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  UE-Home → History → Online Empire 7 → Interview-Übersicht → John Norum-Interview last update: 27.03.2024, 15:23:21  

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John Norum wußte nichts von seinem Glück, daß er ein Interview geben sollte. Er war bereits mit einem Fuß aus der Tür, um an den Aufnahmen für die nächste CD weiterzuarbeiten, als plötzlich das Telephon klingelte. Am an­der­en Ende der Strippe ein interviewwütiger Schreiberling. Nichtsdestotrotz plauderte er liebend gern über eine Stunde lang aus dem Nähkästchen.

Ich habe gestern bis spät in die Nacht im Studio gesessen und kann immer noch nicht glauben, was dabei herausgekommen ist: Die besten Songs, die ich bislang geschrieben habe. Ich freue mich schon jetzt auf die Platte, denn ich bin davon überzeugt, daß sie sehr stark wird, obwohl sie noch in weiter Ferne liegt. Ich habe bislang 25 Stücke geschrieben und werde demnächst 12 auswählen, die ich aufnehmen werde. Bei meinem aktuellen Album »Slipped Into Tomorrow« hatte ich nur 12 Songs zur Auswahl, so daß ich sie nahezu alle nehmen mußte. Die nächste Platte wird zudem viel abwechslungsreicher werden, da ich heuer beim Songwriting mehr experimentiert habe, ohne meinen persönlichen Roten Faden zu verlieren.

In den letzten Jahren sind Deine Platten nur in Japan erschienen und MASCOT RECORDS haben nun im Nachhinein die ganze Palette in Europa veröffentlicht. Hat sich hierzulande für Dich interessiert?

Viele Fans, die die Platten als Japanimport gekauft hatten, haben mich auch darauf angesprochen. Ich muß zugeben, daß ich mich nicht sonderlich um Europa bemüht habe. Ich hatte mein '96er Album »Worlds Away« nur an eine Firma geschickt, die jedoch kein Interesse zeigten. Ich habe dann nicht weiter gebohrt, weil ich wichtigere Dinge zu tun hatte: Ich hielt mich damals in Amerika auf und war bei DOKKEN involviert. Dennoch freue ich mich sehr, daß MASCOT mich quasi dazu genötigt haben, die Platten auch in Europa zu veröffentlichen.

Zu Beginn Deiner Solokarriere hast Du zum Großteil auf Gastsänger wie Deinen ehemaligen EUROPE-Kollegen Joey Tempest oder Meister Glenn Hughes oder Ex-BLUE MURDER-Sänger Kelly Keeling zurückgegriffen während Du mittlerweile den Gesang komplett selbst übernimmst. Hattest Du am Anfang kein Vertrauen in Deinen Gesang?

Ich hatte nicht die Ausdauer, die notwendig ist: Bei meinem ersten Soloalbum »Total Control«, das kurz nach meinem Ausstieg bei EUROPE erschien, wollte ich beweisen, daß ich alles selbst singen kann. Daher hatte der ehemalige MADISON-Sänger Göran Edmann mit nur ein wenig unter die Arme gegriffen. Doch schon bald danach stellte sich heraus, daß ich mich überschätzt hatte: Ich hätte nie gedacht, daß es derart aufwendig sein würde, gleichzeitig zu singen und Gitarre zu spielen. Außerdem bekam ich sehr bald Probleme mit meiner Stimme. Also lag es nahe, für »Face The Truth« Glenn Hughes ins Boot zu holen und nur einen kleinen Teil der Songs selbst zu singen. Aber ich habe mich über die Jahre immer bemüht, bei all' den großartigen Sängern, mit denen ich gespielt habe, Techniken abzuschauen oder ihnen ein paar Tips abzuluchsen. Das hat mir sehr geholfen, meine Stimme zu entwickeln, so daß ich mittlerweile problemlos alles singen kann. In meiner Liveband ist Leif Sundin dabei, der das MSG-Album »Written In The Sand« eingesungen hat, und er übernimmt die alten Nummern, die Glenn gesungen hatte.
Ich bin also endlich dabei, meinen Kindheitstraum zu verwirklichen: Ich wollte immer Sänger werden; ich wollte Elvis sein. Er war mein King!

Hattest Du jemals erwogen, ein reines Instrumentalalbum zu machen, wie das schon viele Gitarristen gemacht haben.

