UNDERGROUND EMPIRE the ONLINE EMPIRE-Titel
  UE-Home → History → Underground Empire 3 → Rubriken-Übersicht → Die Elbenstadt-"Die Sagen von Dawnia"-Kapitel last update: 10.10.2024, 20:49:20  

”UNDERGROUND EMPIRE 3”-Datasheet

Contents:  Die Elbenstadt-"Die Sagen von Dawnia"-Kapitel

Date:  1990 (created), 16.02.2010 (revisited), 22.01.2022 (updated)

Origin:  UNDERGROUND EMPIRE 3

Status:  published

Task:  from paper to screen

Availability:  original printed issue sold out! Several later issues still available; find details here!

Comment:

Wir haben bereits die Hälfte des leider unvollendeten Meisterwerks erreicht. Da Heinz-Günter in der sechsten Ausgabe pausieren mußte, sollten insgesamt sechs Kapitel von "Die Sagen von Dawnia" in UNDERGROUND EMPIRE erscheinen. Ob und wie weit Heinz-Günter die Story weitergestrickt hat, entzieht sich leider meiner Kenntnis.

Supervisor:  i.V. Stefan Glas

 
 

Titel: Die Sagen von Dawnia

Die Elbenstadt

Doch nun kommt mit mir, der Tag neigt sich schon, und Ihr seid bestimmt sehr hungrig!"

Ila nickte zustimmend und folgte dem alten Mann, der behenden Fußes über die Mauerreste geklettert war und nun gemächlich auf die Ruinen der Stadt zuging. Ila beeilte sich, ihm zu folgen.

"Seltsam", dachte sie. "Dort geht ein fremder Mann, ein fremdes Wesen, das sich als einer der legendären Elben ausgibt, mich vielleicht schon tagelang verfolgt und beobachtet hat und mich hier fast zu Tode erschreckt, und was mache ich? Ich folge ihm brav nach Hause zum Essen! Wer weiß, was Elben überhaupt essen! Vielleicht sogar geröstete Hexen!" Ila war gar nicht wohl, doch sie wußte daß dieser Quahlin im Moment ihre Rettung war, und so verwarf sie ihre Gedanken wieder: "Unsinn, der Alte sieht doch recht freundlich aus, und wenn er mir hätte was antun wollen, wären da genug bessere Möglichkeiten gewesen. Ich war ziemlich unvorsichtig. Doch geschehen ist geschehen; ich werde eben in Zukunft besser aufpassen müssen."

Ganz in Gedanken war Ila die Mauer hinabgeklettert und sah nun wieder den Elb, der sie freundlich ansah und auf sie wartete.

"Folge mir, wir werden nun durch die beklagenswerten Reste der einst so stolzen Stadt gehen. Früher einmal, ja, da war hier noch das Leben zu Hause - sagt man! Die Zeit vergeht, und die Menschen ändern sich; einige hundert Jahre ist das nun schon her. Heute lebt niemand mehr, der bei der Zerstörung dabei war, und viele Elben wissen nur aus den Geschichten am Feuer über diese Stadt. Ja, auch die Elben vergessen - und das ist schlimm - sehr schlimm! Die Gefahr für die Völker ist groß, größer als je zuvor, und wir Elben werden immer schwächer. Ein zweiter großer Krieg würde uns und alle Völker dahinraffen und die wenigen Überlebenden würden der Sklaverei verfallen. Doch noch ist es nicht soweit, und deshalb bin ich froh, daß Du gekommen bist, obwohl ich gehofft hatte, daß es nie soweit kommen würde."

Ila folgte Quahlin wortlos durch die Trümmer. Viele Fragen brannten in ihr, doch sie spürte, das es nicht an der Zeit war, sie zu stellen. So betrachtete sie die rußgeschwärzten Mauern, die rechts und links von ihr auf ihren endgültigen Zerfall warteten: trostlose Reihen von staubbedeckten Mauern und Felsen. Trotzdem konnte sich Ila gut vorstellen, daß hier einmal vor langer Zeit glückliche Familien gelebt hatten, die frei und stolz waren, auf sich und ihren Besitz. Viele der Mauern zeigten noch die inzwischen verblaßten Malereien, die nicht selten den Hausbesitzer und seine Familie zeigte. Es waren schöne Bilder, und sie zeigten das schönste der Völker Dawnias. Ila konnte den Lärm der lebenden Stadt hören, das Marktgeschrei, das laute Geschwätz der Frauen, die Stimmen der Elben, Kinderlachen...

