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”UNDERGROUND EMPIRE 5”-Datasheet

Contents:  SYSTEM DECAY (D)-Interview

Date:  06.08.1991 (created), 29.05.2010 (revisited), 22.01.2022 (updated)

Origin:  UNDERGROUND EMPIRE 5

Status:  published

Task:  from paper to screen

Availability:  original printed issue still available, order here!

Comment:

Es liegen etliche Stories und Reviews schon seit Jahren unveröffentlicht auf Halde, weil eigentlich der damalige Autor noch ein "Extra-Info" hätte verfassen sollen. Doch diese Idee soll nun in die Tonne gekloppt werden, weil auf diese Weise diese alten Artikel vielleicht nie online gehen. Daher wird meine Wenigkeit - sofern möglich - ein "Ersatz-'Extra-Info'"verfassen. Sollte der damalige Autor doch noch Lust verspüren, etwas zu diesem Kasten beizusteuern, so werde ich das dann eben hinzufügen.


Das Bandphoto - und zwar jenes, das hier an erstes Stelle steht - bot sich im gedruckten Heft für eine schöne graphische Spielerei an: So war es ein Kinderspiel, den Interviewtitel unten rechts auf die Steine zu plazieren. Oben links kam dann das Bandlogo hin - und zwar in roter Farbe dedruckt, so daß es trotz der dünnen Linien halbwegs zu erkennen war; dies war auch der Grund warum wir heute dieses Konstrukt mit dem Schattenwurf gebaut haben. Im gedruckten Heft war dann das Wort "SYSTEM" hochkant gestellt und direkt rechts daneben folgte dann das Wort "DECAY".

Supervisor:  i.V. Stefan Glas

 
 

SYSTEM DECAY (D)-Logo

Bekanntlicherweise sind wir immer auf der Suche nach Bands, die nicht davor zurückschrecken, neue Wege zu gehen. Wenn das Ergebnis dann auch noch so erschreckend gut klingt, wie das zweite Demo »Inbetween All Times« der Freiburger SYSTEM DECAY, ist ein Interview schon fast selbstverständlich. Ich nervte die beiden Gitarristen Götz und Teddy mit meinen Fragen und erhielt postwendend (Thanx, Götz!!!) folgende geistreiche Antworten der beiden.

SYSTEM DECAY (D)-Bandphoto 1

In Eurem Info beschreibt Ihr Euren Stil schon als einzigartig und untypisch für eine deutsche Band. Da ergibt sich doch die Frage, was ist "typisch deutsch" für Euch?

Betrachtet man aufstrebende und erfolgreiche deutsche Metalacts, kann man erstaunlich viele musikalische und stilistische Gemeinsamkeiten ausmachen wie mangelnde Originalität, aber technisch anspruchsvolle Musik, gefällige Produktion, bewußt einfach gehaltene Melodieführung und zumeist eng an Gitarrenarbeit gebundener Gesang.

Aber muß das immer unbedingt negativ sein?

Natürlich nicht, aber das ist nicht das, was wir erreichen wollen. Unsere Ansprüche an Musik differieren. Das soll aber nicht als arrogant aufgefaßt werden.

Wie waren denn die Resonanzen auf das Demo von den Hörern? Die Reviews zum Demo waren dann auch vielleicht etwas abschreckend für den normalen Metalkonsumenten, oder?

Die Reaktionen waren durchweg positiv, allerdings teilten uns manche Hörer mit, daß sie eine gewisse Anlaufzeit für unsere Musik benötigt hätten. Die Presse hat uns zum größten Teil zu extrem dargestellt. Gerade dieses Extrem macht uns aber wieder interessant für viele Leute, da wir uns dadurch vom Gros der Kritiken abheben. Man sollte uns aber nicht als wuchernde Blüte aus dem Blumenbeet des Metals sehen. Wir machen einfach nur einen Vorschlag, wie man mit zwei Gitarren, Gesang, Baß und Schlagwerk originelle Musik machen kann.

Was für Leute wollt Ihr überhaupt ansprechen? Wer kommt zu Euren Gigs?

Wir denken, daß SYSTEM DECAY nicht auf Hörer einer bestimmten Musikrichtung festgelegt werden können. Wir hören musikstilübergreifend, spielen musikstilübergreifend und wollen musikstilübergreifende Hörer ansprechen. Bei Konzerten sind eben diese anzutreffen.

Ich mache in letzter Zeit die Erfahrung, daß Metalfans lange nicht so verbohrt und engstirnig sind, wie teils behauptet wird. Wieso verkaufen sich sonst Bands wie PRIMUS oder GYPSY KYSS sehr gut auf dem Metalsektor? Wie sehen da Eure Erfahrungen aus?

