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”UNDERGROUND EMPIRE 6”-Datasheet

Contents:  TORCHURE-Interview

Date:  09.03.1992 (created), 17.06.2011 (revisited), 22.01.2022 (updated)

Origin:  UNDERGROUND EMPIRE 6

Status:  published

Task:  from paper to screen

Availability:  original printed issue still available, order here!

Comment:

Heute wissen wir, daß die von meinem Interviewpartner Andreas Reissdorf angesprochenen Weiterentwicklungen im Hause TORCHURE nie in vollem Umfang umgesetzt werden konnten, denn ziemlich genau sieben Monate später sollte Andreas zusammen mit seinem Bruder Thorsten, dem Bassisten von TORCHURE, bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommen. TORCHURE legten dann zwar mit neuem Team eine zweite CD namens »The Essence« nach, doch diese sollte nicht jenes Level erreichen, auf dem sich TORCHURE bis zu diesem Zeitpunkt bewegt hatten.

Supervisor:  Stefan Glas

 
 

TORCHURE-Logo

Ein TORCHURE-Interview war für UNDERGROUND EMPIRE 6 angesagt. Der Vorschlag stammte von Heiko, und da ihr »Traces«-Demo im Death Metal-Bereich gewiß als herausragend zu bewerten ist, stimmte ich absolut zu. Also schrieb Heiko ein Briefchen an die gefolterten Fakeln, die sich einem Smalltalk nicht abgeneigt zeigten. Etwa gleichzeitig kamen TORCHURE bei 1 MORE FLOp RECORDZ unter Vertrag und nahmen ihr »Beyond The Veil«-Debut auf, welches mittlerweile einige Wochen alt ist. Und so sollte sich die Interviewdurchführung noch einfacher gestalten, indem ich über die Plattenfirma einen Termin ausmachte und dann nur noch den Telephonhörer abzunehmen brauchte. Wäre die Verbindung nicht so beschissen gewesen und hätte diese Madame bei jenem anderen Gespräch, das gleichzeitig querschoß, nicht so ständig so schrill losgelacht, hätte ich sogar alles verstanden, was mein Interviewopfer Andreas zu sagen hatte.

TORCHURE-Bandphoto 1

Wo liegt der größte Unterschied zwischen TORCHURE und anderen Death-Bands?

Ich schätze mal, es liegt daran, daß wir schon etwas länger Metal hören als die meisten Death Metal-Bands, die 1986/'87 mit Bands wie KREATOR angefangen haben. Wir hören alle schon zehn Jahre und länger Metal und kennen also auch Bands wie MERCYFUL FATE, TROUBLE, NASTY SAVAGE oder auch noch ANGELWITCH. Wir hören also nicht nur Death Metal, so daß solche Bands Einfluß auf unsere Musik haben. Wir haben viele doomige Sachen und wohl auch mehr Melodie in der Musik, was uns von anderen Bands unterscheidet, ebenso wie unsere soundtrackmäßigen Experimente mit dem Synthesizer.

Das war auch mein Eindruck vom »Traces«-Demo, wo Ihr von unverhältnismäßig ausgedehnten Doomparts über die Keyboardeinlagen bis zu Grindpassagen praktisch alles drauf hattet. Ich fand daher Eure Musik abwechslungsreicher als die von anderen Death Metal-Bands! Wie entsteht diese Bandbreite in Euren Songs?

Wir haben zunächst mal irgendwelche Riffs, die wir zusammen ausarbeiten. Wir haben nur das große Problem, daß wir keine kurzen Stücke hinkriegen. Wir landen immer bei mindestens fünf oder sechs Minuten. Die Synthesizersachen entstehen erst, wenn die Stücke fertig sind, indem wir uns den Song anschauen und dort etwas einfügen, wo wir das Gefühl haben, daß es passend wäre. Die Doompassagen kommen irgendwie ganz automatisch, denn im Moment ist in der Death Metal-Szene alles hauptsächlich auf die Geschwindigkeit ausgelegt. Gerade deshalb machen wir es etwas anders. Ich persönlich, ebenso wie einige andere in der Band, höre sehr gerne Doom Metal, und so kann es auch daher kommen.

Wie würdest Du also Euren Stil charakterisieren?

