KATATONIA
SWALLOW THE SUN
LONG DISTANCE CALLING
Wien, Szene
28.03.2010
Auch wenn mittlerweile der Frühling endgültig Einzug gehalten hat und die Sonne an diesem Sonntag das Tagesgeschehen zu prägen wußte, ließen es sich an die 400 Interessierte in den Abendstunden nicht nehmen, an einem Konzert teilzuhaben, das herrliche Herbststimmung verbreiten sollte. Keine Ahnung, ob die von einigen Fans vor dem Einlaß verbreiteten Gerüchte hinsichtlich eines ausverkauften Konzertes tatsächlich stimmten, über mangelnden Fan-Zustrom konnten sich Bands und Veranstalter jedenfalls nicht beklagen.
Schon der Opener LONG DISTANCE CALLING sieht sich deshalb einer überaus prallgefüllten "Szene" gegenüber, doch nicht nur meine Wenigkeit ist aufgrund der ungewohnten Darbietung zu Beginn noch ein wenig abwartend und zurückhaltend. Das ohne Sänger agierende Quintett schlägt sich aber tapfer, und obendrein scheint es, als ob die Deutschen auch bei uns bereits über ein durchaus getreues Gefolge verfügen. Die Stimmung im Verlauf des Sets läßt nämlich erkennen, daß die Zuhörerschaft offenbar mit Fortdauer des Gigs immer tiefer in die Sounds der Band eintaucht, um diese danach amtlich abzufeiern. Klar kommt der "Mitmachfaktor" hier ein wenig zu kurz, aber wie soll bei Instrumentalmusik auch mitgegrölt werden?
Die knapp mehr als 30 Minuten Spielzeit werden gut genutzt, und ich bin mir sicher, daß LONG DISTANCE CALLING mit ihren Klängen, die man schlicht und ergreifend als "sphärisch" bezeichnen kann, an diesem Abend ihre Fanbase vergrößert haben. Schade bloß, daß ›The Nearing Grave‹, die einzige Nummer ihres aktuellen Drehers »Avoid The Light« mit Vokalbeitrag nicht zum Zug kommt. Dabei wäre Gastsänger Jonas Renske problemlos "einzuladen" gewesen. Der Stimmung im Saal tut das aber keinen Einbruch, und auch auf der Bühne ist man sichtlich begeistert vom Empfang in Wien und der Euphorie die LONG DISTANCE CALLING zu entfachen wissen.
Nach dieser stimmungsvollen Eröffnung und einer kurzen Umbaupause stehen dann die sechs Finnen von SWALLOW THE SUN auf den Brettern, um nach einem düsteren Intro mit ›These Woods Breathe Evil‹ und ›Falling World‹ (beide vom aktuellen Silberlings »New Moon«) ihr Set zu eröffnen. Der überaus ansprechende, melodische Doom/Death-Mix der Finnen kommt nicht nur auf Tonträger sehr stimmungsvoll und atmosphärisch einwandfrei an den Zuhörer, sondern verfehlt auch auf der Bühne seine Wirkung nicht. Binnen Minuten ist in Simmering der Spätherbst eingezogen, herrlich mitzuverfolgen vom Auditorium aus und die gesamte Spielzeit über ein akustischer Hochgenuß. Zwar ist "Bühnenshow", wie auch "Kommunikation mit dem Publikum", nicht gerade das, was Frontmann Mikko Kotamäki auszeichnet, durch vereinzelte höfliche Danksagungen zwischen den Tracks bleibt der Kerl aber dennoch sympathisch. Vielleicht liegt es ja schlichtweg an seiner Herkunft, daß dieser Kerl nicht gerade redselig ist, ein Image aus dieser Ecke hat Mikko bestimmt nicht nötig. Hinsichtlich seiner Gesangsperformance gibt es jedenfalls nichts zu meckern, und abgesehen davon wissen sich vor allem Keyboarder Aleksi Munter und Juha Raivio an der Gitarre an seiner Seite amtlich ins Zeug zu legen und lassen den "Haar-Ventilator" permanent in Bewegung. Die Band legt logischerweise verstärktes Augenmerk auf ihr aktuelles Album, wobei vor allem der Titeltrack und das ungemein deftige ›Sleepless Swans‹ an diesem Abend verdammt gut zur Wirkung kommen. Erneut ein sehr stimmungsvoller Auftritt des Sextetts, das als eine der momentan wohl tourfreudigsten Bands in ihrem Genre überhaupt sein dürfte und sich unmittelbar im Anschluß an diese Gastspielreise für knapp vier Wochen nach Übersee begibt, um zusammen mit FINNTROLL und MOONSORROW die "Finnish Metal North America Tour" zu bestreiten.
