auch die immer wieder eingeflochtenen heftigen und schnelleren Passagen tragen viel zur guten Stimmung im Publikum bei, die Sänger Roibéard immer wieder weiter zu steigern versteht, indem er nicht nur permanent von der Bühne aus den Animateur gibt, sondern obendrein auch "Ausflüge" ins Publikum unternimmt, um die Fans wahlweise direkt anzusingen, oder - wie in ›Gealtacht Mael Mordha‹ - um mit einigen "Freiwilligen" ein Tänzchen zu wagen. Gelungener Einstieg einer mehr als nur empfehlenswerten Band!

VORTIGAN-Liveshot

Als nächstes steht ein Heimspiel auf dem Programm, denn mit VORTIGAN dürfen österreichische Doomster die Bretter entern. Diese Band ist zwar in den letzten Jahren nicht wirklich aktiv gewesen, konnte sich aber schon zu Beginn dieses Jahrtausends in der Doom-Szene etablieren. Zum Trio geschrumpft, offeriert die Truppe die pure, unverfälschte Essenz des Doom in Reinkultur. Anstelle, wie die Iren zuvor mit Bedacht auf Stimmung, regiert bei VORTIGAN klassische Doom-Atmosphäre das Bild. Lava-Sounds in herrlicher Form werden dem Publikum präsentiert, wobei das Trio auch reichlich neues Material anzubieten hat, das Sänger und Gitarrist "Mr. Slayer" zum Teil vor der Monitorbox kniend zelebriert. Spielfreude und abgöttische Hingabe sind dem Dreigestirn ebenso anzumerken, wie ihre Einflüsse, aus denen aber auch erst gar kein Hehl gemacht wird. Von daher ist die zum Abschluß präsentierte, überaus gelungene Version des SAINT VITUS-Klassikers ›Born Too Late‹ weit mehr als bloß eine Coverversion, sondern vielmehr als eindeutiges Statement dieser Band zu verstehen. Feine Sache! Das markige "Bleibt's laungsaum" als Verabschiedung nehmen wir nur sehr gerne an, vielen Dank für diesen Auftritt meine Herren! Bloß was weitere Taten betrifft, hoffe ich dann doch auf eher gesteigertes Tempo.

