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"Unholy Alliance - Part 2"
mit

SLAYER (US, CA)
IN FLAMES
CHILDREN OF BODOM
LAMB OF GOD
THINE EYES BLEED

Böblingen, Sporthalle

28.10.2006

SLAYER hatten zum zweiten Mal zur "Unholy Alliance" geladen und nach der schon nicht schlecht bestückten ersten Auflage mit SLIPKNOT und HATEBREED vor zwei Jahren ein noch stärkeres Package geschnürt - und damit Mut bewiesen, denn in Gestalt von IN FLAMES und CHILDREN OF BODOM zwei Acts mitbrachten, die auf dem Sprung nach ganz oben sind und zudem als starke Liveacts bekannt sind, so daß sie dem Headliner während der Tour sicherlich das ein oder andere Mal ordentlich Feuer unterm Hintern gemacht hatten - in jenem Rahmen natürlich, der möglich ist, wenn man SLAYER ankokeln will...

THINE EYES BLEED-Liveshot

Aufgrund diverser anderer Verpflichtungen schafft es meine Wenigkeit gerade noch, einen kurzen Blick auf den Footliner THINE EYES BLEED zu werfen und es ist schnell festzustellen, daß die Truppe sich zwar redlich müht, aber doch allenfalls mit einem Höflichkeitsapplaus bedacht wird. Für die Band um Tom Arayas Bruder Johnny, der bei THINE EYES BLEED den Baß zupft (und früher auch schon bei BLOODCUM mitgemischt hatte), ist es sicherlich noch ein weiter Weg bis Johnny beim familieninternen "Bandschwanzvergleich" auch nur ansatzweise mithalten kann...

LAMB OF GOD-Liveshot

Daß die eingeschlagene Stilrichtung, nämlich der Metalcore, nicht der Grund gewesen sein kann, beweisen die nachfolgenden Stilkollegen, LAMB OF GOD, bei denen das Publikum für eine sehr viel bessere Stimmung sorgt - vor allem unter dem Gesichtspunkt, daß die Mannen aus Virginia nur als zweite von fünf Bands, also als Legliner gewissermaßen, antreten. LAMB OF GOD taten allerdings auch ihr möglichstes dazu, da sie energiegeladen und tight losschießen und schlicht eine prächtige Bühnenleistung absolvieren, bei der vor allem Frontmann Randy Blythe als echter Aktivposten bemerkbar macht. Außerdem haben sich LAMB OF GOD auch optisch was einfallen lassen: Sie frönen dem häufigen Backdropwechsel, so daß man meinen kann, die Truppe habe der Bühne bei jedem Song eine neue "Tapete" verpaßt - was zugleich ein Hinweis darauf ist, daß SLAYER ihren Vorbands relativ viel Raum zur freien Entfaltung gestatten.

CHILDREN OF BODOM-Liveshot

Dann ist es an der Zeit für den ersten der möglichen SLAYER-Thronfolger: die Finnen und Bellyliner CHILDREN OF BODOM. Doch der COB-Gig wird sowohl von diversen technischen Problemen als auch von den daraus möglicherweise resultierenden bandinternen Koordinationsproblemen überschattet. Außerdem steht außer Zweifel, daß eine COB-Headlinershow weitaus unterhaltsamer ist, da die Finnen mittlerweile so viele Hits haben, auf die man nicht verzichten möchte. ›Silent Night, Bodom Night‹, ›Needled 24/7‹, ›Living Dead Beat‹, ›Sixpounder‹, ›Angels Don't Kill‹, ›In Your Face‹, ›Hate Me!‹ und ›Downfall‹ reichen für einen COB-Junkie als Dosis mittlerweile einfach nicht mehr aus und so ist es irgendwie frustrierend, Alexi und Co. nach nur 40 Minuten von der Bühne verschwinden zu sehen, ohne daß ›Everytime I Die‹ erklungen wäre. Zwar ist es immer ein Vergnügen, die Bodom-Kinder live zu verfolgen, aber angesichts der oben aufgeführten Fakten nebst dem doch eher schwachen Sound war der heutige Gig im Vergleich mit dem Dutzend von CHILDREN OF BODOM-Shows, denen meine Wenigkeit in den letzten Jahren stets mit größtem Vergnügen beiwohnen durfte, sicherlich zu den schwächsten zu zählen.