Erst jetzt bemerkte Ila die Stille, die über der Geisterstadt lag. Kinderlachen! Ihr Kind machte sich nun auch schon bemerkbar, denn ihr Bauch wurde deutlich dicker. Wie würde das nur ausgehen?

Immer noch folgte sie dem Elben, der für Ila wie die Erfüllung eines Kindertraums erschien. Wie oft hatte sie geträumt, daß die Geschichten ihres Großvaters wahr würden, und nun folgte sie einem echten Elben, der sie durch die legendäre Stadt der Elben führte. Inzwischen war Quahlin einige Male in kleinere Wege eingebogen und sah sich vorsichtig um. Wieder und wieder blieb er stehen und bedeutete Ila, sich still zu verhalten. Gespannt horchte er in die Ferne, und auch Ila versuchte, einen Laut zu hören, doch außer dem Wind war nichts zu hören und erleichtert wollte sie weitergehen.

"Yrch!" zischte Quahlin energisch, und Ila erstarrte wieder. Ila wußte zwar nicht wer oder was Yrch ist, doch sie spürte die Spannung von Quahlin. Es erschien Ila wie eine Ewigkeit, bis der Elb sich wieder entspannte und sagte:

"Kommt, es ist nicht mehr weit!"

Und wirklich, nur kurze Zeit später betraten die beiden die Überreste eines Hauses durch einen Zugang, den Ila erst sah, als sie direkt davorstand. Sie traten ein, gingen einige Stufen hinab und standen dann vor einer schweren Eichentür. Der Elb öffnete sie, und sie traten in einen kleinen, behaglich eingerichteten Raum.

"Dies ist mein Zuhause" verkündete Quahlin mit einer gewissen Trauer in der Stimme. "Setz' Dich, ich werde etwas zu Essen bereiten."

Ila sah sich interessiert um. Sie war überwältigt von der schlichten Schönheit und der Heimeligkeit, die der Raum ausstrahlte. So etwas hätte sie nicht erwartet. Nicht in diesem Ruinenfeld. Nach ihrer langen Zeit im Wald empfand sie ein richtiges Dach über dem Kopf als das Schönste, das es gab. Nicht, daß ihr der Wald nicht gefallen hatte, oder gar, daß sie ihn fürchtete, im Gegenteil, sie hatte innerlich eine Freundschaft mit dem Wald geschlossen, doch trotzdem fühlte sich Ila nirgendwo sicherer als in einem Haus. Ihr fielen wieder die eisigen Winterabende ein, in denen sie mit ihrem Großvater vor der Feuerstelle gesessen hatte und die alten Sagen erzählte. In diesen Geschichten wurden alte Völker wieder lebendig, Götter kamen aus der Versenkung zurück, Fabelwesen kämpften, grimmige Zwerge trieben Höhlen in die Erde, und die fröhlichen Hobbits bestellten ihre Felder und lachten über diejenigen unter ihnen, die auf gefährliche Abenteuer gingen... Eine friedliche Zeit! Aber, waren es nur Geschichten? War alles nur erfunden? Gedichtet? Oder gab es sie wirklich, die Magier, die Zwerge, Hobbits, Trolle, Orks und Drachen? Hatte er wirklich stattgefunden, der Krieg der Völker, der die Menschen zu dem gemacht hatte, was sie heute waren: ein Häufchen Elender, die unter einer Gewaltregierung, abgeschnitten von der Außenwelt, vor sich hin rottete; verstaubt und geistig tot? Ila konnte es nicht fassen, doch sie war mitten in dieser Elbenstadt, die im Krieg zerstört wurde, sie hatte mit einem Elb gesprochen, der diesen Krieg auch schon erwähnt hatte. Entsetzt erkannte Ila die Wahrheit: Sie war die einzige der Menschen, die überhaupt von der Existenz der Geschichte wußte, doch sie war als Hexe verbannt, und niemand würde ihr glauben; sie konnte ihr Volk nicht aufklären.

Als Quahlin mit einem herrlich duftenden Braten wieder in das Zimmer trat, fand er Ila weinend in einem Sessel.

Lautlos setzte sich der Elf an den Tisch, schnitt den Braten an, probierte ein Stück davon und zufrieden gab er Ila ein kräftiges Stück. Bedächtig nahm er sich auch ein kleines Stück und sagte dann:

"Ich sehe, vieles bedrückt Euch und bekümmert Eure Seele, doch vergeßt den Kummer für ein Weilchen und eßt. Dann haben wir Zeit zu reden, und mit vollem Magen scheint die Welt nicht mehr so düster. Greift zu! Ich hoffe es schmeckt Euch."