Metal ist eine der Stilrichtungen, die ein sehr junges Publikum anspricht. Mit zunehmendem Alter und wachsender Erfahrung wird man aber normalerweise auch offener gegenüber anderen Musikarten. Der Metalmarkt entwickelt sich auf jeden Fall in die richtige Richtung. Es kommt zwar mehr und mehr Schrott hoch, aber der Begriff "Heavy Metal" ist heute viel weiter gesteckt als vor vier Jahren, was an den Fusionen mit anderen Stilrichtungen liegt (beispielsweise Funk, Industrial, etc.) liegt. Mit jeder Veröffentlichung wird versucht, Geld zu machen. Dadurch entsteht auch Platz für originelle Bands, die es dann zum Teil, je nach ihrer Zugänglichkeit für den durchschnittlichen Hörer, auch schaffen können.

Ich finde, es entsteht eine Art neuer Underground, wie vor etwa sieben, acht Jahren, als die Speed/Thrashwelle loslegte. Irgendwie läuft sich diese Richtung tot. Die alten Fans sind auf der Suche nach etwas Neuem.

Hoffentlich hast Du recht. Wenn wir eine Chance haben, liegt sie darin. Da der Bereich Metal heute wesentlich weiter gesteckt ist, laufen aus verkaufstechnischen Gründen einige Bands, die vorher nicht mit Metal in Verbindung gebracht wurden, eben auch unter diesem Begriff.

Aber zurück zu SYSTEM DECAY. Wie seid Ihr an Euren neuen Bassisten geraten? Er spielte früher bei SCARECROW. Haben die sich etwa aufgelöst? Wäre sehr schade!

Unser neuer Mann am Baß heißt Christoph Pevec und kam zu uns, nachdem sich SCARECROW im Frühjahr aufgelöst haben. Wir hatten aber schon vorher Kontakt zu ihm und der Band, so daß ihm die Wahl nicht schwer fiel.

Wie seid Ihr an WEED PRODUCTIONS gekommen? Ehrlich gesagt habe ich von denen bislang nicht allzuviel gehört. Habt Ihr keine anderen Angebote?

WEED PRODUCTION ist das Label von Ex-SCARECROW-Sänger Thomas Haller und heißt seit neuestem FLIGHT 13. Thomas arbeitet allerdings mehr auf dem Punksektor und wird zeitgleich mit unserer EP »Fear Of...« Mitte September eine weitere EP der Australier STICKFARM und eine LP der Schweizer DR. PARANOISE releasen, so daß wir musikalisch eine vollkommene Ausnahme darstellen. Andere Angebote gibt es nicht.

Was dürfen wir denn von der »Fear Of...«-EP erwarten?

Das wird eine 7"-EP mit den drei Stücken ›Fear Of Tomorrow‹, ›The Mystery‹ und ›Tell Me Words‹.

SYSTEM DECAY (D)-Headline

Kommen wir nochmal zu Eurem Stil zurück. Claudias Vocals machen es dem Hörer auch nicht gerade einfacher, in die sehr komplexen Strukturen einzusteigen. Habt Ihr jemals daran gedacht, eingängiger zu werden oder evtuell den Gesangspart zu ändern?

Musikalisch wird die EP klarer, unkomplizierter. Wir legen mehr Wert auf akustischen Gitarren. Vor allem auf der B-Seite haben wir Wert darauf gelegt, daß die Stücke gut hörbar sind, so beispielsweise ›Tell Me Words‹, wo wir keinerlei verzerrte E-Gitarren verwendet haben. Außerdem wird verstärkt zweistimmiger Gesang eingesetzt.

Wenn ich Cover, Texte, etc. betrachte, kommt in mir die Vermutung auf, daß da eine Art Konzept hinter steckt.

SYSTEM DECAY lebt von dem Zusammenwirken fünf differierender Köpfe, deren Ziel es ist, auf dem musikalischen Sektor angenehm stilvoll tätig zu sein. Auf dem lyrischen Sektor versuchen wir stimmungsvolle, verzaubernde und bewußtseinserweiternde Werke zu veröffentlichen. Wir sind der grundsätzlichen Meinung, daß der Mensch das Themenfeld Industriegesellschaft, Umwelt, Zivilisation, Depression nicht mit dem nötigen Ernst betrachtet. Mit einfachen Mitteln, mit dem einfachen Bewußtsein, Mensch zu sein, ließe sich das Zusammenleben der Menschen um weite Strecken einfacher gestalten. Daher kann man schon von einem Konzept reden, was aber nicht zu verurteilen ist und keine propagandistischen Absichten verfolgt.

Sehr gelungen finde ich die Idee, deutsche Textpassagen mit einzuflechten. Wie seid Ihr darauf gekommen beziehungsweise welche Absicht verbirgt sich dahinter?