ISOLE-Liveshot

Daß es nach VORTIGAN tempomäßig nicht wirklich großartig verändert zur Sache gehen würde, liegt schon allein aufgrund des Titels der Veranstaltung auf der Hand und braucht demnach auch erst gar nicht diskutiert zu werden. Sehr wohl aber wird es noch lange Diskussionen darüber geben, welche Band denn nun als das Highlight an diesem Abend zu bezeichnen ist. Ein geradezu luxuriöses Problem für die Veranstalter, schließlich ist es ihnen gelungen, ein unglaublich kompaktes Starterfeld zu engagieren und die Geschmacksnerven aller Zuseher voll und ganz zu erreichen. Was die Stimmung in den ersten Reihen betrifft, haben im Nachhinein gesehen wohl die Schweden ISOLE die Nase vorn. Ihr auf Scheiblette mitunter fast schon zu melodisch wirkendes Material kommt in der Live-Darbietung wesentlich deftiger rüber und wird speziell von der Abteilung der jüngeren Doom-Fans offenbar (und nach einem Blick in die Meute vor der Bühne auch nachvollziehbar) sehr hoch geschätzt. Aber auch die nicht mehr ganz so jugendlichen Freunde der gepflegten Langsamkeit wissen, ISOLE innerhalb kurzer Spielzeit für sich zu gewinnen, so daß spätestens bei der dritten Nummer ›Dreams‹ (vom 2006er Album »Throne Of Void«) Einigkeit im Auditorium über die Klasse dieser Band herrscht. Nicht zuletzt deshalb, weil hier eine wirklich verdammt gute Liveband zu sehen ist, die es perfekt versteht, ihre Songs auf der Bühne darzubieten. Zudem agiert die Formation mit Übersicht und kredenzt einen guten Querschnitt ihres bisherigen Schaffens. Vom Debut »Forevermore« (›Deceiver‹ als Opener, ›Age Of Darkness‹ und die "Quasi-Zugabe" ›Moonstone‹), über das bereits erwähnte »Throne Of Void«, sowie »Bliss of Solitude« (dem ersten Album bei ihrer aktuellen Plattenfirma NAPALM RECORDS aus dem Jahr 2007, von dem man uns ›By Blood‹ anzubieten hat) reicht die Werkschau bis hin zum aktuellen Werk »Silent Ruins«, das in Form von ›Hollow Shrine‹ und dem live ungemein brachial tönenden Album-Opener ›From The Dark‹ präsent ist. Aber nicht nur, was die Songs selbst betrifft, gibt es nichts zu meckern, das Quartett beherrscht zudem auch die hohe Kunst des Rockens aus dem Effeff. Vor allem Gitarrist Crister Olsson, der mit seinem OPETH-Shirt den Eindruck noch verstärkt, es mit einem Doppelgänger von Mikael Akerfeldt zu tun zu haben und Aushilfsbassist Kristofer Elemyr, der auch in jeder True Metal-Formation gut aufgehoben wäre (auch wenn er eigentlich bei den Deathern UNDIVINE die dicken Saiten rupft)und das gesamte Spektrum an "Rockgottposen" offeriert, wissen, die Stimmung noch weiter zu steigern. Frontmann Daniel Bryntse ist zwar diesbezüglich logischerweise ein wenig limitiert, brilliert dafür am Mikro und das in jeglicher Gangart. Seine Bandbreite liegt zwischen emotionalem Klargesang und recht derbem Gegurgel, auch wenn dieses zumeist nur als "Geschmacksverstärker" dient und in dementsprechend geringem Ausmaß zu vernehmen ist. Bestes Beispiel dafür ist ›From The Dark‹, in dem auch die überaus gelungenen Gesänge seiner Sidekicks gut zur Wirkung kommen. Damit scheint die Schlacht für die Schweden auch erfolgreich geschlagen, doch das Publikum will noch mehr, und man genehmigt ISOLE noch eine Nummer. So zelebriert das Quartett als "Finale Grande" den bereits erwähnten "Oldie" ›Moonstone‹, um sich danach unter tosendem Applaus zu verabschieden. Bleibt bloß zu hoffen, daß die Herren "Mats" (Crister) und "Ragnar" (Daniel) ebenso nachhaltig beeindruckt von diesem Gig waren wie ihre Zuschauer und uns vielleicht beim nächsten Mal mit EREB ALTOR die Ehre erweisen...

MIRROR OF DECEPTION-Liveshot

Bis dahin vergeht aber noch einige Zeit, die es zu überbrücken gilt. Ein wirklich gelungenes Stück edle Langsamkeit, das für diesen Zweck mit Sicherheit gut geeignet ist, nennt sich übrigens »A Smouldering Fire« und ist eben erst von der deutschen Doom-Institution MIRROR OF DECEPTION in Umlauf gebracht worden. Von daher ist es natürlich auch logisch, daß in der folgenden Spielzeit mehrere Auszüge davon präsentiert werden. Der Vierer, bei dem Drummer Jochen Müller sehr viel zum Gesang beiträgt und dabei seine Sache überaus beeindruckend absolviert, läßt uns aber auch unzählige Tracks aus der doomreichen Vergangenheit von mittlerweile zwanzig harten, ungemein aufopferungsvoll gelebten Bandjahren hören. Die Performance wirkt in Summe sehr professionell, Spielfreude und Hingabe zur Musik selbst sind aber dennoch zu jeder Sekunde zu spüren. Zudem weiß sich Gitarrist Jochen Fopp (ja, genau der vom "Doom Shall Rise"-Festival) mit seinem schicken JACK FROST-Shirt in Österreich natürlich weitere Sympathiepunkte abzuholen. Optisch imposant wirkt auch Bassist Andreas Taller, der nicht nur mit seinem "altvaterischen" Bartwuchs an längst vergangene Tage erinnert, sondern zudem auch mit seinem CIRITH UNGOL-Shirt. Das von den Kollegen von DOOMSHINE auf ihrem brandaktuellen (und überaus empfehlenswerten - womit wir wieder beim Thema "Überbrücken" der Zeit bis zum nächsten "Doom Over Vienna" angelangt wären...) Dreher »The Piper At The Gates Of Doom« gecoverte ›Vanished‹ markiert den Abgang und läßt MIRROR OF DECEPTION, angeführt von Gitarrist und Sänger Michael Siffermann, der souverän durch das Set führt, als weiteren "Sieger" dieses Festivals hervorgehen. (Und abgesehen davon bringt mich diese Nummer auf eine weitere Idee, wen man uns da beim nächsten Mal gerne präsentieren darf...)

