DEEP PURPLE
Alice Cooper
MAD MAX (D)
Trier, Arena
14.02.2006
Die ziemlich neue Arena in Trier liegt zwischen einem Lebensmittel-Discounter und einem Heimwerker-Baumarkt - und sieht auch genauso charmant aus. Der Einlaß für alle, die entweder ihr Ticket schon in Händen hielten oder sich (trotz der "Ausverkauft"-Schilder...) noch schnell eines an der Abendkasse organisiert haben, verlief relativ komplikationslos. Aber wehe, man hatte seine Karte an der Abendkasse hinterlegen lassen oder stand auf der Gästeliste oder hatte es in Frankreich bei FNAC oder in Luxemburg bei E-TICKET bestellt! Letztere mußten ihre Tickets nämlich aus unerfindlichen Gründen gegen die örtlich gültige Version umtauschen. Alle diese Personengruppen durften sich an einer einzigen Kasse drängeln - ich habe für knapp drei Meter also gut 30 Minuten gebraucht, was meinen bisherigen persönlichen Rekord darstellt...
MAD MAX, die Truppe um Michael Voss, die kurzfristig für CHÂLICE auf die Tour aufgesprungen waren, hat mit einer ungünstigen Startzeit zu kämpfen: Man muß um 19.00 Uhr auf die Bühne, zu einer Zeit als der Einlaß noch in vollem Gange ist; zudem ist auf den Tickets oder im Internet 20.00 Uhr oder 19.30 Uhr als Showbeginn angegeben. So schafft es meine Wenigkeit in Mannheim auch nur noch, MAD MAX zwei Songs lang aus der Ferne zu beobachten, während Catrin in Trier den verrückten Max komplett verpaßt. Dennoch ist die Zuschauerkulisse für die Münsteraner schon ansehnlich und die Anwesenden feierwillig, so daß MAD MAX letztlich mehr als nur einen Achtungsapplaus verbuchen können. Und somit zurück zu Catrin.
Da ich die Vorband zugunsten der Schlacht am kalten Büffet verpaßt habe, beginnt das Konzert für mich also mit Alice Cooper. Ich habe mich entschlossen, die Show von meinem Sitzplatz im Block direkt rechts oberhalb der Bühne aus zu betrachten, den Drummer und seinen Arbeitsplatz sehe ich gerade so zwischen zwei Boxentürmen hindurch. Warum erkläre ich das? Ganz einfach, es ist in zwei Punkten wichtig: Erstens kann der geneigte Zuschauer dem Großteil der Aktionen von Calico (dem tanzenden Töchterchen von Onkel Alice) nur von diesem Blickwinkel aus folgen, da dieser sich größtenteils auf dem Boden abspielt und zweitens ist die für mich größte Erkenntnis des Abends die, daß man auch so wirklich mitbekommt, wie Alice bzw. Calico jeweils mitten von der Bühne verschwinden bzw. auftauchen. Da kann sich ein gewisser Herr Copperfield noch was abkucken...
Im Gegensatz zu den letzten AC-Shows, denen ich im November 2002 und Juni 2004 beigewohnt habe, sind die Musiker mittlerweile zu einer echten Band zusammengewachsen. Sie besteht zur Zeit aus Ryan Roxie (Gitarre, seit 10 Jahren bei Alice), Chuck Garric (Baß, seit 2003 dabei) und dem Neuzugang Damon Johnson (Gitarre). Schlagzeuger Eric Singer wechselt seit 1991 u.a. zwischen Alice Cooper und KISS (!) hin und her, weswegen auf seiner Homepage auch konsequenterweise zum Thema Haarfarbe "braun, aber abwechselnd blond und schwarz gefärbt" zu lesen ist... Trotz der Ankündung, sich auf die "Roots" zu besinnen und nur ganz neue oder ganz alte Songs zu spielen, ist die Setlist doch recht ausgewogen.