Die deutschsprachigen Passagen sind als Unterstützung und Ergänzung der Texte zu verstehen. Wir halten Deutsch in der Form, wie wir es verwenden, für eine geeignete Sprache, um gesprochene, lyrische Passagen mit Musik zu verbinden. Außerdem fällt es uns nicht schwer, deutsche Statements zu formulieren.

Wenn ich mich nicht irre, handelt es sich dabei doch teils um Rezitationen, die ich allerdings nicht so recht zuordnen kann.

Bei ›Psycho‹ verwendeten wir ein Gedicht von Paracelsus, welches man weniger im Zusammenhang mit seiner faszinierenden Persönlichkeit betrachten muß, sondern mehr als Ergänzung der Gesamtaussage von ›Psycho‹. Das deutsche Zitat aus ›Silicon Dream‹ stammt von Teddy, und es ist die Moral der Geschichte, die in diesem Song erzählt wird.

Um nochmal auf das sehr gute Cover zu kommen. Wer ist dieses hinterhältige Männchen, das sich im Peacezeichen versteckt?

Es stellt einen uralten Embryo dar, der das Paradoxon der Zeit beschreiben soll. Deshalb der Demotitel »Inbetween All Times«. Es war ursprünglich zum Thema "systematic" als eine Kette von Reagenzgläsern gedacht, die sich in der Unendlichkeit verliert. Nachdem wir jedoch erste Entwürfe gesehen hatten, entschieden wir uns für diesen Titel. Man kann das Männchen auch als das Hinterhältige im Frieden sehen.

Jetzt mal was Persönliches. Wie würdet Ihr Euch charakterisieren? Seid Ihr die letzten wahren Hippies?

Auf jeden Fall sind wir keine Dogmatiker. Wir sind bereit, alles so zu nehmen, wie es auf uns zukommt, ohne zu vergessen, Kritik zu üben. Und wir haben unheimlich viel Freude am Leben. Wir sind bereit, die Wahrheit zu sagen, auch wenn sie unerwünscht ist. Wir sind sicher nicht die letzten wahren Hippies, aber wir haben uns scherzhafterweise kürzlich als Freaks des letzten Jahrhunderts bezeichnet.

Um mal auf ›Silicon Dream‹ zu kommen. Wie sollte denn Eurer Meinung nach unser Planet im Jahre 2032 aussehen, und wie könnten wir das erreichen?

Netter, friedlicher, hilfsbereiter, offener, toleranter, ehrlicher, dankbarer, etc. aber wir haben keine allzu große Hoffnung, daß dies jemals der Fall sein wird.

In ›Psycho‹ habt Ihr die Textzeile "Wer nichts weiß, liebt nichts". Dem kann ich nur sehr bedingt zustimmen. Sicherlich kann Wissen Gefühle steuern, aber es als Grundlage aller Emotionen zu sehen, ist mir dann doch zu abstrakt.

Wir stehen hinter der Aussage. Wer keine Erfahrungen hat, versteht nicht, Gutes zu schätzen. Versteht man die Zeile auf diese Art, ist sie sicher wahr.

SYSTEM DECAY (D)-Bandphoto 2

Bevor ich jetzt anfange Eure sehr guten Texte völlig zu zerpflücken, mache ich hier erst mal Schluß. Wenn Ihr noch irgendwas loswerden wollt...

Wir wünschen uns viel Erfolg!!! (Ich Euch auch und mir auch und überhaupt allen und dem Rest ebenfalls und denen, die ich vergessen habe, erst recht... - Stefan Glas)

Dem kann ich mich nur anschließen. (Ich auch ... ist ja gut - bin ja schon ruhig - Stefan Glas) Wer nun nicht auf die angesprochene 7" warten möchte, hat die Möglichkeit für je 10,- DM eines der beiden Demos (Unsinn!!! Am besten gleich beide! - Red.) zu erstehen oder die Band wegen des Samplers »Best Of German Metal Newcomers«, worauf das neue Stück ›Human‹ vertreten ist, zu kontakten. Hier die Adresse:

Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Holger Andrae

SYSTEM DECAY (D) im Überblick:
SYSTEM DECAY (D) – Decay & Descent (Demo-Review von 1990 aus Underground Empire 2)
SYSTEM DECAY (D) – Inbetween All Times (Demo-Review von 1990 aus Metal Hammer 02/91)
SYSTEM DECAY (D) – Underground Empire 4-"German Metal"-Artikel (aus dem Jahr 1991)
SYSTEM DECAY (D) – Underground Empire 5-Interview (aus dem Jahr 1991)
SYSTEM DECAY (D) – News vom 26.07.1990
SYSTEM DECAY (D) – News vom 19.07.1991
SYSTEM DECAY (D) – News vom 21.12.1991
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