Alle Freunde von bombastischem Metal mit weiblichem Gesang und Prog-Einflüssen sollten sich diesen Namen einprägen: EDENBRIDGE. Die Band kommt aus Österreich und befinden sich technisch gesehen in schwindelerregenden Höhen. Da auch das Songwriting stimmt, sah ich mich förmlich gezwungen, den Gitarristen und Hauptsongwriter Lanvall auszuquetschen, der bereits drei Soloscheiben auf dem ProgRock-Label WMMS veröffentlicht hat.
Stimmt es, daß Ihr Euch mit dem bereits fertigen Debutalbum beworben habt?
Richtig! Wir haben die CD in Eigenfinanzierung aufgenommen, gemischt, gemastert und haben sie dann an 30 Labels weltweit verschickt. Bereits nach zwei Wochen waren MASSACRE am Telefon und haben uns einen Vertrag angeboten. Kurz vor Weihnachten 1999 haben wir bei ihnen unterschrieben.
War MASSACRE RECORDS Eure erste Wahl und was erwartet Ihr von einer guten Plattenfirma?
MASSACRE waren unser absolutes Wunschlabel und wie man sieht lagen wir absolut richtig. Die Leute dort leisten einen Wahnsinnsjob für uns und menschlich verstehen wir uns prima. Das gleiche gilt übrigens für Stephan Treu, unseren Promomann in Deutschland. Alles, was im Vorfeld der Veröffentlichung getan wurde, stimmte einfach hundertprozentig: Anzeigen, Interviews, Trackplacements auf Samplern und so weier. h bin momentan überglücklich mit unserem Label.
MASSACRE treiben einen sehr großen Promotionaufwand für EDENBRIDGE! Glaubt Ihr, daß es einen großen möglichen Markt für progressiven, melodischen Metal mit Frauengesang gibt?
Ich denke nicht, daß wir so wahnsinnig progressiv sind. Progressiv schon eher im eigentlichen Sinn: Daß wir doch einen Stil haben, den es im Metal nicht oft gibt, gerade was den Gesang angeht. Daß es den Markt dafür gibt, haben NIGHTWISH gezeigt, da sie meines Wissens in Deutschland von 0 auf 21 in die Charts eingestiegen sind. Ich denke, daß Frauengesang im Metal immer noch was neues und aufregendes ist.
Was haltet Ihr vom NIGHTWISH-Vergleich? Ich persönlich kann da kaum Parallelen erkennen!
Gut, daß Du das ansprichst. Ich sehe das genauso! Unsere Sängerin Sabine hat eine völlig andere Stimme als Tarja von NIGHTWISH und die Musik kann man ebensowenig vergleichen. Zudem kann ich nicht durch NIGHTWISH beeinflußt sein, da ich zum einen schon seit mehreren Jahren mit Sabine zusammenarbeite und zum anderen alle unsere Songs schon fertig waren, bevor ich NIGHTWISH überhaupt das erste Mal gehört habe. Aber das Schubladendenken muß nicht unbedingt schlecht sein, denn ich denke, daß wir jeden NIGHTWISH-Fan mit unserer Musik ansprechen werden.
Dein Soloprojekt unter dem Namen LANVALL ist mir durch famose Instrumentalscheiben bekannt. Wird es irgendwann auch eine neue LANVALL-Scheibe geben oder gibt es jetzt nur noch EDENBRIDGE?
Eine neue LANVALL-Platte wird es sicher irgendwann geben, aber momentan bin ich rund um die Uhr mit EDENBRIDGE beschäftigt. Die zweite Platte ist zu drei Viertel schon geschrieben und wir werden im Frühjahr wieder ins Studio gehen. Was mein Soloprojekt betrifft, existieren dafür ebenso einige Stücke mit kompletten Orchesterarrangements, über die viele Gitarrenparts gelegt werden. Das heißt, daß ich für die Produktion mit Sicherheit ein Orchester brauchen werde, denn mit Samples und Synthies kann ich meine Vorstellungen auf keinen Fall verwirklichen. Ich gehe allerdings nicht davon aus, daß es vor 2003 eine neue LANVALL-CD geben wird.
Ihr verarbeitet in Euren Songs Ethno-Einflüsse, wie zum Beispiel in ›Cheyenne Spirit‹ oder ›Sunrise in Eden‹? Woher kommen diese Einflüsse?