IN FLAMES-Liveshot

Doch nun weiter mit den Flammenden, die mit einer Überraschung in Personalfragen aufwarten: Niklas Engelin, der schon mal 1997/'98 IN FLAMES auf Tour begleitet hatte, und mittlerweile einer eigene Band namens ENGEL hat, ist kurzfristig für Jesper Strömblad eingesprungen, der, Zitat Anders Friden, "nach Hause gehen mußte, um sich um ein paar persönliche Dinge zu kümmern". Doch auch Niklas ist ein Vollprofi, der bereits mit GARDENIAN jede Menge Erfahrung sammeln konnte, und bewältigt diese Aufgabe gut. Einiger Gewöhnung bedarf auch die Optik des IN FLAMES-Frontmannes, da Anders ohne Bart weitaus jugendlicher wirkt.
Die "Matrix"-Lightshow von der Tour, die als Breastliner im Vorprogramm von SLAYER natürlich nicht unterzubringen ist, wurde clever umgearbeitet, so daß nun perlenschnurartige Lichter über die Amps flackern, die in Plexiglasbehälter stecken und man somit die Headlinershow in klein und waagrecht nachgebaut hat
Doch leider treten auch bei den Göteborgern einige technische Probleme auf, was zu langen Pausen zwischen den Songs führt, die Anders nicht immer geschickt zu überbrücken versteht, so daß auch IN FLAMES hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Dazu trägt auch die ungewöhnliche Setlist bei, die aber sicherlich auch darin begründet liegt, daß man nicht eine eingedickte Version der Songliste von der Headlinertour im Frühjahr auffahren will. Doch das führt dazu, daß man in Form von ›Only For The Weak‹ nur einmal die todsichere Hüpf-As-Karte bemüht, die natürlich für ein Erdbeben in Böblingen zu sorgen. Ansonsten gibt es ›Graveland‹ statt ›Behind Space‹, der sonst immer als Oldtimer bemüht wird - warum eigentlich nicht der Oberknaller ›The Jester Race‹, der vom gleichen und gleichnamigen Album stammt? Außerdem spielen die Jungs ›Egonomic‹ von »Reroute To Remain« und ›Resin‹ von »Colony« - und wieder nicht die Frage: Warum nicht der megamäßige Titelsong vom gleichen Album? Anyway - in Form von ›Pinball Map‹, ›Cloud Connected‹ und ›Trigger‹ kommen einige Hits zum Zuge, das neue Album darf mit ›Leeches‹, dem Titeltrack ›Come Clarity‹ und ›Take This Life‹ dreimal ran und schließlich fungiert ›My Sweet Shadow‹ als Abschluß des Auftritts.
Ergo: Wie auch schon im Falle COB ein eher schwacher Gig, so daß bis zur Thronübernahme wohl noch ein wenig Zeit vergehen wird.

SLAYER-Liveshot

Der mörderische Headliner des Abends kann also beruhigt auf die Bühne gehen, denn an diesem Abend wird das Pferdehaar, das das Damoklesschwert bändigt, nicht zerreißen. Und die Tatsache, daß die Band im klassischen Line-up eine Platte gemacht hat, die zwar den alten Klassikern nicht am Zeug flicken kann, sich des Namens SLAYER aber würdig erwiesen hat - was, wenn man ehrlich ist, der Band nach »Seasons In The Abyss« nicht mehr gelungen war - hat der Band sicherlich nochmal Auftrieb verliehen. Zumindest ist es vielsagend, daß - ganz wie früher - schon mehr als eine Stunde vor Öffnung der Halle der Parkplatz gut gefüllt ist und aus vielen Autos die aktuelle Scheibe der Band erschallt.
Für die Show, durch die Tom Araya, der dank seines ergrauten Vollbartes sehr alt wirkt, wie immer souverän führt, haben sich SLAYER natürlich wieder ein paar Kleinigkeiten einfallen lassen: So gibt es bei ›Jihad‹ auf der Leinwand Bilder des Flugzeuges, das in das World Trade Center rast, während links und rechts Marshallboxen in der Form eines ungedrehten Kreuzes zu erspähen sind - Provokation gehört also weiterhin ins offiziellen Strategiepapier von SLAYER... Auch die Stimmung ist überschäumend wie immer, so daß die Barrieren fast zu brechen drohen - außer bei jenen, die auf der Tribüne gesessen haben. Mal ganz ehrlich, wie kann man so ein Konzert nur im Sitzen mitmachen?!?
Schade, daß SLAYER nach nur 85 Minuten Feierabend machen müssen, doch diese relativ kurze Spielzeit hängt damit zusammen, daß der Zapfenstreich am heutigen Abend auf 23 Uhr festgelegt werden muß. Dennoch - auch wenn SLAYER eigentlich unangreifbar sind - müssen an dieser Stelle einfach einige kritische Worte zu den unverschämten Merchandisepreisen geäußert werden. Wenn man für ein normales SLAYER-Shirt 30 Euro hinblättern muß (und natürlich alle anderen Bands ihre Preise angleichen mußten), aufwendigere Motive gleich mal mit fünf oder zehn Euro mehr zu Buche schlagen und die Preisspanne nach oben offen zu sein schien (für einen Kapuzenpulli durfte man leckere 54 Euro berappen - früher sagte man mal "mehr als Hundert Mark" dazu...), dann kann man das nur als eine bodenlose Frechheit bezeichnen, und wirft die Frage auf, ob SLAYER vergessen haben, was das Wort "Fanfreundlichkeit" bedeutet. Denn auch wenn eine Band, wie im Falle von Araya & Co., fast schon kultisch verehrt wird, ändert das nichts an der Tatsache, daß es zum Großteil die Fans waren, die die Band in diese Sphären befördert haben. Obgleich es außer Frage steht, daß SLAYER sich mit der neuen Platte im alten Line-up eine Basis geschaffen haben, auf der sich auch noch die nächsten Jahre kreativ zu Werke gehen zu können, konnte man angesichts dieser utopischen Preisvorstellungen fast versucht sein zu meinen, daß hier ein gealterter Melkmeister gekommen sei, um seinen Melkkühen ein letztes Mal den letzten Tropfen Milch abzuverlangen. In dieser Hinsicht muß allerdings nicht nur bei SLAYER, sondern auch bei vielen anderen Bands, deren Merchandisepreise in letzter Zeit in ähnlich bodenlose Dimensionen geschossen sind, dringend ein Umdenken stattfinden, denn wenn für ein Stück Stoff mehr als ein halbes Tagesgehalt eines durchschnittlichen Arbeiters verlangt wird (vom Taschengeld eines Teenies wollen wir an dieser Stelle gar nicht reden...), dann läuft wohl einiges falsch!

Zum Trost standen allerdings vor der Halle Mitarbeiter von soulsaver.de und verteilten kostenlos Büchlein, mit deren Hilfe sie heilsame Geschichtchen verbreiteten. Seit Wochen meine Lieblingssch...hauslektüre...


Stefan Glas

Photos: Stefan Glas


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