Eigentlich nicht, denn es macht mir momentan sehr viel Spaß zu singen. Ich mag es zwar, den ein oder anderen Instrumentaltrack einzustreuen, aber ich denke, daß das genügt. Ich würde gern in Zukunft ein Instrumentalalbum machen, aber nicht im guitar-hero-style: Ich möchte vielmehr ein Album mit Akustikgitarre machen. Ich habe schon einige Songs dafür geschrieben, aber es bestehen noch keine konkreten Pläne für diese Platte. Im Moment hat das Album Priorität, für das ich gerade die Pre-Production mache. Dafür habe ich sogar die Idee, alle "meine" Sänger von Joey Tempest über Glenn Hughes bis Don Dokken einzuladen und je einen Song zusammen mit mir gemeinsam einzusingen.

Du hattest schon einige All-Star-Teams im Studio um Dich geschart, die jedoch nie länger bestanden.

Als ich beispielsweise mit Kelly Keeling, Peter Baltes und Simon Wright »Worlds Away« verwirklichte war die Marschrichtung von Anfang an klar: Wir kamen zusammen, um ein paar Songs einzustudieren, sie aufzunehmen und anschließend würde sich jeder wieder seinen eigenen Projekten widmen. Daher war ich bei meinen Soloauftritten gezwungen, auf Musiker zurückzugreifen, die gerade verfügbar waren. Doch mittlerweile habe ich das Bedürfnis, eine feste Band um mich zu scharen. Jedoch scheint es hier in Schweden nahezu unmöglich zu sein, eine Band zusammenzuhalten: Schwedische Musiker sind Prostituierte, die grundsätzlich in verschiedenen Bands gleichzeitig spielen. Es ist unglaublich, denn sie sind nie aufrichtig zu Dir: Gerade haben sie noch mit Dir zusammengespielt und eine Woche später gehen sie hinter deinem Rücken mit einer anderen Band auf Tour. Da mein Wunsch nach einer festen Band nie funktioniert hat, habe ich auch von der Idee Abstand genommen, einen Bandnamen zu wählen. Ich wollte meine Band eigentlich Norum's DRAGONFLY nennen - nach einer der ersten Bands, in der ich gespielt hatte.

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Warum bist Du mittlerweile wieder auf schwedische Musiker umgestiegen während Du früher eher amerikanische Musiker bevorzugt hattest.

Ich hatte acht Jahre lang in Los Angeles gelebt und daher bot es sich an, amerikanische Musiker zu nehmen. Doch seit drei Jahren lebe ich wieder in Stockholm und so habe ich mich erneut vor der Haustür umgesehen. Doch prinzipiell muß ich sagen, daß es am einfachsten ist, mit amerikanischen Musikern zusammenzuarbeiten, da sie superprofessionell sind.

Du hast schon mit nahezu allen Cracks der Musikszene zusammengespielt. Sind für Dich dennoch einige Wünsche offen?

Vielleicht eine Session mit Steven Tyler und Joe Perry? AEROSMITH sind nämlich seit Kindheitstagen meine Lieblingsband. Außerdem wäre es ein Traum, ein Gitarrensolo auf einer David Bowie-Platte einzuspielen.

Welche Bands hattest Du vor EUROPE?