Los geht es mit den alten Gassenhauern ›Department Of Youth‹ und ›No More Mister Nice Guy‹. Bei (dem Titelsong des aktuellen Albums) ›Dirty Diamonds‹ verteilt Onkel Alice so ausgiebig Perlenketten an die ersten Reihen, daß ich mich schon über das täglich zur Verfügung stehende Budget wundere (tatsächlich sind es drei Tagen später in Mannheim auch viel weniger...). Zu den folgenden ›Billion Dollar Babies‹ gibt es Dollarscheine am Dolch gereicht (na ja, die Hälfe fliegt in den Photograben und wird von netten Herren der Security weitergereicht). Nun folgen munter abwechselnd Oldies aus den Jahren 1971 bis 1976 (›Be My Lover‹, ›I'm Eighteen‹, ›Welcome To My Nightmare‹...) und Songs der letzen beiden Alben (›Woman Of Mass Distraction‹, ›Between Highschool And Old School‹). Nur ›Feed My Frankenstein‹ (»Hey Stoopid«, 1991) fällt da aus der Reihe - wird aber offensichtlich gebraucht, damit Onkel Alice die auf der Bühne verstreuten "Körperteile" einsammeln und im offenstehenden Sarg zusammensetzen kann. Währenddessen gibt es immer mal wieder Einlagen von Calico in diversen Verkleidungen (die diesjährige Krönung: als Paris Hilton, von Hündchen gebissen und Paparazzi verfolgt), sie darf ihren Erzeuger wie üblich von der Guillotine hinrichten lassen - damit er dann im ebengenannten Sarg wieder erscheinen kann. Bei ›School's Out‹ fliegen, wie schon seit 30 Jahren, große bunte Luftballons durch die Halle, die ihre Konfettifüllung beim Aufpieksen per Dolch oder Publikum preisgeben.
Als Zugaben folgen dann das unvermeidliche ›Poison‹ (»Trash«, 1989) und noch je ein alter und ganz neuer Song. Außerdem zeiht der bis dato als 50er-Jahre-Rockabilly-Fan durchgehende Bassist dann sein Hemd aus und offenbart seine Tattoo-Pracht - viel Haut ist da nicht mehr zu sehen. Musikalische Höhepunkte setzt aber eindeutig eher Eric Singer mit seinem Drumsolo, was mich zu der Frage veranlaßt, was zum Geier der Gute eigentlich auf den Maskerade-Touren mit KISS macht (in denen er nicht nur in das Kostüm von Peter Criss schlüpft, sondern wohl auch so spielen soll) - einarmig trommeln??? Ein nennenswertes Gitarrensolo gibt es nicht - die Zeiten, die ihr Sänger zum Umziehen braucht, überbrückt die Band als medleyspielendes Bandgefüge, was überraschenderweise gar nicht mal langweilig ist. Und der Meister selbst? Der führt charmant durch das Programm, singt bekannterweise heutzutage besser als vor 35 Jahren - und wünscht uns am Ende einen schönen Valentinstag. Alles in allem eine klasse Show, mit der Alice Cooper definitiv etliche Deep Purple-Fans auf seine Seite gezogen hat.
Die Show von DEEP PURPLE beginnt mit einer Einspielung auf den links und rechts über der Bühne hängenden Videoleinwänden. Dort sieht man, wie die "Tourkiste" aus dem LKW geladen und geöffnet wird und ihr die Musiker einer nach dem anderen entsteigen und in Richtung Bühneneingang trotten. Ein netter Gag, der am Ende der Show mit der Verpackung der Musiker wieder aufgenommen wird. Überhaupt hat die Band offensichtlich jemanden engagiert, der sich um eine Aufmöbelung der Show bemüht hat. Auf der Rückwand der Bühne befinden sich noch eine Leinwand und zwei Lichtstabflächen, auf denen immer wieder optische Akzente gesetzt werden. Wohlgemerkt: nette Akzente, kein nervtötender Dauerbeschuß! Auch die Lightshow ist erneuert worden, wobei auf Laser, Stroboskop und ähnlichen Schnickschnack allerdings verzichtet wurde.