Death Metal ist es auf jeden Fall, aber vielleicht etwas mehr open-minded, weil wir versuchen, andere Einflüße reinzubringen - allerdings nur solche, die auch zu der Stimmung des Death Metal passen. Uns ist es wichtig, daß die Musik sehr heavy und finster bleibt. Das erreicht man allerdings nicht nur, indem man tierisch schnell auf irgendwelchen Instrumenten rumkloppt oder tierisch finstere Gitarren hat. Doom Metal oder Soundtracks von Horrorfilmen sind auch sehr finster, so daß wir versuchen, daraus eine Synthese zu erarbeiten. Man könnte bei unserer Musik also eventuell von Death-Doom Metal mit soundtrackmäßigen Effekten sprechen.

Eure Texte sind zum Glück nicht der übliche Scheiß, den man von leider allzu vielen Death Metal-Bands zugemutet kriegt! Auf »Traces« hattet Ihr die Unmenschlichkeit des Menschen zum Thema!

In unseren Texten geht es allgemein immer um den Menschen, und in »Traces« ging es um die Spuren, die die Menschheit im Laufe ihrer Geschichte hinterlassen hat. Das Problem ist zweifelsohne allgegenwärtig, denn ohne einen krankhaften Trieb beim Menschen würde es beispielsweise keinen Krieg geben. Auf der LP schreiben wir sowohl über Grausamkeiten anderen Menschen gegenüber, als auch gegenüber sich selbst, wenn ich da an Depressionen denke, die im Selbstmord resultieren können.

Warum allerdings muß im Death Metal-Bereich alles so negativ sein? Könnte man sich nicht auch hin und wieder mal positiveren Aspekten zuwenden?

Ich weiß nicht, warum das so ist! Ich weiß auch nicht, weshalb Death Metal oft mit Horrorfilmen zusammenhängt. Es ist irgendwo einfach so, und seltsamerweise mögen wir es auch, eine düstere Stimmung rüberzubringen. Ich denke, daß die Musik diese Atmosphäre ausstrahlt und daher die Texte das gleiche vermitteln müssen. Politische Texte beispielsweise könnte ich mir im Death Metal nicht vorstellen.

Man könnte natürlich sagen, daß es nur vergebliche Liebesmühe Eurerseits ist, wenn Ihr soviel Zeit in die Texte investiert, da man sie ohnehin nicht verstehen kann!

Die Musik ist für uns vorrangig und die Texte müssen da sein, um einen Song vollständig zu machen. Aber wenn Texte schon sein müssen, dann geben wir uns auch Mühe dabei und arbeiten sie genau aus. Warum sollte man halbe Sachen machen? Uns stört es einfach, daß es immer heißt, Heavy Metal, und Death Metal ganz besonders, sei blöd. Diese dumme Aussage braucht man ja nicht noch zu unterstützen, sondern man sollte versuchen, sie zu widerlegen. Solchen Leuten braucht man nicht noch Futter zuzuwerfen, denn wir sehen uns selbst nicht als dumm an und wir wissen auch von unseren Hörern, die wir kennen, daß sie das nicht sind. Also versuchen wir, mit Hilfe der Texte rüberzubringen, daß wir etwas im Kopf haben und uns unsere Gedanken machen! Ich finde es nämlich total scheiße, daß ich schon eine Entschuldigung auf den Lippen haben muß, wenn ich jemandem erzähle, daß ich in einer Death Metal-Band spiele. Daß ich mich also rechtfertigen muß, weil man sich sonst den Mund über mich zerreißt. Es wäre schön, wenn dieses Image mal etwas besser werden würde.

Man kann also sagen, daß Ihr eine Band seid, die sich von anderen abhebt, also recht originell seid. Warum um alles in der Welt habt Ihr dann so ein dummes Klischee-Cover für die Platte gewählt?

Diese Aussage mag bei dem Cover schon angehen. Das Problem ist immer, etwas Neues zu finden. Andererseits soll ein Cover auch immer als T-Shirt-Motiv geeignet sein, und wenn man dann so etwas Abstraktes draufhat, verkauft sich das erfahrungsgemäß nicht besonders. Als ich das Cover von »Traces« gezeichnet habe, war das allerdings kein Gesichtspunkt für mich. Einige Leute mögen es, einige nicht. Beim Cover für »Beyond The Veil« meinte Shelko (der Chef von 1 MORE FLOp RECORDZ - Red.), daß man besonders beim Debut ein Cover nehmen solle, bei dem die Leute sofort erkennen, welche Musik das ist. Es waren also auch marktstrategische Gründe bei der Coverwahl mitausschlaggebend. Wir fanden das Motiv sehr gut, weil es gut gezeichnet ist. Ich weiß eigentlich auch nicht, was wir hätten besser nehmen können, zumal wir nicht die große Auswahl hatte. Ich habe immer von einem Giger-Gemälde geträumt, aber das kann man im Moment nicht nehmen, da Giger zur Zeit gerade in der Death Metal-Szene tierisch plattgewalzt wird. Das Cover kriegt einiges an Kritik, aber damit muß man leben!