Ila war von der warmherzigen Freundlichkeit, die diese Worte ausstrahlten erfreut, und ein wenig erleichtert wischte sie ihre Tränen ab, um dann den Braten zu probieren. Es war ein völlig fremder Geschmack, kräftig, aber trotzdem etwas süßlich. Ila spürte sofort, daß der Elb in der Kräuterkunde gebildet war, denn der frische Geschmack blieb lange auf der Zunge haften und gab Ila schnell ein Gefühl der Sättigung und der Freiheit. Frei? Ja, das war sie nun wohl. Losgelöst von jeder Ordnung, von jeglichem Verbot und jedwedem Gesetz. Frei aber auch von ihrer Familie, ihren Verwandten, ihren Freundinnen - frei von allen Menschen! Sie war allein, nur Quahlin war bei ihr, und sie hoffte, daß er sich als Freund erweisen würde. Über ihre Gedanken hatte Ila gar nicht gemerkt, wie sie ihren Teller leergegessen hatte und daß der ebenfalls gesättigte Elb sie ansah. Wieder fühlte sie die Wärme, die von seinem offenen Lächeln ausging, aber zum ersten Mal sah sie den tiefen Schmerz der Trauer in seinen Augen. Die beiden Gegensätze verwirrten Ila, doch sie wurde in ihren Gedanken unterbrochen.

"Wie ich sehe, hat Euch mein Mahl geschmeckt! Ich habe mir auch viel Mühe gegeben und es mit einem kostbaren Gewürz verfeinert, welches nur im Land der Elben gedeiht und selbst dort nur zu wichtigen Anlässen benutzt wird. Es wird von den Elben Ambersa genannt! Merkt Euch den Namen - denn der Besitz dieser Pflanze ist in den Ländern mehr wert als Gold und Mithrilsilber!

Doch nun ist es an der Zeit, über einige Dinge zu reden und einen sehr wertvollen Schatz zu gewinnen: Wissen! Ich denke, es ist das Beste, Ihr erzählt Eure Geschichte, von Eurer Herkunft und warum Ihr - hochschwanger - allein durch Euch unbekannte Wälder irrt. Zudem: Wie kommt Ihr zu dem Mal der Hexen? Ihr seid keine, wenn ich mich nicht sehr irre, doch... beginnt, wir haben heute viel Zeit dazu!"

Der Elb lehnte sich zurück und sah Ila interessirt an, als sie begann: Sie berichtete von der verwahrlosten Stadt Acrelon, die nun von einem grausamen Herren gepeinigt wurde; von ihrer Familie, den Rocklafors, die zur ehemaligen Herrscherklasse gehörte, die jedoch nun gezielt verfolgt und umgebracht wurde. Sie erzählte von Garth Lothion, ihrem Gemahl, der ihr dieses Kind schenken wird, das sie bei sich trage; sie erzählte von ihrer selbstmörderischen Anklage, in der sie den König und seine Schergen bezichtigte, ihre Mutter getötet zu haben und ihren Vater in einem Kerker gefangenzuhalten. Dies hatte ihr die Verbannung eingebracht, die Brandmarkung als Hexe. Ila sprach von den zahllosen Frauen, die schon vor den Toren der Stadt gestorben waren, elendiglich verhungert oder von Tieren getötet, allein, ohne auf die Hilfe der Stadtbewohner hoffen zu können. Es war verboten, den Verbannten auch nur ein Brot zu geben. Viele der Bedauernswerten hatten schon vor ihr, die Rettung im fernen Wald gesucht, doch nie kam auch nur eine zurück. So hatte Ila gehofft, auf die Überlebenden zu treffen, als sie in den Wald ging. Ila traf niemand und wanderte weiter. Sie berichtete von Ihrer Wanderung und beendete ihre Geschichte mit der Stelle, an der sie von Quahlin so erschreckt wurde.