Meine erste Band hieß WC - ein völlig idiotischer Name! Er hat uns sogar einen Auftritt im Fernsehen versaut: Wir hatten ein Demo an eine Fernsehshow geschickt, die Nachwuchsbands vorstellte. Sie luden uns zu einem Auftritt ein, stellten aber die Bedingung, daß wir unseren Namen ändern würden. Wir waren damals Kinder und zu stolz, so daß wir abgelehnt haben... Verrückt! Danach spielte ich bei DRAGONFLY und anschließend schloß ich mich FORCE an. Aus FORCE entwickelte sich schließlich EUROPE.
Meine erste Erfahrung mit professionellen Musikern machte ich allerdings bereits mit 14 Jahren: Ich war als Gitarrist mit Eddie Medusa und seinen ROARING CADILLACS auf Tour und habe auf drei seiner Alben gespielt. Ich war jedoch nur eine "hired gun", da die anderen Musiker 10 bis 15 Jahre älter waren. Ich kam an diesen Job, da meine Mutter mit dem Drummer der ROARING CADILLACS liiert war. Doch als ich nach einer Tour zurückkam und ziemlich fertig aussah hat sie mir untersagt, weiterhin bei der Combo mitzumischen. Eddie Medusa hatte ohnehin einen sehr schlechten Ruf in Schweden, da er Alkoholiker war und sich sehr rebellisch verhielt. Und ich hatte on tour wohl zu kräftig mitgepartyt. Doch glücklicherweise habe ich nie im Leben Erfahrungen mit Drogen gemacht. Ich trinke lediglich leidenschaftlich gerne Bier, aber ich habe nie so viel getrunken, daß ich ein Alkoholiker hätte werden können. Einzig bei der ersten EUROPE-Tour hatten wir es etwas übertrieben: Vor den Shows tranken wir zwar nichts, aber hinterher haben wir uns kräftig zugeschüttet. Am nächsten Abend haben wir auf der Bühne alles rausgeschwitzt und anschließend wieder nachgefüllt.
Nach EUROPE spielte ich bekanntlich mit Don Dokken zusammen und war auf »Up From The Ashes« mit von der Partie. Eigentlich war nur geplant, daß wir zwei Monate lang miteinander die Platte einstudieren und aufnehmen würden doch im Endergebnis bat Don mich, bei seiner Band einzusteigen, so daß ich etwa drei Jahre lang mit Don spielte. In dieser Zeit lernte ich meine heutige Frau Michelle Meldrum kennen, die damals bei PHANTOM BLUE Gitarre spielte, so daß ich letztlich acht Jahre in Amerika blieb, bis wir uns entschlossen, nach Schweden zu übersiedeln. Wir verbringen aber nach wie vor den Winter in Kalifornien.
Ich bin mir nicht sicher, inwiefern es bekannt ist, daß ich Ende der Neunziger noch mal mit Don zusammenspielte: Don hatte während der laufenden DOKKEN-Tour George Lynch gefeuert und fragte mich, ob ich für den Rest der Tour einspringen könne. Also machte ich kurzentschlossen mit und Don wollte eigentlich, daß ich wieder fest bei ihm einsteige. Mittlerweile bereue ich, daß ich damals abgelehnt habe. Mein Plattenfirma bat mich damals, daß ich mich auf meine Solokarriere konzentrieren solle. Statt dessen übernahm Reb Beach meine Position bei DOKKEN. Allerdings plant Reb nun mit WINGER im Sommer eine Reuniontour, so daß ich eventuell bei DOKKEN für die Sommertournee einspringen werde. Ich habe sehr gerne mit den Jungs gespielt – um es genau zu sagen die beste Band, mit der ich je gespielt habe - und es machte Spaß, den ganzen Abend ein George Lynch-Solo nach dem anderen abzufeuern. Ich spiele lieber in einer Band wie als Solokünstler unterwegs zu sein. Bei meinen Soloshows ist alles auf mich fokussiert und ich bin nicht der Typ, der gerne im Mittelpunkt steht.
Außerdem habe ich an unendlich vielen Tribute-Alben mitgewirkt: Diese Angebote bekommt man zwangsläufig, wenn man in Amerika einen Deal mit Mike Varney und SHRAPNEL RECORDS hat. Abgesehen davon war ich mehrmals mit der Coverband THE BOYS ARE BACK IN TOWN in Schweden und Finnland auf Tour. Außerdem habe ich mit Brian Robertson zusammengespielt, was für mich als fanatischen THIN LIZZY-Fan natürlich toll war.

Hast Du in all den Jahren auch hinter den Kulissen gearbeitet?

Nein, ich habe mich immer auf meine Karriere als Musiker konzentriert. Ich wurde zwar von einigen Bands gefragt, ob ich ihre Platte produzieren würde. Aber ich muß zugeben, daß ich zu wenig Geduld habe, um ein Produzent sein zu können. Vielleicht werde ich das tun, wenn ich die Gitarre an den Nagel hänge. Bislang ist es bei mir aber immer so, daß meine Demos deutlich besser und relaxter klingen als das fertige Produkt.

Live spielst Du mit ›Heart Of Stone‹ und ›Scream Of Anger‹ nur zwei EUROPE-Songs.

Die EUROPE-Songs sind hauptsächlich aus der Sichtweise eines Sängers geschrieben und meine Songs entstanden vom Standpunkt eines Gitarristen. Folglich macht es mir mehr Spaß, diese Songs zu spielen. Daher habe ich nur meine beiden Lieblingssongs aus EUROPE-Zeiten ausgewählt.

Wie denkst Du heute über EUROPE? Schließlich ging die Trennung nach »Final Countdown« nicht ganz geräuschlos vonstatten.

In Sachen EUROPE ist für mich heute alles gut. Natürlich gab es damals Schwierigkeiten, die ich aber mittlerweile alle vergessen habe. Wir waren damals sehr jung und im Grunde war uns nicht bewußt, daß wir bei EUROPE etwas ganz Besonderes miteinander erlebten. Wie wertvoll das war wurde mir erst bewußt, als ich es nicht mehr hatte - gerade jetzt da es unmöglich zu sein scheint, eine neue ernsthafte Band zu formieren.
Es war toll, als EUROPE wieder zusammenkamen, um uns für den Reuniongig an Silvester 1999/2000 in Schweden vorzubereiten. Es war magisch, als wir zehn Minuten vor Mitternacht vor 700.000 Menschen mit ›Rock The Night‹ loslegten. Es war das erste Mal seit 1986, daß wir wieder miteinander auf der Bühne standen.