Bevor KATATONIA die Bretter entern können, ist emsiges Gewusel in den Räumlichkeiten der "Szene" angesagt. Während auf der Bühne in Windeseile umgebaut wird, füllt sich der Club selbst in der Zwischenzeit bis unter den Rand. Spätestens als die Schweden mit ›Forsaker‹ das Konzert eröffnen, ist die Raucherlounge im Freien menschenleer, die Bar geräumt und noch nicht einmal mehr das verhältnismäßig kostengünstige Merchandising kann das Interesse auf sich ziehen. Was zählt, ist nur noch der Headliner, der sich für die "New Night Over Europe"-Tour in runderneuertem Line-up präsentiert. Neben Mastermind Jonas Renske am Mikro und seinen langjährigen Sidekicks Anders Nyström an der Gitarre und dem zweiten Mikro, sowie Drummer Daniel Liljekvist, dürfen die Fans anstelle der abgewanderten Norman-Brüder Fredrik (Gitarre) und Mattias (Baß) nun BLOODBATH-Klampfer Per Eriksson und Niklas Sandin am Baß beklatschen.
Keine Ahnung, wie sich KATATONIA in anderen Besetzungen live geschlagen haben, auffällig ist, daß vor allem die beiden Neuzugänge für amtliche Action sorgen und offenbar über reichlich Erfahrung in Sachen Bühnenpräsentation verfügen. Das Duo bangt, was das Zeug hält und weiß zudem auch mit reichlich Ausstrahlung zu glänzen.
Logischerweise legen KATATONIA verstärktes Augenmerk auf ihr aktuelles Album »Night Is The New Day«, von dem auch das Motto der Tournee "New Night Over Europe" abgeleitet ist. Doch die Herren haben selbstredend auch Songs ihrer Vergangenheit mitgebracht, kein Wunder, hält man sich vor Augen, daß die Schweden mittlerweile seit knapp 20 Jahren Bestandteil der Szene sind und auf insgesamt acht Studioscheiben zurückgreifen können. Klar kann man im Nachhinein philosophieren, ob die Setlist nicht doch anders besser eventuell noch ist, doch hinsichtlich der Publikumsresonanz scheint die getroffenen Auswahl die absolut Richtige zu sein, denn egal, ob Auszüge aus dem neuen Album präsentiert werden, oder "Oldies" wie ›Teargas‹ dargeboten werden, die Stimmung bleibt durchgehend erhalten. Bei derlei Klängen kommt zwar zu keiner Sekunde wirklich "Party-Feeling" auf, aber KATATONIA, die wohl so etwas wie eine Konsensband darstellen und im Laufe der Jahre zu einer Art "Bindeglied" zwischen der Gothic-Fraktion und Schwermetall-Liebhabern avanciert sind, wissen, das anwesende Publikum rundum zu begeistern. Allen voran Jonas Renske, der über eine ungemein charismatische Stimme verfügt, hinsichtlich der Live-Performance aber - mit Verlaub - eher an Bussibär erinnert, als einen gestandenen Metaller, weiß das Volk mit seiner allein mit seinem ausdrucksstarken Organ in Wallung zu bringen.
Hinsichtlich der entstehenden Atmosphäre eines Gigs brauchen KATATONIA ohnehin keinerlei Vergleich zu scheuen, und so hinterlassen die Schweden auch an diesem Abend ausschließlich zufriedene Gestalten.
Photos: Walter Scheurer
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© 1989-2024 Underground Empire |
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