"Es ist überhaupt verwunderlich, daß Ihr noch lebt!" meinte der Elb, nachdem sie geendet hatte. "Der Wald birgt mehr Gefahren, als Ihr erlebt habt und vielleicht vermutet. Das Verhungern ist an sich die geringste Gefahr, wenn man sich zu ernähren weiß. Ihr aber könnt von Glück sagen, daß ich Euch zu dieser Zeit schon entdeckt hatte und in die Höhle bringen konnte. Ihr seid vor Erschöpfung und Hunger einfach zusammengebrochen, und ich befürchtete, Euch schon tot zu finden. Nun, ihr wart nur bewußtlos, und so versorgte ich Euch mit allem, was Ihr brauchtet: Ruhe und Schlaf! Hier allerdings muß ich Eure Geschichte ein wenig berichtigen, denn sieben Tage und Nächte habt Ihr geschlafen, bevor Ihr durch meinen Trunk geweckt wurdet. Lange habe ich mich gewundert, daß Ihr mich nicht sehen konntet, denn ich stand nur einige Schritte von euch entfernt, doch dann wurde ich mir bewußt, daß unsere Elbenmäntel uns vor den Blicken fremder Völker schützen. So konnte ich mich Dir erst in der Stadt zeigen - und so erfüllt sich die Verheißung: "Aus den Trümmern wird alles neu - ein Tor nach Süden wird sich öffnen, und sie wird kommen! Die Errettung der Elben und die Vernichtung des bösen Valar!"

Der Elb schien wie in Gedanken versunken, doch gleich darauf klärte sich sein Blick wieder, und er sprach: "Oh ja, ich wußte daß Ihr kommen würdet. Ich kenne Euren Namen, und den Namen den Ihr einst tragen werdet, und ich weiß Dinge über Euch, die Ihr nicht kennen werdet... Doch was mache ich? Ich habe versprochen, Fragen zu beantworten, und nun werfe ich noch mehr Fragen auf, Fragen, die ich nicht mal beantworten kann - und will. Es ist wahrscheinlich das vernünftigste, Euch meine Geschichte - und somit die des Elbenvolkes - zu erzählen:

Die Geschichte der Elben ist bis zu dem großen Ringkrieg ja bekannt, doch seither sind viele Jahre vergangen und die Elben waren in dieser Zeit nicht untätig. Wie Ihr vielleicht schon gehört habt, verließen die meisten Elben nach dem Ringkrieg Mittelerde, um über die Meere zu segeln, in der Hoffnung die Stadt Kor zu finden. Diese Stadt ist die eigentliche Heimat der Elben, und sie liegt nur wenig entfernt vom Berg der Valar, den Göttern von Mittelerde. Die ersten Vorfahren wurden damals immer wieder von Melkor verführt und verärgerten die guten Valar so sehr, daß die meisten von Ihnen aus Valinor auszogen und in die Lande zogen. Seither standen die Elben immer wieder im Mittelpunkt des Kampfes zwischen Melkor, dem Inbegriff des Bösen und dem Guten, den Valar. Melkor brachte den Elben immer wieder Verderben, Tod und Verzweiflung, doch wir wurden auch immer wieder aus der größten Not gerettet. Oft sogar durch die Hilfe der Valar, die Valinor, ihre Heimat, vor den Völkern verborgen haben. Im letzten Krieg gegen Sauron, einem Sklaven Melkors, sandten sie uns die Ishtari, machtvolle Magier. Mithrandir - oder Gandalf, wie ihn die Völker nannten, war einer von ihnen, und er trug entscheidend dazu bei, Sauron zu vernichten. Doch das wißt Ihr ja. Die Elben jedenfalls verließen Mittelerde, in dem Glauben, daß einerseits die Ringe der Macht ihre Kräfte verloren hätten und andererseits, daß sie vielleicht Valinor - und somit auch Kor - finden würden. Viele lange Jahre segelten die Schiffe auf den Meeren, und viele der Elben kamen bei schrecklichen Unwettern um. Schon wollten sie aufgeben und umkehren, als sie die Trauminseln entdeckten, die Valinor umgeben. Voll Freude und gleichzeitig voller Ungewißheit hielten sie darauf zu, doch die Valar hatten beschlossen, daß die Zeit noch nicht reif sei, und so trieben widrige Winde die Schiffe ins offene Meer hinaus, weg von Valinor. Tief traurig darüber verzehrten sich die Elben, und viele starben vor Kummer. Als die Verzweiflung jedoch am größten war brauste plötzlich das Meer auf, ein Wirbel entstand und daraus stieg Osse empor, der Valar der Meere und aller Gewässer. Er brachte den Elben zweierlei Kunde, die die Elben tief betrübte und gleichzeitig voller Hoffnung umkehren lies, denn er kündigte einen weiteren schrecklichen Krieg an, in dem viele ihr Leben lassen müßten: Doch die Valar waren bereit, den Elben Unterstützung zu gewähren. Wenn dann dieser Estor besiegt würde, und Melkor somit entschieden geschwächt werden könnte, könnten die Elben wieder nach Valinor zurückkehren.