Das Konzert wird (einigermaßen überraschend) mit ›Pictures of Home‹ (1972) eröffnet, gefolgt von dem bis dato nur als Japan-Import erhältlichen Bonus-Track ›Things I Never Said‹ (2005). Mit wenigen Ausnahmen wird die komplette zweistündige (!) Show mit Material von 1970 bis 1972 (›Livin' Wreck‹, ›Mary Long‹, ›Lazy‹, ›Space Truckin'‹, ›Highway Star‹, ›Smoke On The Water‹, ›Speed King‹, ›Black Night‹) und Songs des aktuellen Albums (›Wrong Man‹, ›Rapture Of The Deep‹, ›Before Time Began‹, ›Kiss Tomorrow Goodbye‹) bestritten. Die drei Ausnahmen sind: ›Ted The Mechanic‹ (»Purpendicular«, 1996, das erste von bisher vier Alben mit Steve Morse), ›Contact Lost‹ und ›Well Dressed Guitar‹ (»Bananas«, 2003, das erste von bisher zwei Alben mit Keyborder Don Airey, wobei letzterer Song seit 1999 live gespielt wird, aber erst 2006 als Studioversion erschienen) und ›Perfect Strangers‹ (vom gleichnamigen '84er Album, das erste von bisher acht Alben nach der Reunion).
An den Reaktionen der einzelnen Zuschauer läßt sich relativ gut ablesen, daß das Publikum eine sehr große Spannbreite abdeckt. Nicht nur, daß von 16 bis 61 (oder so) alles vertreten ist, auch die Vertrautheit mit dem Material ist sehr unterschiedlich. Von Leuten (wie ich), die gerade auf die hervorgekramten, eher selten gespielten sowie die neuen Songs mit Begeisterung reagieren bis zu Leuten, die nur drei Songs mitgröhlen und beim Rest eher verwundert kucken, ist alles dabei. Insgesamt werden aber alle Songs gut aufgenommen, nur bei den beiden neuen Songs mit längeren ruhigeren Phasen (›Rapture Of The Deep‹, ›Before Time Began‹), die auch noch direkt hintereinander gespielt werden, gibt es ein paar Irritationen.
ie Band wirkt insgesamt sehr spielfreudig und gut gelaunt; sehr auffallend ist, daß die drei freilaufenden Herren ständig grinsend miteinander reden. Bassist Roger Glover nimmt akustisch sehr viel mehr Raum ein, als sonst von ihm gewohnt - ein "richtiges" Solo spielt er zwar nicht, aber es gibt immer wieder kurze Passagen, die nah ran kommen. Sänger Ian Gillan umschifft die Tatsache, daß sich seine Stimme in den letzten 15 Jahren (vornehm ausgedrückt) stark verändert hat, im Großen und Ganzen inzwischen ganz gut - nur von den Schreiversuchen bei ›Space Truckin'‹ und ›Livin' Wreck‹ sollte er ebenfalls Abstand nehmen. Da kommt nämlich einfach nur gar nichts bei raus... Dafür hat er sich aber (endlich!) wieder einmal neue Ansagen ausgedacht, selbst als Fan konnte man die nicht mehr (wie in den letzten fünf Jahren) bedenkenlos mitsprechen. Gitarrist Steve Morse scheint nun (nach über zehn Jahren in der Band!) endlich seinen Weg gefunden zu haben und spielt die alten Songs und Soli weder krampfhaft originalgetreu noch krampfhaft anders als sein berüchtigter Vorgänger. Drummer Ian Paice zelebriert seinen "one hand roll" im Solo mittlerweile regelrecht, hier kommen die beiden Leinwände mit Live-Übertragung von einer Kamera direkt über ihm besonders gut zur Geltung. Mit Keyboarder Don Airey kann ich persönlich immer noch nicht allzu viel anfangen, muß aber auch hier zugeben, daß er sich inzwischen sehr gut einfügt. Und ihm mit Hilfe der Leinwände mal beim Solieren auf die Finger zu schauen, ist auch allemal interessanter als ständig Vergleiche mit seinem Vorgänger anzustellen.
Genauso gemischt wie das Publikum sind hinterher auch die Meinungen: einerseits lange Gesichter und Sprüche wie "Wie können die ›Child In Time‹ nicht spielen?‹ (Das will ich mit der heutigen Besetzung bzw. Gillans heutiger Stimme aber gar nicht hören!) bis hin zu Begeisterungsstürmen wie "Endlich macht es wieder Spaß, die Band live zu sehen!" Zu letzter Kategorie zähle ich mich.
Bleibt nur die Frage: Warum nahm Steve Morse eigentlich Ian Gillan ausgerechnet bei ›Livin' Wreck‹ so ausgiebig in den Arm? ;-)
Photos: Stefan Glas
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© 1989-2024 Underground Empire |
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