Ich war immer schon großer Fan von gut gemachter New Age-Musik wie KITARO, VANGELIS und GANDALF. Daher stammt sicher ein großer Teil der Einflüsse. Zudem stehe ich unheimlich auf fernöstliche Saiteninstrumente wie Sitar, Saz oder Koto. In der Vergangenheit habe ich mich viel mit exotischen Skalen beschäftigt und in ›Sunrise in Eden‹ hörst du japanische Pentatonik. Von der indianischen Kultur war ich schon immer fasziniert: Ihre Weisheit, Spiritualität und Lebensweise ist leider vom weißen Mann fast komplett ausradiert worden. Es ist ein Verbrechen, daß hier noch keine Wiedergutmachung geleistet wurde! Aber wen ich recht informiert bin, gehen die Sammelklagen in den Vereinigten Staaten jetzt los.
Von wem oder was seht Ihr Euch noch beeinflußt?
Da gibt es viele Dinge wie Filme, Bücher oder klassische Musik. Mein absoluter Lieblingskomponist ist beispielsweise Anton Bruckner, der für mich der größte Komponist aller Zeiten ist. Seine Symphonien bedeuten für mich mehr als alles andere auf dem musikalischen Sektor. Alleine das Adagio aus der Achten ist eine halbe Stunde Gänsehaut pur. Ich liebe ebenfalls STAR TREK "The Next Generation", "Deep Space Nine" und "Voyager" über alles: Es ist unglaublich, was dabei an esoterischen Inhalten transportiert wird.
Hat Eure Sängerin eigentlich eine klassische Gesangsausbildung?
Überhaupt nicht. Sie ist ein reines Naturtalent. Sie hat mal ein paar Gesangsstunden genommen, da ging es aber primär um Atemtechnik und Entspannungsübungen. Daß sie keine Metalstimme hat ist unser größter Vorteil, da sie im Metalsektor mit niemanden zu vergleichen ist.
Wie läuft eigentlich bei Euch der Songwritingprozeß ab?
Die Songs wachsen komplett auf meinem Mist. Ich beginne meistens mit einer Vocalline, die ich dann zusammen mit den Harmonien ausarbeite. Dann beginnt das Arrangement: Keyboards, Baß und Drums programmiere ich am Computer. Dann entwickele ich die Gitarrenlinien, die allerdings auch mal am Anfang des kreativen Prozeß stehen können. Hierbei lasse ich mir relativ viel Zeit, um alles perfekt auszuarbeiten. Ich nehme den Song dann auf meinem Acht-Spur-Recorder auf; anschließend bekommt jeder Musiker die Noten, Linesheets und ein Tape, so daß er den Song zu Hause ausarbeiten kann. Wenn wir proben funktioniert der Song meistens schon nach zwei bis drei Durchläufen. Das spart unglaublich viel Zeit und Energie. Da die anderen keine Songs schreiben, sind sie mit dieser Vorgehensweise total happy, solange ich keinen Mist abliefere. Natürlich kann jeder seine spielerischen Details einbringen: Gerade im Drumbereich wäre ich ja blöd, wenn ich Roland jedes Break genau vorschreiben würde.
Ich finde, daß der Prog/Bombast-Anteil in Eurer Musik überwiegt. Seid Ihr Prog-Fans oder eher beinharte Metalfreaks?
Wie ich oben schon sagte, denke ich nicht, daß der Prog-Anteil überwiegt. Ich nenne es gerne Bombast-Metal. Ich war früher mal großer Prog-Fan, aber das meiste aus diesem Bereich langweilt mich heute nur noch. Im Metalbereich mag ich relativ viel, besonders SHADOW GALLERY, ROYAL HUNT, DREAM THEATER, SYMPHONY X, Robbie Valentine (Okay, ist nicht unbedingt Metal), STRATOVARIUS, FAIR WARNING, etc. Ich kann mir ab und an auch Bands wie CHILDREN OF BODOM oder DIMMU BORGIR reinziehen. Sabine steht auch auf diese melodischen Acts, desweiteren ebenso auf Sarah Brightman und Celine Dion. Kurt ist am ehesten noch der typische Prog-Fan mit Faves wie YES, RUSH, CAIRO, SHADOW GALLERY oder John Wetton, den ich ebenfalls überragend finde. Roland ist beinharter Metaller und auch unser neuer zweiter Gitarrist Georg Edelmann steht auf Bands wie NEVERMORE oder ANNIHILATOR. Wie man sieht, ist das alles sehr unterschiedlich. EDENBRIDGE scheint wohl unser gemeinsamer Nenner zu sein.
Photos: Stefan Glas