Als Osse dies verkündet hatte verschwand er wieder in der unergründlichen Tiefe des Meeres und die Elben setzten die Segel und nahmen Kurs auf Mittelerde.

So kommt es, daß die Elben noch immer in Mittelerde sind. Doch in den Jahren ihrer Reise hatte sich viel verändert, die Freundschaft zwischen den Völkern war nahezu vergessen, selbst die Völker untereinander entfremdeten sich, und Acrelon ist ein gutes Beispiel dafür. So machten sich die Elben wieder in ihre Gebiete auf, wo sie überrascht feststellen mußten, daß die Ringe nicht ihre gute Macht verloren hatten, als der Meisterring vernichtet wurde. Und das war gut so, denn mit der Kraft der Ringe richteten die Elben Lothlorien wieder her und lebten in Frieden bis zum heutigen Tag.

Sicher werdet Ihr Euch fragen, was dies alles mit Euch und den Menschen zu tun hat, und ich sage Euch: Mehr als Ihr glaubt! Denn vor einigen Jahren erschien bei den Elben ein Bote, der folgendes weissagte:

"Estor wird sich erheben, und er wird sich mit Macht erheben. Feuer, Rauch, Schild, Schwert und Stab werden seine Begleiter sein! Er wird sich erheben und die Länder mit Schrecken überziehen, mit Blut und Tod! Er wird viele Helfer haben, Menschen, Orks, Trolle und andere Wesen. Drachen werden geboren, fliegende und kriechende Würmer werden das Land zerstören und die Elben ins Verderben stürzen! Wehe! Seid stark und zaudert nicht, denn die Rettung wird kommen! Aus den Trümmern wird alles neu - ein Tor nach Süden wird sich öffnen, und sie wird kommen! Die Errettung der Elben und die Vernichtung des bösen Valar! Eine Elbin wird ein Kind gebären, und das Kind wird die Rettung bringen! Seine Mutter trägt das Mal der weisen Frauen, und weise wird das Kind sein! Seine starke Hand jedoch liegt im Lande der Zwerge, und das Flammenschwert wird die Elben in die Schlacht führen!

Seid stark und zaudert nicht! Gefährten werden sich finden, und die Valar sind mit Euch und bringen Euch dies zum Gruß und zur Hoffnung!"

Mit diesen Worten starb der Götterbote, der von dem Valar Osse gesand war, und verschwand vor den Augen der Elben. An der Stelle jedoch, an der er gestanden hatte, lag ein einfach geschnitzter Bogen. Daneben fanden die Elben einen aus Bast geflochtenen Köcher mit einem einzigen Pfeil darin! Doch niemand konnte bis jetzt den Bogen spannen, so fest ist er. Es liegt ein Zauber auf ihm. Doch steht auf seinem Griff auch ein Name. Bisher waren wir der Meinung "ILA" wäre der Name des Bogens, doch nun hat sich ja ein Rätsel gelüftet!"

 

Während dieser langen Geschichte war Quahlin an eine Kiste gegangen, aus der er jetzt den Bogen herausholte. Ila lugte gespannt, was der Elb nun aus der langen Kiste holen würde und wurde enttäuscht. Es war wirklich nur ein einfacher hölzerner Bogen und nichts außergewöhnliches war an ihm zu sehen, was darauf hinweisen konnte, daß es ein Göttergeschenk war. Der Elb jedoch sprach feierlich:

"Nehmt ihn an Euch, denn wenn ich recht habe, und Ihr die Ila seid, die auf dem Griff des Bogens eingeritzt ist, so hat Euch der Valar Osse erwählt, uns Elben zu unterstützen, und ich werde Euch folgen!"

Mit diesen Worten reichte er Ila den Bogen, die ihn enttäuscht entgegennahm; ein Zauberbogen aus Holz! Doch als Ila den Bogen nahm und seinen Griff fest umgriff verwandelte er sich, und Ila erstarrte bei seinem Anblick: Er war plötzlich wie aus Diamant geschliffen, so funkelte er; seine Sehne glänzte wie Silber und war so fein wie ein Haar!

"Es ist der Eure, nehmt Ihn Ila!" sprach der Elb, den die Verwandlung scheinbar gar nicht überrascht hatte, und verbeugte sich.