Die von "Siffi" im Verlauf des Gigs gestellte Frage, ob denn jemand Dope dabei hätte, weil die Jungs von LORD VICAR danach gefragt haben, bleibt zwar ebenso unbeantwortet, wie auch, ob denn diese "Suche" für die aus Finnland stammende Kulttruppe irgendwo anders erfolgreich verlaufen ist. Aber völlig egal, Klänge wie jene bedürfen ohnehin keinerlei "Unterstützung", um sich direkt ins Doom-Valhalla katapultieren zu lassen, und das auch deshalb, weil die Truppe die Steilvorlagen ihrer Kollegen problemlos zu verwerten versteht. Die "internationalisierten" Finnen, die mit einem britischen Schlagzeuger (Gareth Millsted, zuvor bei CENTURION'S GHOST aktiv), sowie der schwedischen Doom-Ikone Christer Lindersson am Mikro (einst bei COUNT RAVEN, danach bei SAINT VITUS und TERRA FIRMA) antreten und erst zu später Stunde auf die Bretter steigen, verstehen es locker, die Klientel noch einmal rundum zufriedenzustellen und gewinnen obendrein mit Sicherheit auch einige Fans an diesem Abend hinzu. Ihr elegischer Stil, dem man immer wieder anhört, daß Mastermind "Peter Inverted" einst bei REVEREND BIZARRE das Sagen hatte, wird zum Abschluß regelrecht zelebriert. Noch einmal kommt Wien in den Genuß der puren, tiefschürfenden Form des Doom und das zudem mit jeder Menge Druck. Auch wenn die musikalische Melange phasenweise ein wenig schroff tönt, gibt es reichlich Melodien, für die Sänger "Chritus" sorgt. Deshalb werden sich spätestens nach diesem Gig wohl nicht nur Anhänger des erwähnten "Reverend" auch zu diesem "Vicar" bekennen, sondern auch getreue Fans von SAINT VITUS und COUNT RAVEN. Und so, wie es dieser schwedischen Legende vor wenigen Monaten gelungen ist, für den Abschluß einer rundum gelungen Veranstaltung zu sorgen, ist es diesmal LORD VICAR vorbehalten, einen imposanten Schlußakkord zu setzen, was die Band auch in einer, dem Bandnamen entsprechenden Würde zu tun versteht.

Zum Schluß sei noch einmal ein herzliches Dankeschön und dickes Lob an die Veranstalter wie auch an sämtliche Beteiligten, die zum Gelingen dieses Konzerts beigetragen haben, gerichtet. Die österreichische Doom-Gemeinde wird mit Sicherheit jetzt schon freudig Ausgabe VI dieses Festivals herbeisehnen und sich bis dahin dem Motto des Abends "Bleibt's laungsaum!" hingeben.


Walter Scheurer

Photos: Walter Scheurer


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