METALLICA
beim
"Rock am Ring"-Festival 2003
Nürburgring, "Centerstage"
08.06.2003
War es das letzte Aufflackern der einstigen Glorie? War es METALLICA bei ihrem Auftritt bei "Rock am Ring" ein letztes Mal gelungen, die "guten, alten Zeiten" zu beschwören?
Man hatte uns im Vorfeld des neuen Albums »St. Anger« suggeriert, die früheren Metal-Ikonen wollten endlich wieder zu ihren Wurzeln zurückfinden, ihren angestammten Platz tief in den Herzen der Metalfans glorreich zurückerobern, so mußten wir auf schmerzliche Weise herausfinden, daß »St. Anger« diese Gelüste nicht mal in Ansätzen befriedigen kann. Doch immerhin versorgten uns METALLICA bei diesem Auftritt mit einem echten Old School-Programm: Die "geladenen" und "zurückgeladenen" Katastrophen blieben komplett außen vor, und vom Neuling wurden lediglich pflichtbewußt zwei Stücke ins Programm gepackt, so daß sich der Ablaufplan des Abends wie folgt las: ›Blackened‹, ›No Remorse‹, ›Harvester Of Sorrow‹, ›Sanitarium‹, ›For Whom The Bells Toll‹, ›Frantik‹, ›The Thing That Should Not Be‹, ›St. Anger‹, ›Seek And Destroy‹, ›One‹, ›Damage Inc.‹, ›Master Of Puppets‹, ›Nothing Else Matters‹, ›Creeping Death‹, ›Sad But True‹ und ›Enter Sandman‹. Kurz: Kracher folgte mit winzigen Ausnahmen auf Kracher!
Doch zunächst ging es mal gemächlich und altbekannt los: ›It's A Long Way To The Top‹ von AC/DC diente als Vorspiel, bevor dann das altbekannte Intro erklang, das METALLICA seit Menschengedenken bei Konzerten benutzen: ›Ecstasy Of Gold‹ aus Sergio Leones Westernklassiker "The Good, The Bad, The Ugly". Während diesen Klängen fand sich Lars Ulrich hinter seiner Schießbude ein, um die Fans mit einem freudig nach oben gereckten Glas mit orangefarbenem Inhalt zu begrüßen. Als dieser sich dann gemütlich hinter seinem Arbeitsplatz niederließ, perlten auch seine Kollegen auf die Bühne, die an diesem Abend ihren Job im Stehen verrichten mußte: James Hetfield mit schicker Wollkappe, ein "wiederermähnter" Kirk Hammet sowie Neuzugang Robert Trujillo.
Vor einem eher spartanischen Bühnenbild spielten METALLICA eine Show, die Spaß machte und den Flair früherer Tage verspüren ließ, aber nie Anlaß zu Euphorie gab. Natürlich waren METALLICA auch am "Ring" weit weg von spielerischer Perfektion, aber das war noch nie die Stärke der Band. Sehr viel bedenklicher war der Eindruck, den Frontmann James hinterließ: Es war einfach nicht mehr der Hetfield von früher; jener souveräne, intelligent-freche und stets pikant-witzige Heroe, der über allem stand, schien verschwunden zu sein. Daß der tief hinabgebeugte, breitbeinig dastehende Hetfield, der seiner GIBSON das riffige Fürchten lehrt, nicht mehr existiert, haben wir schon längst hingenommen, doch am Ring wirkte er darüber hinaus ungewohnt unsicher und blieb weitgehend blaß; wohl ein eindeutiges Indiz dafür, daß die privaten und gesundheitlichen Probleme, mit denen er in den letzten Jahren zu kämpfen hatte, nicht spurlos an ihm vorbeigegangen sind. Genauso wenig überzeugend wirkte das fast schon schwülstige Vorstellen von Neu-Basser Robert, den er viel zu pathetisch mit einem "we love him" als einen der "four brothers" bezeichnete, nebst der Aufforderung an die Fans, ihn in der "family" willkommen zu heißen.
Allmählich strebten METALLICA der Mitte des Hauptsets entgegen, wo uns die beiden »St. Anger«-Nummern erwarteten: Es war erschreckend wie sehr die Stimmung an diesem Punkt einbrach - und das Argument, daß dies nur passierte, weil die Songs den Fans unbekannt war, wirkt an dieser Stelle nicht wirklich überzeugend. Selbst bei ›St. Anger‹, der wohl der beste Song des neuen Album ist, waren die Tanzbewegungen einiger Mädels auf der Pressetribüne eher darauf zurückzuführen, daß es zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Regenfälle am Nachmittag mörderisch kalt geworden war, so daß sie sich ein wenig aufwärmen wollten. Doch zweifelsohne wirkten beide Songs deutlich besser als auf Platte, da man live den unerträglichen Sound der Konserve nicht hinnehmen mußte. Kein Wunder, daß James anschließend das Publikum äußerst unsicher fragte: "Did you like it?", und mit dem anschließenden "That was good, wasn't it?" eigentlich eher sich selbst aufzumuntern versuchte.
Beim nachfolgenden ›Seek And Destroy‹ war das gesamte Publikum prompt wieder aus dem Häuschen und selbst bei ›One‹ mit seinem ruhigen Anfang war deutlich mehr Bewegung vor der Bühne angesagt. Bei dieser Nummer kamen dann erstmals auch Pyros zum Zuge, während bis zu diesem Zeitpunkt Hetfields Mirkowechsel im Stile von DESTRUCTIONs Schmier das einzige optische Special waren. Dafür legte man beim vom Band abgespielten Intro des besagten Antikriegssongs aber mächtig los, weil man das Kriegszenario, in das der Text eingebettet ist, optisch und akustisch umsetzen wollte. Das gelang in überzeugende Weise und einzig die wenigen Silvesterrakete, die an den Himmel gefeuert wurden, wirkten etwas unpassend.
Trotz der grundsätzlich positiven Resonanz seitens des Publikums merkte man deutlich, daß es sich hier um kein reinrassiges Metalfestival handelte, denn ein echter Moshpit wollte sich nicht entwickeln und stattdessen ging es selbst bis in die ersten Reihen relativ kuschelig zu. Es kam das Phänomen hinzu, daß der vordere Publikumsbereich, der mittels einer Barriere vom restlichen Gelände abgetrennt war, schon bei Beginn der Show abgesperrt worden war und niemand mehr nach vorne gelassen wurde. Da jedoch viele aus diesem Areal abwanderten, mutete die Frontrow aufgrund dieser Entvölkerung irgendwann wie ein Schweizer Käse an.
Obgleich die Show sicherlich nicht perfekt war, konnten METALLICA bei "Rock am Ring" andeuten, wie sie sich während ihrer Jahre des Sturm und Drangs ihren Status erspielt hatten. Ob ihnen die Metalfans angesichts des dem Namen METALLICA unwürdigen Albums »St. Anger« noch mehr entgleiten werden, muß die Zukunft zeigen.
Photos: Stefan Glas
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