Ila hatte vor Schreck den Bogen fast fallengelassen, doch dann bemerkte sie, daß sie ihn noch immer sicher in der Hand hatte, ja, daß der Bogen immer leichter wurde. Der Bogen war nun nicht mehr alleine. Er war ein Teil von Ila geworden, die ihn danach nie mehr als eine Last empfunden hatte. Ruhig und sicher, so als hätte sie es schon immer getan, zog sie nun den Pfeil aus dem schmalen Köcher, der plötzlich aus purem Mithril zu sein schien, legte ihn an und spannte ohne Anstrengung den wundersamen Bogen!

 

Viele Fragen bedrängten Ila und nur die freundliche aber bestimmte Aufforderung des Elben, zu Bett zu gehen, brachte sie davon ab, sie noch heute zu klären.

"Morgen müssen wir ein weites Stück Weg hinter uns bringen, und wir müssen sehr vorsichtig sein, denn hier gibt es viele Orks, die auf den Wegen patrouillieren. Als wir durch die Stadt gingen, sind wir nur wenige Meter an einer Gruppe von ihnen vorbeigekommen. Ich hoffe, daß sie uns noch nicht entdeckt haben, einen Kampf können wir uns nicht leisten - noch nicht! Ich weiß, daß Ihr noch Fragen habt, doch es ist wichtiger ausgeruht zu sein, Antworten gebe ich Euch, wenn wir etwas mehr in Sicherheit sind als ausgerechnet hier!" Der Elb führte sie in den kleinen Nebenraum, in dem ein Lager gerichtet war, einfach, aber um vieles besser, als alles, was Ila in den letzten Tagen gehabt hatte. So entkleidete sie sich und legte den Elbenmantel sorgfältig auf den kleinen Stuhl, den Bogen neben sich auf Ihr Lager und schlief schnell ein, denn sie war müde. In ihren Träumen wanderte sie durch dunkle, unheimliche und endlose Gänge, ohne ein Ende zu finden. Sie kämpfte mit unheimlichen Wesen, mit Ungeheuern und Kreaturen, von denen sie nicht einmal wußte, wie sie hießen. Scheinbar lauerte hinter jedem Busch, hinter jeder Biegung des Weges eine weitere Überraschung, ein weiteres gräßliches Untier.

Nur wenig ausgeruht, wurde Ila geweckt. Es war noch dunkel draußen, nur das Sternenlicht fiel durch das kleine Fenster.

"Zieht Euch schnell an und kommt. Und seid leise, die Orks haben uns gewittert!" Ila dachte, sie träumte noch, doch zog sie sich schnell an, nahm den Bogen und den Köcher und folgte Quahlin.

 

Sie fand den Elb in dem Raum, in dem sie am Abend zuvor gesessen hatte. Er war schon in einen Mantel gehüllt, und wieder glaubte Ila, daß sie durch den Elben hindurchsehen konnte. Er hatte einen kleinen Beutel dabei und, obwohl er ganz ruhig dastand, um auf Ila zu warten, war er beunruhigt.

"Seid leise! Ich befürchte, daß wir entdeckt wurden. Immer mehr Orks schleichen um dieses Haus! Zieht diesen Mantel an, er wird ihre Blicke verwirren, doch wenn sie uns entdecken, müssen wir vielleicht kämpfen - ich hoffe, Ihr könnt mit dem Bogen umgehen!" Unsicher nickte Ila, ihre Jagderfolge hielten sich in Grenzen, doch es war nicht die Zeit, das zu erklären.

"Folgt mir! Und kein Laut!", flüsterte der Elb und öffnete vorsichtig die Tür. Angespannt lauschte er in die Nacht, und scheinbar erleichtert betrat er die Straße. Ila folgte dicht hinter ihm. Die beiden Gestalten schlichen durch dunkle Gassen, nutzten jeden Schatten aus und bewegten sich so rasch auf den Stadtrand zu. Ila hatte es gar nicht leicht, Quahlin zu folgen, denn nur mit großer Anstrengung konnte sie der Täuschung der Elbenmäntel widerstehen und die Gestalt des Elben in der Dunkelheit erkennen. Nur wenig später erreichten sie eine gewaltige Mauer, die auf der anderen Seite eines großen freien Feldes stand. Bevor sie diesen freien Platz betraten, der die ganze Stadt umgab, hielten Quahlin und Ila nochmals kurz inne, und die empfindlichen Ohren des Elben vergewisserten sich, daß kein Ork in der Nähe war. Lange horchte er in die Dunkelheit, und Ila wurde schon beinahe ungeduldig: Sie hörte nichts! Quahlin jedoch hörte etwas, und es gefiel ihm nicht. Ärgerlich fauchte er kaum hörbar:

"Komm schnell!", und rannte unvermittelt los. Ila war zunächst ziemlich verwundert und reagierte nicht, doch als der Elb auf halbem Weg zur Mauer war, verlor sie ihn aus den Augen und rannte los. Außer ihrem Atem war nichts zu hören, und von Quahlin war nichts zu sehen. So gebannt sie auch in die Dunkelheit starrte, der Elb war verschwunden. Ratlos stand Ila an der Mauer und horchte in die Nacht. Der Wind strich sanft durch ihr Haar, und von weitem war eine Eule zu hören. Eine Nacht wie jede andere. "Was hatte der Elb denn so furchtbares gehört?", fragte Ila sich, als sie plötzlich erstarrte. Hatte sie sich getäuscht? Irgendwas hatte sie gehört, ein Grunzen, ein Schnauben, doch Ila wußte, daß es kein Schwein war. Es kam aus der Richtung, aus der sie soeben gekommen war und immer wieder hörte sie es. Schon war ihr, als hätte sie einen Schatten auf der anderen Seite gesehen. Ila war erstarrt. Sie bemerkte nicht, wie nur einen Schritt neben ihr ein Quader aus der Mauer schwang und Quahlin daraus hervortrat. Auch an ihren Bogen dachte Ila nicht - sie stand nur voller Angst da und hätte fast vor Schreck aufgeschriien, als der Elb sie am Arm nahm und in den Gang in der Mauer zog. Nur ein kleines Zischen war zu hören, als die Tür wieder zuschwang. Quahlin hatte Ila bei der Hand genommen und führte sie durch die Dunkelheit. Viele Stufen führten nach oben und als Ila sich schon wunderte, wie hoch die Mauer eigentlich sein müsse, hörten die Stufen auf und der Gang ging in vielen Windungen bergab. Plötzlich blieben sie stehen, und nur wenig später erleuchtete eine Fackel das Gewölbe. Ila stellt überrascht fest, daß sie scheinbar nicht mehr in der Mauer waren. Die Wände des kleinen Raumes waren aus Erde, die durch starke Balken gehalten wurde. Der Raum war nahezu kreisrund und hatte acht Türen, die alle gleich aussahen. Ila wußte nicht mal, aus welcher sie soeben gekommen waren. Der Elb schien sich jedoch sicher und ging zielstrebig auf eine Tür zu.

"Kommt! Ich hoffe, Ihr habt Euch nicht zu sehr geängstigt, doch ich mußte erst sehen, ob wir diesen Weg noch benutzen können. Wir müssen uns nur eilen, denn wenn die Orks den Gang entdecken, wird es eng!"