Tone Norum, Deine Schwester, hat zu Beginn ihrer Karriere eine Menge Unterstützung von EUROPE erhalten. Was macht sie heute?

Richtig: Joey hat fast alle Songs für ihr '86er Debutalbum »One Of A Kind« geschrieben und hat es zudem produziert. Das ist allerdings nicht schwer zu erklären: Die beiden waren damals nämlich ein Paar. Ich war in der letzten Woche auf Joeys Hochzeit: Er hat seine langjährige englische Freundin geheiratet. Tone ist übrigens auch verheiratet und ist zudem gerade schwanger: Sie wird in knapp fünf Monaten ihr erstes Kind zur Welt bringen. Sie hat mittlerweile fünf Alben veröffentlicht, doch die meisten sind nur hier in Schweden erhältlich, da sie einen Deal bei einem kleineren Label unterschrieben hat nachdem ihr Vertrag mit SONY MUSIC ausgelaufen war. Im Moment schreibt sie Songs für ihre nächste Platte, die demnächst aufgenommen werden soll und für die sie zum ersten Mal alle Songs selbst komponieren will. Stilistisch wird sie mit dieser Platte eher in Richtung Lene Marlin tendieren.

Hast Du selbst auch Kinder?

Noch nicht, obwohl ich gerne welche hätte. Aber ich glaube, daß wir noch zwei, drei Jahre warten werden, da Michelle fünf Jahre jünger als ich ist und sich im Moment darauf konzentriert, den Durchbruch mit ihrer Band MELDRUM zu schaffen. Im Moment ist sie beispielsweise in Amerika unterwegs, um Showcases zu spielen. Die Band besteht neben Michelle aus zwei weiteren schwedischen Mädels und einem männlichen Drummer. Die Musik ist verdammt heavy!

Ein Außenstehender muß denken, daß Du im Schlaraffenland lebst: Du mußt nicht zur Arbeit gehen und nur ein bißchen Musik machen. Sieht Dein Tagesablauf wirklich so aus?

Ich kann mich nicht beschweren: Ich führe ein sehr angenehmes Leben. Ich kann jederzeit in mein Studio gehen, um meine Songs aufzunehmen. Daher habe ich nicht so viel Freizeit wie man vielleicht denken mag. Aber in meinen freien Stunden gehe ich regelmäßig ins Fitneßstudio, um in Form zu bleiben. Ich versuche, sehr gesund zu leben: Ich esse kein rotes Fleisch, sondern esse statt dessen viel Obst und Gemüse. Außerdem trinke ich keinen harten Alkohol, sondern lediglich Bier. Außerdem bin ich ein Autonarr und habe mehrere BMWs in meiner Garage stehen, die ich ständig zerlege und dann wieder zusammenbaue. Das macht mir mindestens so viel Spaß wie an meinen Gitarren rumzubasteln. Ich glaube, wenn ich nicht Musiker geworden wäre, hätte ich mir einen Job in einem Musikgeschäft gesucht, um Gitarren bauen zu können.
Michelle ist zum Glück genauso musikverrückt wie ich und kann meine Leidenschaft verstehen. Sie geht momentan tagsüber in eine spezielle Musikschule, in der man von Songwriting über Arrangement oder Studiotechnik bis Engineering ausbildet wird. Und abends verschwindet sie zur Probe mit MELDRUM.

Vielleicht ist das der Grund, weshalb Ihr noch keine Kinder habt: Ihr seht Euch zu selten, so daß Ihr keine Zeit für Sex habt...

Das ist nicht wahr! Wage es nicht zu schreiben, wir hätten keinen Sex!

Würde ich nie tun...

http://www.johnnorum.com/

Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Stefan Glas

John Norum im Überblick:
John Norum – Face It Live '97 (Re-Release-Review von 2001 aus Online Empire 9)
John Norum – Face The Truth (Rundling-Review von 1992 aus Underground Empire 6)
John Norum – Live In Stockholm (Rundling-Review von 1990 aus Underground Empire 3)
John Norum – Worlds Away (Re-Release-Review von 2001 aus Online Empire 8)
John Norum – Heavy, oder was!? 57-Interview (aus dem Jahr 2001)
John Norum – Online Empire 7-Interview (aus dem Jahr 2001)
Soundcheck: John Norum-Album »Optimus« im "Soundcheck Heavy, oder was!? 80" auf Platz 29
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