TORCHURE gibt es ja eigentlich schon seit 1985. Zwischenzeitlich löste sich die Band mal auf, reformierte sich 1988, und seit etwa eineinhalb Jahren spielt Ihr in dieser Besetzung zusammen. Während dieser Zeit habt Ihr zunächst das »Hellraiser«-Rehearsaltape und im letzten Jahr das »Traces«-Demo veröffentlicht, und nun steht schon Eure erste Platte in den Läden. Es ging also alles sehr schnell. Für mein Gefühl vielleicht etwas zu schnell, besonders, weil derzeit in der Death Metal-Szene das Stichwort "verheizen" ein nur allzu zutreffendes ist. Hattet Ihr keine Bedenken in diese Richtung?

Der Death Metal ist zur Zeit eine Welle, die von allen Seiten vermarktet wird. Wenn die Welle mal vorbei ist, wird keine Death Metal-Band mehr gesignt werden. Und so haben wir zugesehen, daß wir so schnell wie möglich unter Vertrag kommen. Es mag sich nun blöd anhören, aber man hat schon bei vielen Bands gesehen, daß es ein Fehler ist, noch länger zu warten, weil man dann besser ist. Irgendwann ist die Zeit einfach vorbei (Wenn ich mir all diese Platten von irgendwelchen unfertigen Bands anhöre, die derzeit veröffentlicht werden, so kann man über diese These doch sehr streiten! - Red.). In Sachen Death Metal ist Zeit momentan der wichtige Aspekt.

Die Resonanzen auf die Platte waren doch verdammt gut. Platz zwölf im ROCK HARD, Robert Müller hat Euch im METAL HAMMER auf Platz 3 der nationalen Szene befördert, usw. Hattet Ihr mit so etwas gerechnet?

Als wir ins Studio gingen, dachten wir, daß wir so etwas erreichen könnten. Als wir aber mit den Aufnahmen fertig waren, waren speziell Stefan, unser Schlagzeuger, und ich tierisch enttäuscht, weil einige Sachen total daneben gegangen sind. Die Platte ist beispielsweise sehr viel unsauberer eingespielt als das Demo. Auch mit dem Synthesizer hatten wir uns noch Sachen vorgenommen, die wir einfach unter den Tisch fallen ließen. Wir hatten also eher mit der "Arschbombe des Monats" gerechnet. Ich finde sogar, daß wir teilweise etwas überbewertet wurden.

Wie siehst Du Eure Erfolgsaussichten in der derzeitigen Death Metal-Flut?

Ich glaube, das hängt davon ab, wie wir uns weiterentwickeln und ob wir es schaffen, etwas zu kreieren, das nicht jeder macht. Es bringt einfach nichts, immer den gleichen Scheiß zu spielen! Wir haben einige Ideen, und im Moment gibt es noch keine Band, die so etwas gemacht hat. Wenn alles so klappt, wie wir es uns vorstellen, dann könnten wir ganz gute Chancen haben.

Was ist neben der Musik für Euch der größte Inhalt Eures Privatlebens?

Ich schätze mal, wie bei den meisten ist das die Freundin. Ich zeichne normalerweise gerne, wozu ich momentan aber kaum Zeit habe. Allerdings geht die meiste Zeit, die einem die Arbeit läßt, für die Musik drauf.

Zum Abschluß noch 'ne total andere Frage:Was hälst Du vom Fernsehen? Ich vermute mal, daß Du, wenn Du gerne Soundtracks von Horrorfilmen hörst, Dir auch die Filme auf Video anschaust!

Ich könnte sehr gut aufs Fernsehen verzichten. Da ich allerdings gerade arbeitslos geworden bin, habe ich in den letzten zwei Wochen viel davor gesessen, weil ich ziemlich Langeweile hatte. Video ist noch denkbar, aber das Fernsehprogramm ist einfach überflüssig!

Vorbereitung:
Heiko Simonis + Stefan Glas

Interview & Bearbeitung:
Stefan Glas

TORCHURE im Überblick:
TORCHURE – The Essence (Rundling-Review von 1994 aus Underground Empire 7)
TORCHURE – Traces (Demo-Review von 1991 aus Metal Hammer 10/91)
TORCHURE – Traces (Demo-Review von 1991 aus Underground Empire 5)
TORCHURE – Underground Empire 6-Interview (aus dem Jahr 1992)
TORCHURE – News vom 28.12.2006
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