Quahlin öffnete die Tür, und sie gingen nun im schaurigen Licht der Fackel weitere ausgetretene Stufen nach unten und kamen nur wenig später in einen weiteren Raum, der genauso aussah, wie der erste. Wieder durchquerten sie ihn zielstrebig und betraten nun einen Gang, der in den Fels gehauen war. Hier und da ging ein Seitengang ab, doch Quahlin ging immer geradeaus. Wenn Ila ihre Orientierung nicht verloren hatte, mußten sie nun weit außerhalb der Stadt sein. "Wenn ich noch lange in diesen Gängen rumlaufen muß, werde ich noch ganz verrückt!" Fast hätte sie den Elb umgerannt, als dieser die Fackel löschte und stehenblieb. Stille. Nur das leise Platschen der Tropfen, die von der Decke fielen. Und irgendwo rauschte etwas ganz leise. Sanft spürte Ila einen Finger auf ihrem Mund, und wieder wurde sie durch die Dunkelheit geführt. Doch schon wenig später erhellte sich der Gang und das leise Rauschen wurde zu einem lauten Getöse, das Ila an den Wasserfall vor der Stadt erinnerte. Da! Licht! Ein schwacher Schimmer erhellte den Gang weit vor ihnen. Als es allmählich heller wurde, sah Ila, wie Quahlin immer wieder angestrengt in den dunklen Gang hinter ihnen horchte und dann nur unsicher weiterging. Nach kurzer Zeit war es einigermaßen hell, und Ila folgte Quahlin mit nur wenigen Schritten Abstand. Das Rauschen war inzwischen zu einem ohrenbetäubenden Getöse geworden, das jeden Laut schluckte, und Ila glaubte, fast taub zu werden. Quahlin hatte nun das Ende des Ganges erreicht, kletterte vorsichtig aus der Felsspalte und verschwand nach rechts. Ila folgte ihm, doch als sie aus der Spalte sah, traf sie fast der Schlag. Schwindlig taumelte sie zurück und griff nach der Felswand: Der Gang endete in einer fast senkrechten Felswand, mehr als hundert Schritte hoch. Das Rauschen, das sie gehört hatte, war das Tosen des Wasserfalls, der nur wenige Fuß weit am Ausgang des Ganges herabstürzte und tief unten auf die Felsen donnerte. Der Elb kletterte zu diesem Zeitpunkt gerade auf einem nicht einmal einen Fuß breiten Sims herum, eingeschlossen vom Wasserfall auf der einen und der Felswand auf der anderen Seite. Ila schnappte nach Luft; nie würde sie da raus gehen. Nein, dachte sie, ich gehe zurück und suche mir einen weniger gefährlichen Ausgang. Sie nahm die Fackel, die der Elb liegengelassen hatte und stapfte entschlossen in die Dunkelheit zurück. Doch nach einigen Schritten kamen ihr Zweifel. Hatte der Gang vielleicht Abzweigungen, die sie durch Quahlins blöden Einfall, die Fackel zu löschen, nicht gesehen hatte, und in denen sie sich nun verirren konnte? Der Gang verlief jedoch ziemlich gerade und von Abzweigungen war keine Spur. Doch schon kurz danach hielt Ila überrascht inne und hielt den Atem an. Wie froh war sie, daß sie die Fackel noch nicht angemacht hatte und sich im Dunkeln weitergetastet hatte, denn sie glaubte Licht vor sich gesehen zu haben. Ihr Atem stockte, und sie lauschte in die Dunkelheit. Das Licht war verschwunden, und außer dem Rauschen des Wasserfalls war nichts zu hören. Trotzdem, Quahlin war beunruhigt gewesen, weil er etwas gehört hatte! War da etwa noch jemand in dem Gang? Ila war nicht sicher, was sie tun sollte.

"Ach, das bilde ich mir doch alles nur ein!", dachte sie und ging langsam weiter, wobei sie aber sehr leise war und immer aufmerksam in die Dunkelheit horchte. Immer wieder blieb sie stehen und lauschte konzentriert, doch es war nichts! Scheinbar hatte sie sich getäuscht!

Genau das dachte auch der Zwerg, der nur wenige Schritte von Ila entfernt in die Stille horchte. Überzeugt davon, sicher zu sein, zog er ein Schwefelstäbchen und entzündete es, um damit seine Fackel wieder anzuzünden.

Ila schrie vor Schreck auf und sah, zu Eis erstarrt, den Zwerg an, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Auch der Zwerg erstarrte in seiner Bewegung und eine Weile sahen sich beide nur an.

Ila sah ein kleines, stämmiges Männlein, etwa so groß wie ein Menschenkind, aber so kräftig wie ein ausgewachsener Mann, gekleidet in einen groben Lederrock. Über der Brust trug der Zwerg nur ein linnenes Hemd, und zwei metallüberzogene Gurte, die in Brusthöhe durch einen kleinen Schild zusammengehalten wurden. Er war eindeutig ein Krieger, denn an seiner Seite hing ein kleines Schwert und auf seinem Rücken war ein schwerer Streitkolben befestigt. Zudem trug er einen kleinen Helm.

"Sieht aus, wie ein umgedrehter Blumentopf!" dachte Ila belustigt, doch ihr Lächeln erstarb, als der Zwerg sein Schwert zog.

Auch der Zwerg war sehr überrascht über das unerwartete Erscheinen Ilas, doch er hatte nun gefunden, was er gesucht hatte! Er griff zu seinem Schwert und sprach in einer sehr tiefen Lage:

"Hab ich Dich endlich!"

Ila, die schon fast belustigt auf das kleine Kind herabsah, wurde plötzlich klar, daß sie sich in größter Gefahr befand. Es war das erste Mal, daß sie wirklich Angst um ihr Leben hatte, seit sie Acrelon vor so vielen Tagen den Rücken kehren mußte. Noch immer stand sie regungslos da, als der Zwerg einen Schrei ausstieß und sie mit gezogenem Schwert angriff.

Ende des dritten Kapitels
to be continued...


Heinz-Günter Weber

"Die Sagen von Dawnia" im Überblick:
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 1-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1989)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 2-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1990)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 3-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1990)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 4-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1991)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 5-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1991)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 7-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1994)
© 1989-2024 Underground Empire


Stop This War! Support The Victims.
Button: here